Tichys Einblick
Aufhebung der Immunität wird geprüft

Lindner und die BB Bank: Ein Grußwort hier, ein günstiger Kredit da

„Wir werden gerade kollektiv ärmer“, behauptete Finanzminister Christian Lindner. Für ihn selbst jedenfalls gilt das nicht, eher im Gegenteil. Ein Grußwort für die BB Bank, von der er einen besonders vorteilhaften Immobilienkredit aufnahm, bringt ihn nun in Verdacht.

Christian Lindner beim Dreikönigstreffen der FDP im Stuttgarter Opernhaus, 06.01.2023

IMAGO / Future Image
Laut eines Berichts des Tagesspiegel bestätigt die Generalstaatsanwaltschaft Berlin, dass deren Korruptionsabteilung derzeit prüft, die Immunität von Christian Lindner aufzuheben, um eventuell Ermittlungen aufzunehmen. Der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Berlin wies darauf hin: „Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ist – wie in solchen Fällen üblich und ohne dass damit schon eine Aussage über das Vorliegen eines Anfangsverdachts getroffen wird – aufgrund der Berichterstattung des Spiegel in eine bei Abgeordneten in Hinblick auf deren Immunität übliche Vorprüfung eingetreten, die noch andauert.“

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Dass muss die Generalstaatsanwaltschaft auch so formulieren, denn noch gilt die Unschuldsvermutung, auch wenn Lindners Kollegin Nancy Faeser mit Blick auf den öffentlichen Dienst das gern ändern möchte. 

Im Oktober 2022 hatte der Spiegel über Lindners Immobilienfinanzierung durch die Karlsruher BB Bank mit Blick auf das Grußwort des Finanzministers für die BB Bank berichtet. Laut Spiegel hatte Lindner am 29. Januar 2021 in Berlin ein Zweifamilienhaus mit 165 Quadratmeter Wohnfläche im vornehmen Berliner Viertel Nikolassee für 1,65 Millionen Euro erworben. Lindner leitete einen aufwendigen Umbau der Immobilie ein. Soweit ist nichts ungewöhnlich. Ungewöhnlich scheint es erst zu werden, als Lindner laut Spiegel eine Grundschuld von insgesamt 2,8 Millionen Euro zugunsten der BB Bank eintragen ließ. Der Spiegel schreibt: „Die Differenz zwischen Kaufpreis und mutmaßlicher Darlehenssumme betrug nunmehr 1,15 Millionen Euro – was in der Immobilienbranche als ungewöhnlich hoch gilt.“ 

Das Magazin berichtete weiter darüber, dass kurz bevor Lindner am 27. Juni 2022 eine zweite Grundschuld auf sein Grundstück von 450.000 Euro zugunsten der Bank eintragen ließ, er auf Bitten der BB Bank am 21. Mai 2022 zum 100. Jubiläum der Bank als Finanzminister für die interne Vertreterversammlung der BB Bank ein Videogrußwort hielt, in dem es laut Redemanuskript hieß: „Die BB Bank ist mir von Grund auf sympathisch.“

Lindners Anwalt Christian Schertz bestritt im Oktober 2022 gegenüber dem Spiegel den Vorwurf der Vorteilsnahme mit den Worten, dass es „keine personelle, inhaltliche oder auch nur zeitliche Verbindung zwischen dem dienstlich angefragten Grußwort und der privaten Immobilienfinanzierung“ gegeben habe. Und weiter: „Die Gewährung eines kurzen Grußworts zu Jubiläen wie dem hundertjährigen Bestehen einer Bank gehört zur regulären Amtsführung eines Ministers.“ Das Magazin ergänzt zutreffend den Hinweis: „Grundsätzlich gilt: Gäbe es einen Zusammenhang, könnte das als Vorteilsannahme strafbar sein.“

Abseits des strafrechtlichen Aspektes stellt sich im Sinne der politischen Moral die Frage, ob es zu den Amtspflichten eines Finanzministers gehört, ein Grußwort für eine Bank zu halten, von der man einen sehr hohen Kredit erhalten hat. Ob die Konditionen wirklich „marktüblich“ waren, das wird die Generalstaatsanwaltschaft ermitteln, so sie denn Ermittlungen aufnimmt. Allerdings bekommt die Äußerung, dass ihm die BB Bank „von Grund auf sympathisch“ ist, vor dem Hintergrund, dass die Bank Christian Lindner einen hohen Kredit einräumte, schon einen Beigeschmack.  

Lindner soll auch „mindestens sieben gut dotierte Vorträge bei der Bank gehalten haben“, weiß der Spiegel. Laut Lindners Bundestagswebsite soll er allein 2017 und 2019 insgesamt zwischen 35.000 und 73.000 Euro erhalten haben. So gehörte Christian Lindner in der Legislaturperiode von 2017 bis 2021 zu den Abgeordneten mit den höchsten Nebeneinkünften. „Rechnet man die gemeldeten Honorare aus dieser Zeit zusammen, kommt man auf Einnahmen von 514.000 bis 1.096.500 Euro. Zusätzlich zu den Diäten als Bundestagsabgeordneter.“ 

Inzwischen forderte Lindners Parteifreund und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki schon einen Rücktritt. Aber nicht den von Lindner, sondern: „Die Berliner Justizsenatorin sollte zurücktreten, mindestens aber die Generalstaatsanwältin entlassen.“ Der Bericht, dass die Berliner Generalstaatsanwaltschaft die Aufhebung der Immunität von Christian Lindner prüfe, sei eine „politische Charakterlosigkeit und eine erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung sondergleichen, die personelle Konsequenzen nach sich ziehen muss“, sagte Kubicki. Über die Aufhebung der Immunität entscheide schließlich der Bundestag, nicht die Staatsanwaltschaft.

Kubicki meinte, dass die Vermutung einer Vorteilsnahme durch Lindner absurd sei, weil es bei Geschäften zwischen Banken und Politikern besondere Compliance-Regeln gebe, die eine solche Vorteilsnahme ausschlössen. Das ist richtig, doch würde im Mittelpunkt möglicher Ermittlungen wohl die Frage stehen, ob denn die Compliance-Regeln eingehalten wurden. 

Im April 2022 hatte Christian Lindner den Deutschen mitgeteilt: „Der Ukrainekrieg macht uns alle ärmer.“ Wirklich alle? Im Dezember jedenfalls erneuerte Lindner noch seine Prognose mit den Worten: „Wir werden gerade kollektiv ärmer.“ Lindners Immobiliengeschäfte verfremden abseits rechtlicher Fragen politisch seine Aussagen. 

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