Tichys Einblick
4,3 Milliarden Euro für die Katz’?

Bundeswehr in Mali: Ein fragwürdiger Einsatz wird lustlos im Bundestag debattiert

Die Lustlosigkeit der Bundestagsdebatte um die Verlängerung des Bundeswehrmandats für Mali legt nahe, dass kaum jemand wirklich vom weiteren Sinn der Mission nach dem Abzug der Franzosen und anderer Verbündeter überzeugt ist.

Soldaten der Bundeswehr mit Panzerspähwagen im Camp Castor in Gao (Mali), 02.02.2023

IMAGO / photothek

Seit 2013 ist die Bundeswehr im Rahmen einer UN-Stabilisierungsmission im westafrikanischen Mali präsent. Damals, konkret am 28. Februar 2013, stimmte der Bundestag mit großer Mehrheit, vor allem auf der Basis der Stimmen der CDU/CSU/FDP-Fraktionen der Entsendung von bis 330 Soldaten zu. Im Moment sind dort 1.158 „Mann“ im Zuge von MINUSMA und 81 „Mann“ im Zuge von EUTUM stationiert. MINUSMA heißt: Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali; EUTM heißt European Union Training Mission Mali.

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Das aktuelle Mandat gilt bis zum 31. Mai 2023 und wurde zuletzt am 20. Mai 2022 durch den Deutschen Bundestag verabschiedet. Ein Großteil des deutschen Kontingents ist im Nordosten Malis im Camp Castor in Gao stationiert. In Niamey, der Hauptstadt des benachbarten Niger, unterhält das deutsche Einsatzkontingent einen Lufttransportstützpunkt. Er dient als logistisches Drehkreuz.

Was ist der Zweck der Missionen, die 2017 zwei deutsche „Tiger“-Piloten mit dem Leben bezahlten? Offiziell heißt es: Ziel der Mission ist die Sicherung des Friedens in Mali (gemeint ist Schutz vor islamistischen Terrorgruppen). Schwerpunkt des Einsatzes ist der Beitrag zur Einhaltung der Waffenruhe und zur Umsetzung des Abkommens für Frieden und Aussöhnung. Eine weitere Kernaufgabe ist die Förderung vertrauensbildender Maßnahmen zwischen den Konfliktparteien. Außerdem sollen das Wiederherstellen der staatlichen Autorität, der Wiederaufbau des malischen Sicherheitssektors, der Schutz der Menschenrechte sowie die humanitäre Hilfe gefördert werden.

Malis Junta will die Bundeswehr nicht – Franzosen sind schon weg

Nun ja!? Im August 2020 hat sich in Mali eine Militärjunta an die Macht geputscht. Diese lässt nichts unversucht, die UN-Mission zum Scheitern zu bringen. Zum Beispiel wurden der Bundeswehr Überflugrechte entzogen und die Nutzung von Aufklärungsdrohnen verboten. Und gerne arbeitet die Junta auch mit der russischen Söldnergruppe „Wagner“ zusammen. Die Franzosen, die mit bis zu 4.000 Soldaten präsent waren, und die Briten, die mit 300 Soldaten vor Ort waren, ferner die Niederländer, die Schweden und die Kanadier haben denn auch im August 2022 bzw. Ende 2022 ihr Engagement beendet und ihre Truppen abgezogen. Begründung: mangelnde Bereitschaft der Mali-Regierung zur Kooperation.

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Deutschland aber gibt nach wie vor den Primus. Die „Ampel“-Regierung hat nun einen Antrag in den Bundestag eingebracht. Danach soll der Mail-Einsatz der Bundeswehr „ein letztes Mal“, wie es heißt, um ein Jahr, also bis Ende Mai 2024 und sogar mit bis zu 1.400 Soldaten verlängert werden. Unter anderem will die Bundesregierung ganz hochtrabend einen möglichen „Transitionsprozess“ unterstützen, der am 4. Februar 2024 mit einer geplanten Präsidentschaftswahl in Mali einsetzen könnte: „sofern dies von der Gastregierung und den Vereinten Nationen erbeten werde“. 

Warum, fragt man sich, muss ein Parlament mit seinen 736 alles andere als hochkarätigen Generalstabsabgeordneten entscheiden? Weil die Bundeswehr als „Parlamentsarmee“ firmiert und man stolz darauf ist. Allerdings darf man auch nicht übersehen, dass der Bundestag auf Antrag der Bundesregierung bislang noch jeden Auslandseinsatz der Bundeswehr auf den Weg brachte oder verlängerte. Das war bislang mehr als zweihundertmal der Fall. Das heißt, dass kein einziger Einsatz vom Parlament abgelehnt worden war.

Lustlose Bundestagsdebatte

Nun also hat der Bundestag über den Abzug debattiert – ganze 40 Minuten. Ziemlich lustlos und bereits ab der zweiten Stuhlreihe dürftig besetzt. Verteidigungsminister Pistorius leitete ein und paraphrasierte den Antrag des Bundeskabinetts. Für die CDU/CSU nahm sich Johann Wadepuhl den Antrag vor. Er sprach mit Blick auf den Antrag der Bundesregierung zum Abzug erst Ende Mai 2024 von Planlosigkeit, faulem Kompromiss, mangelnden Möglichkeiten des Bundeswehrkontingents zur Auftragserfüllung und von einer Zumutung für die Soldaten bei einer Verlängerung der Mission. Wadepuhl plädierte für einen Abzug bis spätestens Ende 2023.

Der Redner der AfD, Ex-Generalleutnant Joachim Wundrak, erklärte die gesamte Sahel-Politik der Bundesregierung für gescheitert und warnte vor der Illusion, die Bundeswehr könne einen Beitrag leisten für freie Wahlen in Mali. Andrej Hunko von der Links-Fraktion lehnte die Verlängerung ebenfalls ab. Dann folgten noch zwei offenbar unvermeidliche Sechs- bzw. Vier-Minutenreden zweier Kabinettsmitglieder. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) betonte die internationale Verantwortung Deutschlands für die Weltgemeinschaft; und dass das in Mali Erreichte nicht kaputtgemacht werden dürfe. Eine Konkretisierung blieb sie den wenigen Zuhörern schuldig. Ähnlich nebulös äußerte sich Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze (SPD), die von einem integrativen Ansatz deutscher Politik in der Sahel-Zone sprach – mittels Bildung und Schaffung von Arbeitsplätzen.

4,3 Milliarden in den (Sub-)Saharasand gesetzt?

Der seit 2013 anhaltende Einsatz der Bundeswehr in Mali hat bislang 3,5 Milliarden Euro gekostet. Eine Exit-Strategie fehlt seit Jahren. Die Bundesregierung rechnet nun damit, dass bis Mai 2024 weitere 550 bis 760 Millionen Euro fällig werden. Die 760 Millionen gehen aus einer Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen hervor. Wir sind dann bei 4,3 Milliarden für den Mali-Einsatz angekommen. Wofür eigentlich? Zum Vergleich: Der Gesamtetat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) beträgt übrigens für das Jahr 2023 insgesamt 12,156 Milliarden.  

Indes denkt die Bundesregierung schon weiter: Sie will ab 2024 ihr Engagement im östlichen Nachbarland Malis, in Niger, ausbauen. Noch ein Fass ohne Boden? 

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