Tichys Einblick
Pakt für mehr Einwanderung?

EU-Migrationspakt: Der nächste Konflikt in der Zuwanderungsfrage

Die EU-Kommission hat einen "Pakt für Migration und Asyl" vorgestellt. Kritiker befürchten, dass damit der einwanderungsbefördernde UN-Migrationspakt noch beschleunigt wird und der Pakt der Hebel sein soll, den Widerstand der osteuropäischen Staaten gegen Migration zu brechen.

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Die Frage, die sich aufdrängt, ist, ob der geplante Migrations- und Asyl-Pakt eher eine Abwehr von „zu vielen“ Zuwanderern, zumal illegalen und solchen, die eigentlich nicht im Land sein dürften, darstellt – oder doch eine weitere Öffnung hin zu mehr regulärer, regelmäßiger und zahlenmäßig ausgeweiteter Migration bedeutet, wie viele Kritiker auch im Kommentarbereich zum „Fahrplan“ fürchten.

Dies lässt sich momentan nicht mit Sicherheit beantworten – da es ja noch keinen konkreten (veröffentlichten) Pakt-Text gibt, den man bewerten könnte, und mutmaßlich auch die Autoren des Paktes hin- und hergerissen sind zwischen humanen Absichten und dem Erkennen von allerlei praktischen Problemen.

FAHRPLAN FÜR KÜNFTIGE EU-MIGRATIONSPOLITIK
Europäische Union arbeitet an neuem Migrations- und Asylpakt
Außerdem scheut die Kommission den offenen Konflikt mit den osteuropäischen Staaten, die anders als Deutschland für eine Begrenzung kämpfen und die deutschen Zustände als abschreckend empfinden. Es gibt schlicht nicht die eine Ideallösung für größere globale Wanderbewegungen aus bevölkerungsreichen, eher ärmeren Regionen; dies hat der Streit um den UN-Migrationspakt von 2018 hinlänglich gezeigt. Der europäische Konflikt bleibt und spitzt sich zu.

Der Konflikt zwischen den selbsternannten Einwanderungsländern wie Deutschland und den Gegnern massenhafter und ungezügelter Einwanderung spitzt sich zu – und es steht zu befürchten, dass Angela Merkel versuchen wird, den Widerstand gegen Einwanderung zu brechen.

Dehnbare Absichtserklärungen

Die derzeitig vorliegenden Statements zum EU-Pakt enthalten Absichtserklärungen, die zwar auf eine „Abwehr“, Kontrolle und Verringerung der Migranten-Zahlen hinauslaufen. So soll es eine (Sicherheits-, Gesundheits- und Identitäts-)Vorprüfung von Asylbewerbern an den EU-Außengrenzen geben, die konsequente Rückführung von nicht schutzberechtigten Personen in Ursprungsländer, also die Verhinderung von langfristigen Aufenthalten in Europa ohne Berechtigung. Die EU-Grenzbehörde Frontex soll gestärkt werden und ein intensiverer sicherheitstechnischer Austausch zwischen den Ländern die Migration kontrollieren. So weit, so gut.

Sie bisherigen Entwürfe enthalten aber auch Elemente wie das Prinzip der routinemäßigen EU-weiten Verteilung aller als anspruchsberechtigt angesehenen Personen sowie ein Ja zu legaler Migration und Resettlement-Programmen für Flüchtlinge. Damit wird das Potenzial an Zuwanderung erhöht und soll auch jene Regionen erfassen, in der die Rechte der Staatsbevölkerung noch stärker berücksichtigt werden und die sich nicht als Einwanderungsländer verstehen, wie es in Deutschland der Fall ist. Man könnte diesen Passus auch als Angriff auf Polen, Österreich, Tschechien und Ungarn verstehen, die weitere Migration und Verteilerschlüssel generell ablehnen.

Signal für mehr Migration nach Europa

Die Gefahr besteht, dass der neue Migrations- und Asylpakt klimatisch in Herkunftsstaaten die Anzahl migrierwilliger Menschen steigen lässt und als Signal interpretiert werden wird, dass Europa auch eine umfangreichere Migration annimmt und managen will (und kann). Hierzu könnten gerade Asylzentren an den Außengrenzen der EU beitragen, zumal wenn sie im Sinne der Menschenrechtsorganisationen mit intensivem Rechtsschutz (Widerspruchsmöglichkeit gegen negative Asylbescheide usw.) gekoppelt sein sollten.

