Tichys Einblick
Nur als ob

Der Choral „Grundsatzpositionen und Lösungsvorschläge zur Asyl-Problematik“ schallt aus der Union

Die Liste der Kompromiss-Papiere ist so lang wie die der nicht verwirklichten Pläne und Absichtserklärungen: alles nur Futter für's Volk?

Zeit läuft ...

© John MacDougall/AFP/Getty Images

Das Thema solange zuschanden reiten, bis es den Leuten zum Halse heraushängt? Ganz abgesehen von den politischen Ideen und Vorstellungen der SPD und der Grünen (unnötig, die surrealen Positionen der Partei „Die Linke“ dabei zu erwähnen) zum Themenkreis „Asyl, Zuwanderung und unerlaubte Einreise“, die diffuser und irreführender (z.B. beim Thema Auffanglager) nicht sein können: die immer wieder lancierten angeblichen Geistesblitze und Vorschläge der Unionsparteien dazu sind keinen Deut besser.

Gefühlt vergeht keine Woche, ohne dass sich nicht irgendeine Stimme in der Union zu dem Thema erhebt, wobei als Auslöser das Motto : „Wir haben verstanden“ in verschiedenen Variationen herhalten muss. Die klassischen Floskeln werden heruntergebetet:

– Wir müssen wissen, wer zu uns kommt.
– Wir müssen entscheiden können, wer zu uns kommt
– Wir müssen die abschieben, die ihr Gastrecht missbrauchen
– Wir dürfen die Bildung von Parallelgesellschaften nicht zulassen
– Die Außengrenzen müssen geschützt werden!

Sehr schön auch, weil eingängig – angeblich 2000 formuliert vom ehemaligen bayerischen Innenminister Günther Beckstein, hier aus dem Spiegel zitiert – , jedoch aktuell weniger genutzt, weil für Volkes Maul griffiger und mit hässlichen Wertungen verbunden: „Wir brauchen mehr Ausländer die uns nützen, und weniger, die uns ausnützen.“

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Kann man eine dringend fällige Kurskorrektur solange diskutieren, drehen und wenden, bis der Zuhörerschaft vor dieser Ansammlung von Halb- und Unwissen, Ignoranz, Weltfremdheit und vor allem haarsträubender Vergesslichkeit übel wird? Bis das Schiff auf den Klippen hängt? Man kann. Was der Öffentlichkeit nun seit dem proklamierten „Ende“ der „Flüchtlingskrise” vorgespielt wird, kann nur darauf abzielen, einen kollektive Ermüdung zu erzeugen, unter deren Einfluss seriöse Journalisten und kritische Stimmen die weitere Betrachtung einfach einstellen. Aus Überdruss, aus Abscheu, aus Ermattung. Womit dann das Ziel erreicht wäre? Es klingt phantastisch, ist es aber nicht.

Es zeichnet sich ab, dass die politische und mediale Elite, nach der sich nun durch nichts mehr zu beschönigenden Niederlage an der Front der Fakten und Nachrichten (siehe die erhellenden Artikel zur Studie des Experten Pfeiffer mit drei F auf TE), nur noch den perfiden Weg des Überfütterns mit leeren Slogans zu beschreiten gedenkt. Den angesichts steigenden Drucks im Kessel der öffentlichen Ordnung dringendsten Fragen solange mit scheinbarem Verständnis und plakativ zur Schau gestelltem guten Willen begegnen will, bis der ungezogen plärrende Bürger eingeschläfert ist. Wie eine gute Amme salbadert die Union schöne Phrasen und Allgemeinplätze vor sich hin. Heia Popeia.

„Die Ängste der Menschen muss man ernst nehmen!”

Zunächst einmal muss man sie solange diskutieren, wenden, besprechen und dabei immer mehr zerreden, bis den Zuhörern ganz schwindelig wird, sich schon die ersten ausklinken und abschalten, auf Durchzug stellen. Beim im Berufsleben stehenden Bürger ist irgendwann ein Sättigungsgrad erreicht, ab welchem er den Diskurs kaum mehr wahrnimmt. Die berühmte stete Tropfen, der die Aufmerksamkeit aushöhlt. Mit untrüglichem Gespür arbeitet sich das medialpolitische Sedierungskommando in Richtung dieses Zieles vor. Wahlweise tragen die Sprachrohre den Aufdruck aller halbwegs bekannten Größen der Union zwischen Ostsee und Alpen.

