Tichys Einblick
Schönbohm-Affäre

Faeser hat das Parlament hinters Licht geführt

Angeblich soll Arne Schönbohm schon in der Vergangenheit negativ aufgefallen sein. So behauptete es Nancy Faeser im Bundestag. Die Union hat sich davon einlullen lassen und Faeser im Amt belassen. Ein nun aufgetauchtes Schreiben zeigt das Gegenteil.

IMAGO/dts
Am vergangenen Mittwoch, 20. September, hatte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zu der im Oktober 2022 von ihr verfügten Strafversetzung des vormaligen Cyber-Abwehr-Chefs Arne Schönbohm vor dem Bundestag behauptet: „Die Gründe für die Abberufung Arne Schönbohms reichten deutlich weiter zurück. Bereits vor meinem Amtsantritt und unter verschiedenen Innenministern der Union gab es immer wieder Beanstandungen der Fachaufsicht, also meines Ministeriums, hinsichtlich der Amtsausübung durch Schönbohm.“

Ein Schreiben des in Faesers Ministerium nach wie vor amtierenden Chefs der Cyber-Fachaufsicht, Staatssekretär Markus Richter, beweist das Gegenteil. Das Dokument vom 28. Januar 2021 stammt aus den Akten des Ministeriums und ist an die BILD-Zeitung durchgestochen worden.

In diesem Schreiben würdigte der Staatssekretär Arne Schönbohms Arbeit ohne jede Einschränkung. Zum Beispiel schrieb Richter von Schönbohms „hochkompetenter Zuarbeit“ – ferner von Schönbohms „herausragender Expertise, unermüdlichem Engagement und offener Kommunikation“.

Schreiben von IT-Staatssekretär Markus Richter an BSI-Chef Arne Schönbohm vom 28. Januar 2021:

Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Herr Schönbohm,

auf diesem Weg möchte ich mich für die erfolgreiche und sehr angenehme Zusammenarbeit im vergangenen Jahr bedanken.

Im Mai 2021 (Fehler wie im Original, richtig ist 2020, Anm. der Red.) habe ich das Amt des Staatssekretärs und des CIO des Bundes übernommen.

Ihre Unterstützung und hochkompetente Zuarbeit waren ein maßgeblicher Beitrag, der mir die Einarbeitung erleichtert hat. Ich schätze Ihre herausragende Expertise, Ihr unermüdliches Engagement und die offene Kommunikation. Es beeindruckt mich, wie es Ihnen persönlich und Ihrem Team in der schwierigen Zeit der Corona-Pandemie gelungen ist, alle Herausforderungen rund um das Thema IT-Sicherheit nicht nur zu meistern, sondern nachhaltige Lösungen zu implementieren.

So ist es gelungen, massive Angriffe abzuwehren, die Sensibilität für diese Themen in der Öffentlichkeit zu erhöhen und neue Produkte und Prozesse zu implementieren. Bei den vielen gemeinsamen internen und öffentlichen Terminen empfand ich es stets als bereichernd, den fachlichen Austausch mit Ihnen zu führen und Impulse nach außen zu setzen. Ihre Arbeit legt die Grundlage für die Weiterentwicklung der Sicherheitsarchitektur auch in der kommenden Legislaturperiode.

Das IT-Sicherheitsgesetz 2.0, das sich derzeit im Gesetzgebungsprozess befindet, sieht erweiterte Zuständigkeiten und ganz neue Aufgabenbereiche für das BST. So wird künftig auch das Themenfeld IT-Sicherheit und Verbraucherschutz vorgesehen. Ich bin sicher, dass diese Fortentwicklung fachlich geboten ist und bei Ihnen in den besten Händen liegt.

Auf die weitere Zusammenarbeit freue ich mich. Es gilt die Digitalisierung in Deutschland weiter voranzutreiben und gleichzeitig den damit verbundenen, erhöhten Anforderungen an die IT-Sicherheit Rechnung zu tragen. Das tun Sie mit Ihrer Arbeit und mit Ihrem Team in beispielgebender Art und Weise. Herzlichen Dank!

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Markus Richter

Das heißt: Faeser verstrickt sich in immer mehr Widersprüche. Oder aber sie weiß nicht, was in ihrem Ministerium los ist und los war. Allein deshalb müsste sie den Chefsessel räumen. Viele Fragen beantwortet sie in ihrer aufgesetzt schnoddrigen Art nicht. Siehe die 14 TE-Fragen an Faeser, die einer Antwort harren. Zum Beispiel die Frage, was Gegenstand der beiden Telefonate ihrer Staatssekretärin Juliane Seifert am 6. April und 23. Mai 2022 mit ZDF-Krawallo Jan Böhmermann war, der mit seiner Sendung vom 7. Oktober 2022 Schönbohm in Misskredit brachte, Kontakte zum russischen Geheimdienst unterstellte und zwei Wochen später (welch Zufall!) Schönbohms Entbindung von seinem Amt durch Faeser auslöste.

Seltsames Hü-Hott-Agieren der CDU/CSU

Innenexperte Christoph de Vries (CDU) sieht durch Richters Schreiben Faesers Aussage im Bundestag widerlegt. De Vries zu BILD: „Die kritischen Aussagen der Innenministerin widersprechen fundamental dem Dankschreiben des zuständigen Staatssekretärs, der die fachliche Expertise, die offene Kommunikation und die erfolgreiche Abwehr massiver Cyberattacken ausdrücklich lobt.“ De Vries weiter: „Der Eindruck verfestigt sich, dass Faeser immer neue Gründe erfindet, um ihr fragwürdiges und möglicherweise auch rechtswidriges Handeln zu rechtfertigen.“ CDU/CSU-Fraktionsvize Andrea Lindholz ergänzte: „Ich erwarte von der Innenministerin, dass sie dazu am Mittwoch im Innenausschuss Stellung nimmt. Eine Verfassungsministerin, die die Öffentlichkeit täuscht, wäre nicht haltbar.“

Die Sprecherin des Bundesinnenministeriums übt sich derweil weiter in Vernebelungstaktik. Sie erklärte gegenüber BILD: „Das Schreiben vom Januar 2021 an den seinerzeitigen Präsidenten des BSI war ein gewöhnliches Schreiben zum Dank zum Jahreswechsel, wie es in ähnlicher Form auch andere Behördenleitungen erhielten.“ Offenbar hält die Faeser-Entourage alle außerhalb für doof!

Zurück zu CDU/CSU: Am Abend des Mittwochs vom 20. September hatte die AfD-Fraktion im Bundestag den Antrag eingebracht, Faeser solle zurücktreten, alternativ von Scholz entlassen werden, und Arne Schönbohm müsse rehabilitiert werden. Einträchtig mit der „Ampel“ hatte die CDU/CSU-Fraktion gegen diesen Antrag gestimmt, damit Faeser weiter ihr Vertrauen ausgesprochen und einen Freifahrtschein für weitere Tricksereien ausgestellt. Hätte sie sich wenigstens der Stimme enthalten!

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