TE-Interview
Thilo Sarrazin: Merkels Einwanderungspolitik überfordert uns
Die EU ist erkennbar bemüht, mit neuen konkreten Regelungen und Verfahren das derzeitige teilweise Chaos und die Schwächen der real existierenden Zuwanderung in ein übersichtliches, kontrolliertes, regelhaftes System zu überführen. Was in der Theorie in Stück einfacher sein dürfte als in der Praxis. Offen bleibt – jenseits der entscheidenden Frage, wie sich die Migration in den kommenden Jahren größenmäßig entwickeln wird –, inwieweit viele evtl. sinnvolle theoretische Bausteine sich im wahren Leben umsetzen lassen und mit welcher Zielrichtung. Die betrifft zum Beispiel die erfolgreiche Sicherung der Außengrenzen – wobei auch die Rolle der privaten und kirchlichen „Seenotrettung“ geklärt werden müsste, die von Deutschland als Hebel für mehr afrikanische Zuwanderung gefördert werden.

Zu klären wäre die harmonische Kooperation mit zahlreichen Herkunfts- und Transitländern, die Akzeptanz der EU-weiten Verteilungsmechanismen durch die betroffenen Zuwanderer, welche im Zweifel auch Finnland oder Rumänien als neue Heimat akzeptieren müssten. Bislang wählen sich Zuwanderer das Zielland mit den für sie höchsten Leistungen. Generell müßte die Bereitschaft von Migranten, abgelehnte Asylbescheide zu respektieren gefördert werden –  auch das ein Konflikt: Auch abgelehnte Asylbewerber können de facto in Deutschland bleiben, die Begrenzungswirkung des Asylrechts wird nicht angewandt. Dieser Zustand faktisch offener Grenzen von Staaten und ihrer Sozialsysteme stößt auf Widerstand in immer mehr Ländern nicht nur in Osteuropa, sondern auch in Skandinavien.

Wird der Widerstand Osteuropas gebrochen?

Als größtes Fragezeichen bleibt, wie zum Beispiel osteuropäische Staaten in ein gemeinsames Europäisches Asylsystem eingebunden werden können. Sollten Länder, ggf. EU-Nettoempfänger, durch finanzielle Zahlungen um die Aufnahme von Zuwanderern „herumkommen“, ballen sich diese dementsprechend in den willigen Staaten wie Deutschland, die Abschiebungen praktisch nicht mehr durchführen und immer neue Schübe von Zuwanderung akzeptieren. Grundsätzlich hapert die EU-weite Verteilung von Migranten daran, dass in einzelnen Staaten die Lebensbedingungen und sozialökonomischen Voraussetzungen/Leistungen für Migranten stark unterschiedlich sind – und Migranten sich entsprechend verhalten.

Publizistische Punktlandung zum Jahrestag
Sarrazin über die Grenzen des Staates in Zeiten der Migration
In den Kommentaren auf der Website zum „Fahrplan“, die zahlreiche konstruktive Beiträge versammelt, wird das EU-Vorhaben selten vorbehaltslos begrüßt, des Öfteren aber betont, dass auch der gegenwärtige und künftige Zustand der Aufnahmeländer bei Migrationsfragen eine Rolle spielt. Kommentatoren verweisen etwa, im Schatten der Coronakrise, auf Gefahren durch die Überlastung der Sozialsysteme, zu umfangreiche Wirtschaftsmigration und Armutszuwanderung. Betont werden Probleme mit der Integration der bereits vorhandenen Zuwanderer, die Bevölkerungsdichte und der Flächenverbrauch im Aufnahmeland, zu wenig offene Arbeitsstellen, usw. Die Themen Asyl und Migration (allgemein) seien scharf zu trennen. Bei vielen Beobachtern besteht die Sorge, dass eine kontinuierliche Zuwanderung die europäischen Staaten überfordert.

So gesehen sollte vielleicht das Kernziel des neuen Migrations- und Asylpakts, auf der Website umschrieben mit „einen umfassenden, nachhaltigen und krisenfesten Rahmen für das Management von Asyl und Migration in der EU zu schaffen und die gesamte Migrationsroute vom Ursprungs- und Transitland zu den Aufnahmestaaten abzudecken“, ergänzt werden. Es geht um einen Integrationspakt, der sich der Frage annimmt, wie die aufgenommenen Flüchtlinge und Migranten in den Aufnahmestaaten konkret eingegliedert werden können. Letztlich wären im Idealfall auch die Migrations-Ursachen mit in den Blick zu nehmen. Das sind die eigentlichen, schwierigen Themen, nicht nur die europäische Vereinheitlichung und Umverteilung von immer noch mehr sogenannten „Flüchtlingen“. Daher bleibt die Befürchtung bestehen, dass der Pakt nur dazu dient, die Einwanderung weiter zu befördern und Widerstände dagegen abzuräumen.

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