Tichys Einblick
Volksfront von Judäa

Die konservativen Parteien können von den Grünen lernen

Die liberal-konservative Szene droht sich in vielen Splitterparteien zu verlieren. Spalter zu werden, die sich untereinander bekriegen statt mit dem politischen Gegner. Das folgt einem Weg, wie ihn Linke in den 70er Jahren gegangen sind.

picture alliance/dpa | Thomas Banneyer
In „Das Leben des Brian“ schließt sich der Titelheld der Volksfront von Judäa an. Die kämpft gegen die Römer und hätte beinahe Erfolg – käme ihr nicht immer die Judäische Volksfront in die Quere. Spalter. Was bei Monty Python extrem lustige Fiktion ist, wird in der konservativen Szene Deutschlands zur traurigen Realität. Statt eine starke Partei zu bilden, die vereint gegen den Wahnsinn der Ampel und der Merzkel-CDU antritt, splittert sie sich auf und zerreibt sich so untereinander: Werteunion gegen Bündnis Deutschland, alle gegen die AfD, aber auch Bündnis gegen Bündnis oder Werteunion gegen Werteunion. Für diese Tendenz zur Spaltung gibt es Gründe.

Die politische Landschaft ist im Umbruch. Das zeigt sich etwa daran, dass es noch schwerfällt, passende und verständliche Begriffe zu finden. Worte, die einer Gesellschaft helfen, Dinge oder Vorgänge zu begreifen – also zu greifen zu bekommen. Zum Beispiel ist der Begriff „Kartellparteien“ selbst innerhalb der TE-Redaktion umstritten. Seinen Kritikern hat er zu sehr einen Sound von Verschwörungstheorie. Was wiederum ein beliebter Kampfbegriff ist, um politische Gegner in eine Ecke zu drängen, in der die nicht stehen wollen. Das Problem ist nur: Wer dem nachgibt, hat schon verloren.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
„Kartellparteien“ beschreibt gut das, was die Parteien Linke, SPD, Grüne, FDP und CDU-CSU miteinander verbindet: Sie stellen alle Regierungschefs im Bund und in den Ländern sowie fast alle Minister. Sie besetzen die Regierungsposten in den Aufsichtsgremien von ARD, ZDF, gesetzlichen Krankenkassen und anderen staatsnahen Unternehmen. In der Verwaltung befördern sie ihre Parteigänger nach oben. Kurzum: Sie regieren.

Im Regieren bilden sie ein Kartell. Die Linke hat nach der Wiedervereinigung gut 20 Jahre gebraucht, bis SPD, Grüne, FDP und Union sie in dieses Kartell hineingelassen haben. Der AfD verweigern sie das immer noch. Das Argument, warum sie eine „Brandmauer“ um ihren Regierungsbereich gezogen haben, ist der Vorwurf, die AfD sei rechtsextrem. Doch das ist ein Vorwand. Die „Brandmauer“ haben die Kartellparteien schon um die AfD gezogen, als sie noch von Personen wie Bernd Lucke oder Hans-Olaf Henkel geführt wurde. Ein Professor und ein Dauergast in den Talkshows der ARD. Mehr „Mitte der Gesellschaft“ geht nicht.

Lucke und Henkel waren keine Rechtsextremen. Diejenigen, die ihnen das vorwarfen, wussten das. Doch sie spielen nicht fair. Dafür ist der Einsatz zu hoch. Die Kartellparteien verteidigen ihr Regierungsprivileg. Da geht es nicht um Millionen, da geht es um Milliarden – bis hinein in den Billionenbereich. Zu viel, um sich das durch politische Redlichkeit nehmen zu lassen.

Was Lucke und Henkel mit ihren Nachfolgern in der AfD verbindet, ist, dass sie eine politische Meinung in Frage gestellt haben, die innerhalb der Kartellparteien als „alternativlos“ galt. Bei ihnen war es die Währungspolitik. Also alle Entscheidungen rund um die „Euro-Rettung“. Bei ihren Nachfolgern waren es zuerst die Einwanderungspolitik Angela Merkels (CDU), dann die Pandemiemaßnahmen und nun ist es die Kriegsfrage. Und während der elf Jahre, seit denen es die AfD nun gibt, war es immer der Klimaschutz. In diesen vier Punkten bilden Linke, SPD, Grüne, FDP und Union nicht nur ein Machtkartell, sondern auch eine inhaltliche Interessengemeinschaft.

