Tichys Einblick
Rohrkrepierer

Fällt das „Zensurgesetz“ Heiko Maas noch öfter auf die Füße?

Führenden Verfassungsrechtlern und Verfassungsrichtern hatte er „Brandstiftung“ vorgehalten.

© Adam Berry/Getty Images

In einem demokratischen Rechtsstaat sind alle vor dem Gesetz gleich, nur ein paar wenige sind gleicher. Das denkt sich wohl Deutschlands geschäftsführender Justizminister Heiko Maas. Da fetzt er mit Unterstützung seiner SPD und leider auch der CDU/CSU am wahrlich schwarzen Freitag der letzten Legislaturperiode – es war der 30. Juni 2017, mit dem auch die „Ehe für alle“ kam – ein Zensurgesetz („Netzwerkdurchsetzungsgesetz“) durchs Parlament; es verpflichtet Betreiber „sozialer“ Medien dazu, bei Androhung einer Strafe von bis zu 50 Millionen Euro strafbare Inhalte (zum Beispiel sog. Hass-Einträge) binnen 24 Stunden zu löschen.

Und dann wird Maas selbst Opfer seiner Gouvernantenjustiz. 2010 hatte der SPD-Politiker den ehemaligen Ex-Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin (millionenfacher Bestseller „Deutschland schafft sich ab“) auf Twitter als „Idiot“ bezeichnet. Wörtlich hatte Maas geschrieben: „Beim Besuch der islamischen Gemeinde Saarbrücken ist mir gerade wieder klar geworden was für ein Idiot Sarazin ist.“ Dieser Tweet ist jetzt gelöscht. Maas weiß laut BILD-Zeitung nicht warum: „Ich habe keine Informationen von Twitter bekommen, warum der Tweet gelöscht wurde und ob er von Twitter gelöscht wurde.“ Allerdings würde er einen solchen Tweet heute nicht mehr absetzen. Maas gegenüber der BILD: „In all den Jahren habe auch ich dazugelernt.“

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Recherchieren wir weiter und fragen, ob der angeblich geläuterte Maas erneut renommierten Juristen wegen ihrer Kritik an der Merkelschen Grenzöffnung vom Sommer 2015 „Brandstiftung“ vorhalten würde. Er hat dies getan. Und zwar in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30. Januar 2016 unter der Überschrift: „Wer das Recht wirklich schwächt“. Darin schreibt Maas unter anderem: „Ein ehemaliger Bundesminister spricht vom ‚dauerhaften Rechtsbruch durch den Staat‘ und ein Juraprofessor stellt seine Überlegungen unter den Titel: ‚Ist Angela Merkel eine Schleuserin? – Eine strafrechtliche Betrachtung‘“ Maas weiter im FAZ– Originaltext: „Staatskrise, rechtswidriges Handeln, Verfassungsbruch – wenn es um die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung geht, gehören diese Begriffe inzwischen zum Standardvokabular mancher Juristen und Chefkritiker der Union. Ob die Betroffenen ahnen, was sie mit ihren Worten anrichten? Solche Vorwürfe sind ja nicht nur falsch, sie fügen auch der politischen Kultur und dem Recht schweren Schaden zu.“ Und dann der Schlusssatz: „Auch ein juristischer Diskurs kann entgleiten und zur geistigen Brandstiftung beitragen.“

Wen hat Maas gemeint? Gemeint hat er zum ersten den früheren Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Dieser hatte in einem Interview mit „The European“ vom 19. Januar 2016 gesagt: „Dauerhafter Rechtsbruch durch den Staat ist eine Staatskrise. Genau das erleben wir gerade: nationales und europäisches Asylrecht wird seit Monaten nicht durchgesetzt. Die Bundesregierung hat die Grenzen geöffnet, ohne dass die Volksvertreter vorher Gelegenheit hatten, sich damit zu befassen. Unser Staat scheint den Anspruch aufzugeben, seine Grenzen zu sichern und seine Bürger zu schützen. Das ist ein fatales Signal nach innen und nach außen.“

Dann meinte Maas zweitens Holm Putzke, Professor für Strafrecht an der Universität Passau. Putzke hatte im Oktober 2015 in einem Blog auf der Seite seiner Universität unter der Überschrift „Ist Angela Merkel eine Schleuserin? – Eine strafrechtliche Betrachtung“ geschrieben: Merkel habe sich mit ihrer Flüchtlingspolitik strafbar macht. Wörtlich: „Angela Merkels Entschluss, zusammen mit Österreich die EU-Abreden über das Weiterreiseverbot von Flüchtlingen außer Kraft zu setzen, stellt sich zweifellos als eine solche Förderung (der illegalen Einreise) dar, wenn es nicht sogar konkludent als Aufforderung zur unerlaubten Einreise zu verstehen war, was ebenfalls strafbar wäre, nämlich nach § 111 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs (StGB).“

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Aber dem nicht genug. Zur gleichen Zeit, als sich Maas in der FAZ über die „Brandstiftung“ ausließ, waren vormalige Verfassungsrichter ebenfalls zum Urteil gekommen, dass die Grenzöffnung rechtlich unzulässig gewesen sei. Udo di Fabio kam im Januar 2016 in einem im Auftrag der CSU erstellten Gutachten zum Ergebnis: Die Bundesregierung bricht mit ihrer Weigerung, die Landesgrenzen umfassend zu kontrollieren, eindeutig Verfassungsrecht. Unter anderem schrieb di Fabio: „Der Bund ist aus verfassungsrechtlichen Gründen (…) verpflichtet, wirksame Kontrollen der Bundesgrenzen wieder aufzunehmen, wenn das gemeinsame europäische Grenzsicherungs- und Einwanderungssystem vorübergehend oder dauerhaft gestört ist“.

Kaum anders Hans-Jürgen Papier, Ex-Präsident des Bundesverfassungsgerichts, zur gleichen Zeit: In der Flüchtlingskrise offenbare sich „ein eklatantes Politikversagen“. Die Regierung habe die Leitplanken des deutschen und europäischen Asylrechts „gesprengt“, bestehende Regelungen „an die Wand gefahren“. Und: „Der Verfassungsstaat muss funktionieren, er darf durch die Politik nicht aus den Angeln gehoben werden. Sie hat die zentrale Verpflichtung, Gefahren entgegenzutreten, die durch eine dauerhafte, unlimitierte und unkontrollierte Migration in einem noch nie da gewesenen Ausmaß entstehen können.“

Für Maas ist all das „Brandstiftung“. Ein solches Urteil aber ist so unterirdisch, dass ein Löschen eines Tweets oder einer FAZ-Internetseite nicht mehr ausreicht. Und auch wenn Maas nur noch „geschäftsführend“ im Amt ist, gilt: Selbst ein solcher Status ist zu viel des Guten.