Tichys Einblick
Zur Verfälschung des Charakters von Grenzen

Grenzenloser Revisionismus

Freiheit benötigt Grenzen, grenzenlos bedeutet Verwahrlosung. Das wird täglich bestätigt, denn wenn die Hoheitsrechte des Staates an der Grenze nicht durchgesetzt werden dürfen, dann misslingt, wie zu beobachten ist, das auch im Innern des Staates.

West Berlin youths hold a cross up at the Berlin wall inscribed with the words, 'We Accuse', during rioting on the first anniversary of the building of the wall, 13. August 1962

© Keystone/Getty Images

In Deutschland gibt es inzwischen eine einflussreiche Gruppe von Mauerbauern, von Frauen und Männern, die keine Äußerung und keinen Gedenktag auslassen, um die berüchtigte Grenze der DDR, den „antifaschistischen Schutzwall“ erneut zu errichten, nur höher noch, effizienter noch, mit noch mehr Stacheldraht und Selbstschussanlagen, diesmal allerdings als Popanz, als Schreckgespenst für die politische Diskussion. Dieses Gespenst wird immer dann bemüht, wenn vernünftige Überlegungen und sinnvolle Einrichtungen diskreditiert werden sollen.

13. August!
Damals der „antifaschistische Schutzwall“, heute die Meinungs-Mauer
Die Forderung, an der Grenze der Bundesrepublik wieder Kontrollen einzurichten, das Hoheitsrecht des Staates durchzusetzen, wird herabgesetzt und diffamiert, indem die neuen Mauerbauer Grenzschutz jeglicher Art mit der DDR Grenze, die Durchsetzung der Hoheitsrechte des Staates mit Stacheldraht und Selbstschussanlage gleichsetzen. Grünen-Chef Habeck ging noch ein Schritt weiter und verurteilte sogar die Diskussion über eine Obergrenze, also darüber, wie viele Migranten die Republik erfolgreich integrieren kann, nicht zuletzt im Interesse von wirklichen Flüchtlingen zu analysieren, über welche realen Kräfte der Hilfe und Aufnahme wir verfügen. Bereits dem Versuch einer politischen und sachlichen Analyse erteilt der Grünen-Chef mit dem Verweis auf die Mauer eine Absage: „Wer Obergrenze sagt, muss Zaun, Mauer, Schäferhund oder Schlimmeres sagen.“

Und sogar die ehrwürdige Konrad-Adenauer-Stiftung, die gemeinhin eine gute Arbeit leistet, twittert zum Mauerbau am 13. August unter der Überschrift: „Zu viele Mauern und Sperranlagen weltweit! #berlinermauer #57 #mauerbau #1961“ Bilder der Grenze zwischen Israel und Palästina und zwischen den USA und Mexiko und setzt damit diese Grenzen mit der DDR-Grenze gleich.

Hierin besteht ein doppelter Revisionismus: die Grenzen Israels und der USA setzen lediglich die Hoheitsrechte des Staates durch, wonach ein Staat das Recht hat, darüber zu bestimmen, wen er auf sein Staatsgebiet lässt und wen nicht. Die Grenzen hindern die Staatsbürger nicht, das Land zu verlassen, etwa um in den Urlaub zu fahren oder auszuwandern. Sie sind nach außen gerichtet. Die DDR-Grenze wurde errichtet, um die Ausreise von DDR-Bürgern entweder aus touristischen Gründen, zum Verwandten- und Freundesbesuch oder um auszuwandern, generell zu unterbinden und wurde nach Maßgabe dieser Aufgabe nach innen ausgebaut.

Richtungslos macht beliebig
Die CDU auf Linkskurs
Die Grenzen der USA und Israel stellen keinen Eingriff in die Freiheit und Menschenrechte von US-Amerikanern und Israelis dar, die Mauer jedoch schränkte die Menschrechte, die Freiheit und das Recht auf Freizügigkeit der DDR-Bürger massiv ein. Wir reden also von grundsätzlich Verschiedenem. Wer das gleichsetzt, zumal am 13. August, begeht nicht nur einen eklatanten Geschichtsrevisionismus, in vulgo: er fälscht die Geschichte zum Zwecke der Propaganda, sondern er verhöhnt zudem die Mauertoten. Diejenigen, die versuchten, die Mauer zu überwinden, wollten in die Bundesrepublik gelangen, in einen Staat, der demokratisch und freiheitlich war, weil er seine Hoheitsrechte – und damit Freiheit, Gleichheit vor dem Gesetz und das Recht auf körperliche Unversehrtheit – durchsetzte, auch indem er seine Grenzen schützte.

Um die staatszerstörerische Doktrin der offenen Grenzen und des freien Zugangs zu den deutschen Sozialsystemen, koste es, was es wolle, aufrechtzuerhalten, wird die Geschichte verfälscht, wird die Aufrechterhaltung der Unfreiheit, wie die Mauer sie garantierte, mit der Verteidigung der Freiheit, wozu die Schließung der Grenzen zum Zwecke der Durchsetzung der Hoheitsrechte des freiheitlichen Staates gehören, in eins gesetzt. In Habecks Diktum, wie im Tweet der Konrad Adenauer Stiftung wird der fundamentale Unterschied, der Gegensatz zwischen Freiheit und Unfreiheit eingeebnet.

Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) löst Unverständnis und Empörung zum 13. August aus
Allerdings besteht zwischen dem Tweet der Konrad-Adenauer-Stiftung und den Überlegungen Daniel Günthers zur Koalitionsmöglichkeit zwischen CDU und Linken ein direkter Zusammenhang. Man kommt den Linken weit, zu weit entgegen, wenn man das Verbrechen des Mauerbaus derart relativiert. Wenn Daniel Günther zudem fordert, dass auch abgelehnte Asylbewerber die Möglichkeit bekommen sollen, in Deutschland zu bleiben, wird auch die ideologische Basis dieses Bündnisses deutlich, die in der Doktrin der offenen Grenzen besteht, die selbst dann offen zu bleiben haben, wenn die Verhandlungen mit Griechenland und Spanien im Ergebnis mehr Migranten nach Deutschland bringen werden. Es wird höchste Zeit, diese Doktrin zu beenden, denn sie spaltet das Land und zerstört das Gemeinwesen.

Diesem Geschichtsrevisionismus muss energisch widersprochen werden, denn er berührt die Grundlagen unserer Freiheit. Freiheit benötigt Grenzen, grenzenlose Freiheit bedeutet Verwahrlosung. Die Richtigkeit dieses Satzes wird täglich bestätigt, denn wenn die Hoheitsrechte des Staates an der Grenze nicht durchgesetzt werden dürfen, dann misslingt, wie zu beobachten ist, das auch im Innern des Staates.

Sowohl Israel als auch die USA sind freie und freiheitliche Staaten, die DDR war es nicht. Wer das verwechselt, opfert die Freiheit zugunsten seiner Ideologie.