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Die eigenen Bekundungen nach an diffusem Unwohlsein und vergrößerter Unsicherheit leidende Bevölkerung muss wie eine Weihnachtsgans so lange mit den eigenen Angstvokabeln gestopft werden, bis sie endlich den Schnabel hält und die schädliche Grübelei einstellt. Die hartköpfigen Grantler, die ewigen Nörgler und Unzufriedenen, die sich dann immer noch hören lassen, kann man getrost dem Durchsetzungsgesetz und seinen Bütteln überlassen. Visionen vom Schwein Jonathan und seinen Wachhunden drängen sich auf.

Niemand kann noch guten Gewissens behaupten, die Positionen der Union zu dem lichterloh brennenden Problem wirklich zu kennen. Zuviel ist darüber von den verschiedensten als „konservativ“ geltenden Kreisen hinausposaunt worden. Alleine zu dem Auftrag  „CSU Papier Flüchtlinge“ fördert die allseits bekannte Suchmaschine eine Fülle von Programmen, Plänen, Forderungen und angeblichen Beschlüssen zu Tage, die ohne ein Gramm Greifbares auskommen:

Ein „Sieben Punkte Sofortprogramm“ der CSU vom 15.09.2015 wird auf der Webseite der Partei veröffentlicht. Der Volksfreund berichtet am 30.12.2015, „in einer Beschlussvorlage der CSU-Landesgruppe im Bundestag, die kommende Woche bei der Klausurtagung in Wildbad Kreuth verabschiedet werden solle, heiße es weiter, ‚durch die bewusste Vernichtung von Ausweispapieren und falsche Angaben von Antragstellern würden Asylverfahren nicht nur verschleppt, sondern oftmals vollständig unmöglich gemacht. Dies könne unser Rechtsstaat nicht länger hinnehmen’“…

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Der bayerische Rundfunk meldet am 08.09.2016, „die CSU habe in einem Positionspapier Forderungen an die Kanzlerin formuliert. Es gehe um eine härtere Gangart in der Flüchtlingspolitik und bei der inneren Sicherheit. So geballt und aggressiv seien die Forderungen bislang noch nie gewesen”. Und weiter: „Der Appell der CSU, Deutschland müsse Deutschland bleiben, sei eine klare Botschaft, ein klarer Kurs, denn die Bürger den Politikern mit auf den Weg gäben, dass sie zwar solidarisch, aber nicht bereit seien, sich nach denen zu richten, die zu uns kommen.“

Am 04.12.2016 berichtet die Seite der Nürnberger Presse, „Nordbayern.de“, „.. Unter Leitung von Parteichef Horst Seehofer wolle der CSU-Vorstand in München ein mehrseitiges Forderungspapier beschließen, dessen zentrales Ziel eine Begrenzung der Zuwanderung sei“. Am 27.12.2016 berichtet das ZDF, „habe die CSU ein neues Papier mit dem Titel Sicherheit für unsere Freiheit“ vorgestellt.

Ein Positionspapier der Bayerischen Staatsregierung vom 10.01.2017: „Die, die dableiben, und zwar berechtigt und längere Zeit, bei denen müssen wir uns mit großem Einsatz um die Integration kümmern, aber wir dürfen nicht vergessen, dass die Kapazitäten begrenzt sind. Und deshalb auch: klare Begrenzung der Zuwanderung!“ Begleitet von solch markigen Aussagen wie „Damit Deutschland Deutschland bleibt“.

Was für ein Schwampf.

Die Welt meldet, die Unionsspitzen hätten sich „nach langem Streit“ am 09.10.2017 auf einen Asylkompromiss geeinigt: „Dazu lege man konkrete Maßnahmen fest …: Fluchtursachenbekämpfung, Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern nach dem Vorbild des EU-Türkei-Abkommens, Schutz der EU-Außengrenzen, EU-weite gemeinsame Durchführung von Asylverfahren an den Außengrenzen sowie gemeinsame Rückführungen von dort, Reform des GEAS (Gemeinsamen Europäischen Asylsystems) und des Dublin-Systems.“

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Auszug aus dem Papier der CSU Ende Dezember 2017 (Quelle Focus): „Die CSU wolle Flüchtlingen ohne Ausweispapieren die Einreise erschweren. Wer keinen Pass vorlege oder sonst seine Identität nicht belegen könne, müsse an den deutschen Grenzen festgehalten werden und dort in Transitzentren bis zur Klärung seiner Identität verbleiben“, heiße es in einem Papier der CSU-Landesgruppe zur Begrenzung der Zuwanderung, aus dem die Mittwochsausgabe der „Passauer Neue Presse“ vorab zitiert. Das Papier solle kommende Woche bei einer Klausurtagung verabschiedet werden. Das „bewusste Vernichten von Ausweispapieren“ dürfe sich für Flüchtlinge nicht lohnen, heißt es in dem CSU-Positionspapier weiter.