In der Ausgrenzung der AfD haben sich die Kartellparteien durchgesetzt. Zum einen, weil ihre Kritiker sich ihnen unterwerfen und ihre Begriffshoheit akzeptieren. Zum anderen, weil der Vorwurf des Rechtsextremismus eine sich selbst erfüllende Prophezeiung war: Die AfD wanderte auch deshalb nach rechtsaußen, weil der permanent über ARD, Süddeutsche und Co transportierte Vorwurf, rechtsextrem zu sein, entsprechende Kundschaft angelockt hat. Weil hinter der Brandmauer ein Korpsgeist in der AfD entstanden ist. Und weil mit jedem Rechtsbruch, den die Kartellparteien in ihrem „Kampf gegen Rechts“ begingen, deren Legitimation als Verteidiger von Recht und Demokratie ein Stück weit schwand.

Landtagswahl in Sachsen
Die CDU steht vor der Wahl: Grüne oder Brandmauer
Diese Rechtsbrüche beginnen mit der Weigerung, der AfD ihnen zustehende Plätze in Ausschüssen und Präsidien zukommen zu lassen, und endet vorerst bei Material von Polizei oder Verfassungsschutz, das plötzlich in Kartellmedien auftaucht, um der AfD zu schaden. Die Parteien haben sich mit der AfD den politischen Gegner geschaffen, den sie wollten. Sie haben mit dem „Kampf gegen Rechts“ ein Thema nach vorne geschoben, das von den Parteien und Medien des Kartells derart unterkomplex bedient wird, dass sogar die Geisteswissenschaftler und Studienabbrecher in ihren Reihen intellektuell mithalten können.

Nun bilden sich neue Parteien. Etwa die Werteunion, das Bündnis Deutschland oder das Bündnis Sahra Wagenknecht. Sie eint vor allem zwei Punkte: Sie wenden sich gegen die politische Linie der älteren Parteien, die sie zutreffend als von den Grünen dominiert beschreiben. Außerdem wollen sie nicht den Weg der AfD gehen. Sie wollen nicht nach rechtsaußen wandern – sei es durch Druck von außen oder durch Nachlässigkeit von innen.

Diese drei Parteien eint noch ein Punkt. Einer, der weniger offensichtlich ist: Indem sie sich außerhalb des Kartells stellen, sind sie per se erst einmal Opposition. Denn die Kartellparteien verbindet, dass sie regieren. Wer gegen sie ist, verzichtet vorerst auf diesen Anspruch. Ins Kartell gelassen werden sie auch nicht so einfach. Wäre der Eintritt einfach, wäre es kein Kartell. Wie das aussieht, zeigt der Abwehrkampf von Kanzler Olaf Scholz gegen das Bündnis Sahra Wagenknecht, das von der Haltung her noch am ehesten mit den Kartellparteien kompatibel ist.

Die Hoffnung, nicht wie die AfD behandelt zu werden, erfüllt sich höchstens für das Bündnis, das nach der ehemaligen Vorsitzenden der „Kommunistischen Plattform“ in der PDS benannt ist. Ihre Vertreter dürfen weiter in Talkshows auftreten. Ihre Redner behandelt das Präsidium des Bundestags nach dem Maßstab, den es an die Kartellparteien anlegt, und nicht nach dem, den es für die AfD nutzt.

Doch die anderen beiden sehen sich schon nach kürzester Zeit mit der AfD hinter der „Brandmauer“ vereint. In der Bremer Bürgerschaft verweigern die Kartellparteien dem Bündnis Deutschland die Rechte so ähnlich wie anderswo der AfD. Die Werteunion musste erleben, wie in Köln ihre nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Simone Baum wegen ihres politischen Engagements entlassen wurde. Ein Vorgehen, wie es unter der Sozialistischen Einheitspartei normal war und unter der Grünen Einheitspartei allmählich normal wird. Damals nannte sich das staatsgefährdende Hetze, heute „Hass und Hetze“ oder „Delegitimierung des Staates“ – die politische Landschaft befindet sich im Umbruch, da braucht es neue Begriffe.