Alle diese Pferdefüße des Asylrechts sind alte Zöpfe, Stichwort „Flavored-Icecube-Skandal“ und seit vielen Jahrzehnten bekannt. Der „Flüchtling” nutzt, ganz ohne rot zu werden, das ihm vom verstorbenen Gründer von „Cap Anamur“ zugestandene „Grundrecht auf die Lüge“ .

Nun, so denken sicher gut und gerne Viele in der Union, wenn er keinen Pass mehr hat, dann solle er doch Urkunden aus seinem Heimatlande vorlegen, um seine Aussagen ggf. zu untermauern. Falschangaben würden, so die Hoffnung, postwendend durch „Schwarz auf Weisse“ Fakten des –  in Zentraleuropa ja jahrzehntelang gehätschelten – Personenstandswesens oder den Behörden in den klassischen Herkunftsländern entlarvt. Das Standesamt Timbuktu oder der staatlich bestellte Notar in Agadir mag dann ein bestempeltes Papier ausstellen, das endlich Klarheit schafft!

Abkommen, die versuchen, den Urkunden anderer Länder Legitimität zu verleihen, wie die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht gibt es schon lange: Ein Bericht aus dem Spiegel aus einer Zeit, als bei dem Magazin solche Artikel noch gut gelitten waren. Flavored Icecube hatte sicher eine Bestätigung in der Tasche, demzufolge er wirklich diesen Namen getragen haben mag. Hat sich seitdem etwas zum Besseren geändert ?

Damals herrschte in den Herkunftsländern noch der Nimbus der „Festung Europa“, Deutschland und die Handgriffe, mit denen man dort gekonnt die Kühe richtig melkt, waren nur relativ wenigen (!) Eingeweihten bekannt. Es gab keine sich in Windeseile verbreitenden Hinweise auf gangbare Fluchtrouten und findige Schlepperorganisationen. Damals war es nur der Stasi möglich, Pässe herzustellen, die ihren bundesdeutschen Pendants wie ein Ei dem anderen glichen …

Verwaltung der eigenen Lächerlichkeit
GroKo: Sondieren und täuschen
Es gab noch keine hilfreichen Netzwerke bereits sicher installierter Landsleute und kein Unterstützerteam aus Rechtsanwälten und Lobbyisten. Es gab weniger internationalen Reiseverkehr und keine schillernden Reiseprospekte für das gelobte Land Europa im Internet. Nur die DDR-Botschaften erteilten am laufenden Bande Visa, um den Westen mit Armutszuwanderern zu destabilisieren (einige der schlaueren Köpfe in der Union mögen damals schon den Schluss gezogen haben, dass dies nicht ohne begründete Hoffung auf Erfolg geschehen kann).

Dann verabschiedete endlich der Bundestag in einem enormen Kraftakt den „Asylkompromiss“  und so den Willen zur Wehrhaftigkeit gegenüber illegaler Einwanderung demonstriert. Wichtigster Grund aber, warum die Defizite des Asylverfahrens, die hanebüchene Diskrepanz zwischen dem heute scheinbar so heeren Anspruch an einwandfreie Ausweise, Personenstandsunterlagen, dem lückenlosen Nachweis des Reiseweges und den Realitäten der institutionalisierten Aufenthaltserschleichung nicht viel früher an die große Glocke gehängt wurden, war die immer noch relativ homogene Bevölkerungsstruktur in Deutschland, die noch weit vom Erreichen einer kritischen Masse an Parallelgesellschaften entfernt war. Es war auszuhalten. Man hatte halt ein paar mehr Südländer im Glasscherbenviertel (ganz abgesehen davon: viele Negativschlagzeilen produzierten damals noch die „Rucksackdeutschen” von StS Dr. Horst Waffenschmidt und deren Anhang?).

All die hektischen und besorgten Wortmeldungen der Union zu dem Thema, getrieben von den vielen Schlaglichtern auf die steigende Kriminalität unter den Zugewanderten, haben hingegen heute aber nur ein einziges Ziel: Der hochgeschreckten Bevölkerung endlich wieder die Schlafhaube tief über das Gesicht zu ziehen und ihr dabei ins Ohr zu hauchen: Wir haben die Lage im Griff …

Oder wie es bei den Briten heisst: „keep calm and carry on …“