Orakel Olaf Scholz
Sahra Wagenknecht: Die Unbekannte im Machtspiel
Am härtesten trifft der Bann hinter die „Brandmauer“ als Person Hans-Georg Maaßen. Der Vorsitzende der Werteunion war Präsident des Verfassungsschutzes und damit ein Spitzenbeamter. Nun verfolgt ihn seine eigene Behörde, weil er die grüne Politik der Kartellparteien öffentlich kritisiert hat. Das verstärkt die Rolle, die Maaßen ohnehin hat: die der Symbolfigur für Außgestoßene. Was Maaßen öffentlich geäußert hat, ist weder strafrechtlich relevant noch stellt es die Verfassung in Frage. Warum er es trotzdem verfolgt, erklärte sein Nachfolger Thomas Haldenwang (CDU) in der FAZ. Auch was strafrechtlich nicht relevant sei, könne den Staat delegitimieren – staatsfeindliche Hetze – und werde vom „Verfassungsschutz“ bekämpft.

Keine andere Personalie zeigt so stark, wie die Dinge im Rechtsstaat Deutschland ins Rutschen geraten. Vor Maaßen kannte kaum ein Mensch den jeweiligen Präsidenten des Verfassungsschutzes. Er war der erste, der öffentlich auffiel, weil er politische Vorgänge kommentierte. Maaßen musste gehen, weil diese spezielle Äußerung nicht im Sinn der Kartellparteien war. Sein Nachfolger ist da klüger. Der Chef des Inland-Geheimdienstes gibt sich als Sprecher der Kartellparteien und beklagt öffentlich nur, dass er bisher den Kampf gegen die AfD allein führe müsse.

Mit der Delegitimierung des Staates, die außerhalb des geltenden Rechts stattfindet, hat sich Haldenwang selbst in die Personalunion von Staatsanwalt, Richter und Henker gesetzt. Die Guillotine des Verfassungsschutzes sind Ermittlungsergebnisse, die in staatlichen oder staatsnahen Medien auftauchen und Existenz zerstören so wie die von Simone Baum. Die staatlichen und staatsnahen Medien kommen an diese Ergebnisse „nach Recherche“ – ändern sich die Zeiten, ändern sich auch die Bedeutungen der Begriffe.

Das Leben hinter der Brandmauer ist also nicht angenehm. Die eine verliert den Job, der andere muss um seine Pension fürchten und hat die ehemaligen Kollegen nun als Ermittler an sich hängen. Einstige „Freunde“ meiden einen. War man eben noch zu Partys auf Sylt eingeladen, sitzt man plötzlich im Keller eines Berliner Weinlokals mit Journalisten der „alternativen Medien“ zusammen. Und das nur, weil man in einer Demokratie eine andere politische Meinung vertritt als die Kartellparteien.

Es ist ehrenwert, sich für die Freiheit einzusetzen, politische Meinungen vertreten zu dürfen. Auch, wenn sich diese gegen die Positionen der regierenden Parteien wendet – gerade dann, wenn sich diese gegen die Positionen der regierenden Parteien wendet. Das zu sagen, was eh alle sagen, ist Gratismut. Die Verteidigung der Freiheit fängt an dem Punkt an, an dem es unbequem wird. Doch das muss man aushalten können. Das macht mitunter einsam, ist anstrengend und oft nicht die Sache von Menschen, die zuvor im Zentrum der Macht waren und das genossen haben.

Interview
Was nun, Herr Maaßen?
Nach dieser – zugegeben langen – Brücke kehrt der Text zurück zur Volksfront von Judäa, zur judäischen Volksfront und zur Populären Front. Spalter! Gerade die Ausgrenzung sorgt dafür, dass die neuen Parteien und ihr Umfeld zerstritten sind und nicht zusammenkommen können. Wer wie die AfD den Druck von außen aufnimmt, um sich nach ihnen zu vereinen, der riskiert das, was die Kartellparteien stark macht: ihre Anschlussfähigkeit.

Als Maaßen die CDU zu seinem „Premiumpartner“ kürte, riskierte er die Spaltung der Werteunion. Seine neue Partei ist schließlich aus der CDU ausgetreten. Da kommt sein Vorstoß ein wenig so, als ob Moses versucht hätte, das Volk Israels in der Wüste von einer Koalition mit dem Pharao zu überzeugen. Wer sich von einer Partei trennt, tut das nicht, um gleich wieder mit ihr zusammenzuarbeiten.

Nur hat Maaßen von Anfang an erklärt, dass er keine Fundamental-Opposition anstrebt. Inhaltlich möchte er mit den Kartellparteien zusammenarbeiten – vorausgesetzt, sie sind bereit, grüne Positionen aufzugeben und zu Positionen zurückzukehren, wie sie die CDU in den 80ern und die SPD in den 70ern vertreten hat. Machtpolitisch will Maaßen das Kartell sprengen, indem er mit der Werteunion ein Teil davon wird – so wie er es als Präsident des Verfassungsschutzes schon war.

Das ist rational. Doch im konservativen Lager sind nicht alle rational. Die Mehrheit sind zwar Menschen, die politisch heimatlos wurden, als FDP und Union nach links aufgebrochen sind – und als sich die SPD von gewerkschaftlichen Inhalten verabschiedet hat, um grüne Inhalte zu propagieren. Sie suchen wie Maaßen nach Lösungen und wollen sich nicht nur in Problembeschreibungen verlieren. Doch es gehören auch die Menschen zur Szene, die so verbittert sind, dass sie selbst nicht mehr anschlussfähig sind und daher jede Anschlussfähigkeit als persönlichen Affront verstehen.

Eilantrag am Verwaltungsgericht
Hans-Georg Maaßen wehrt sich gegen den Bundesverfassungsschutz
Auch sind Radikale darunter. Und V-Leute des Verfassungsschutzes dürften ebenfalls keine allzu kleine Gruppe in diesem Lager bilden. Heute sind enttäuschte Anhänger die ärgsten Feinde Maaßens.  Die AfD bekämpft ihn, weil sie ihn als Konkurrenten sieht – nicht als Strickleiter über die Brandmauer. Eine taktische Frage, die durch Schüsse aus dem Hinterhalt entschieden werden soll; Kugeln sind heute Videos, die ihn als Agenten des Verfassungsschutzes entlarven sollen. Da kann die CDU zuschauen und warten.

Eine neue Partei aufzubauen, ist daher keine leichte Arbeit. Die oben beschriebenen Typen sind nicht typisch für das konservative Lager. Sie sind typisch für eine oppositionelle Szene, die durch eine „Brandmauer“ von der Macht ausgeschlossen wird. So ähnlich wie die Kartellparteien heute mit der AfD umgehen, so haben es Union, SPD und FDP in den 80ern mit den Grünen getan – und in den 70ern mit den kommunistischen Parteien.

Der folgende Satz erfordert von konservativen Lesern einiges an Tapferkeit und Toleranz, aber: Das konservative Lager muss sich ein Beispiel an den Grünen der 80er Jahre nehmen. Die kommunistischen Parteien waren in den 70ern zu „K-Gruppen“ zusammengeschmolzen. Das lag daran, dass sie radikal jeden Kompromiss abgelehnt haben. Und weil sich die anderen Parteien nicht mit ihnen beschäftigen wollten, haben sie sich eben untereinander bekämpft. Die Judäische Volksfront hat für Sozialismus, Frieden und Gerechtigkeit gekämpft. Doch den größten Feind von Sozialismus, Frieden und Gerechtigkeit hat sie nicht im Kapitalismus, in der Kriegsindustrie oder in den regierenden Parteien gesehen – sondern in der Volksfront von Judäa.

Die Grünen haben es in den 80ern verstanden, zu einer Sammlungsbewegung zu werden. Sie haben in ihren Reihen verkiffte Hippies mit knallharten Frauenrechtlerinnen vereint. Trotzkisten und Maoisten, die ihre Lehre nun für die eigene Karriere anwandten, mit Funktionären, die Pressekonferenzen gaben, auf denen sie Journalisten aufforderten, Bäume zu umarmen. Sogar eine ganze Gruppe – die Großstadtindianer – konnte jahrelang mit einem einzigen Ziel in den Grünen aktiv sein: ihre Neigung zu Sex mit Kindern zu legalisieren. Die Grünen sammelten Masse, etablierten sich im Bundestag und sonderten erst aus, was peinlich war, als sie stark genug waren. Etwa die pädophilen Großstadtindianer. Das ist der Weg. Wo die konservativen Parteien auf diesem Weg stehen, davon handelt der zweite Teil dieses Artikels.

Anzeige