Tichys Einblick
Asylpolitik

CSU fordert Anwendung nationaler Gesetze an den Außengrenzen

Der nur in wenigen Aspekten bekannte Masterplan geht in die richtige Richtung. Dies wird aber nicht reichen, um den endemischen Missbrauch des deutschen Asylrechts für die Arbeitsmigration zu beenden.

Lennard Preiss/Getty Images

Getrieben durch die immer deutlicher zutage tretenden Probleme, die mit der anhaltend unbegrenzten und ungesteuerten illegalen Massenzuwanderung sowie dem endemischen Missbrauch des deutschen Asylrechts einhergehen, forciert die CSU angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen in Bayern und den dort drohenden Stimmenverlusten an die AfD inzwischen ihre mehrfach angekündigte, aber nie vollzogene „Asylwende“. Sie umfasst neben der im Koalitionsvertrag vereinbarten Begrenzung der jährlichen Aufnahme von Asylbewerbern inzwischen auch die Rückweisung von Asylbewerbern an den deutschen Außengrenzen. Das gilt bis zum nächsten EU-Gipfel Ende Juni vorerst nur für Asylbewerber, die nach einem vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland in ein anderes EU-Land rückgeführt worden sind und versuchen, von dort wieder einzureisen, um einen erneuten Asylantrag zu stellen. Danach soll die Rückweisung für alle Asylbewerber wirksam werden, soweit diese schon in anderen Ländern der EU registriert worden sind oder dort einen Asylantrag gestellt haben. Auch sie sollen gemäß Seehofers bislang nur in Umrissen bekannten „Masterplans“ in Zukunft nicht mehr illegal einreisen dürfen, um sich in Deutschland mit Hilfe eines Asylantrags eine Aufenthaltserlaubnis und einen Zugang zu Sozialleistungen verschaffen zu können.

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Den bislang unter Umgehung von Artikel 16a des Grundgesetzes und des deutschen Asylrechts (§ 18) zu Lasten Deutschlands betriebenen innereuropäischen „Asyltourismus“ will die CSU auf diese Weise beenden. Asylanträge sollen in Deutschland nur diejenigen Zuwanderer stellen können, die weder aus einem Mitgliedsstaat der EU noch aus einem sicheren Drittstaat noch aus einem sicheren Herkunftsland kommen. So soll die illegale Zuwanderung nach Deutschland gestoppt und sichergestellt werden, daaa das nationale Asylrecht wieder die ihm zugedachte Funktion erfüllen kann, sowohl Flüchtlinge vor Verfolgung und Krieg wie aber auch die einheimische Bevölkerung vor zu vielen Zuwanderern zu schützen. Innenminister Seehofer räumt in diesem Zusammenhang, im Gegensatz zur Kanzlerin, dem nationalen Vorgehen ein Primat gegenüber einem europäischen ein, sofern letzteres dem nationalen Vorgehen gegenüber keine „Wirkungsgleichheit“ gewährleistet.

Mit diesem Schritt leistet die CSU, sofern er nach dem anstehenden EU-Gipfel tatsächlich vollzogen wird, nicht nur einen Beitrag zu der im Koalitionsvertrag vereinbarten Begrenzung der jährlichen Zuwanderung über den Asylweg auf 180.000 bis 220.000 Personen, sondern vollzieht gleichzeitig eine richtige Abkehr von im Koalitionsvertrag noch getroffenen falschen Annahmen. Dort ist unter anderem zu lesen: „Mit einer klug gesteuerten Einwanderungspolitik für Fachkräfte unterstützen wir die Schaffung von Arbeitsplätzen in Deutschland und verringern spürbar die Attraktivität von illegaler und ungesteuerter Einwanderung“. Begrenzt werden soll die illegale Zuwanderung über die Einrichtung eines weiteren Weges, der in Gestalt des deutschen Aufenthaltsgesetzes im Grundsatz allerdings schon längst besteht. Schon heute können Migranten auch aus den derzeitigen Asyl-Hauptherkunftsländern Arbeitsvisa beantragen, um in Deutschland arbeiten zu können. Vermutlich wollen die Koalitionspartner die Hürden der Visa-Erteilung absenken, um mehr Zuwanderern aus diesen Ländern die Möglichkeit zu eröffnen, ohne Asylantrag einen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu erhalten. Die Rückweisung von Asylbewerbern an den deutschen Grenzen würde sich, so die bisherige Hoffnung der Koalitionäre, damit erübrigen.

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Dem widerspricht inzwischen allerdings nicht nur der Koalitionspartner CSU, sondern ausgerechnet auch der zuwanderungsaffine Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) in seinem Jahresgutachten 2018. Er befürwortet zwar auch nachdrücklich die Schaffung eines neuen „Einwanderungsgesetzbuches“, gleichwohl dürfe man sich laut SVR davon aber nicht zu viel versprechen, insbesondere nicht in Hinblick auf eine Begrenzung der Zuwanderung über den Asylweg. „Hier sind vor allem Vorgaben der Europäischen Union zu beachten, denn das Migrationsrecht ist mittlerweile weitgehend europäisiert.“ Insbesondere bei den Themen Flucht und Asyl sowie für hochqualifizierte Fachkräfte sei „Brüssel als Ort der Normsetzung mittlerweile wichtiger als Berlin.“ Die nationale Gesetzgebung habe hier nur noch wenig Spielraum.

Dies sehen auch Seehofer und seine CSU inzwischen offenbar so. Die „Attraktivität von illegaler und ungesteuerter Einwanderung“ wollen sie daher nicht mehr in erster Linie mittels eines Einwanderungsgesetzes, sondern mit Hilfe geeigneterer Maßnahmen, allen voran der Anwendung der geltenden nationalen Asylgesetze an den deutschen Außengrenzen vermindern. Auf deren Anwendung soll nur noch verzichtet werden, wenn europäische Asylgesetze den deutschen wirkungsgleich sind. So wird nicht nur unmittelbar die schiere Anzahl der illegalen Zuwanderer reduziert, sondern auch der Anreiz vermindert, sich nach Europa auf den Weg zu machen, um in Deutschland Asyl zu bekommen. Dies begrenzt nicht nur den Zustrom von Asylbewerbern nach Deutschland, sondern insbesondere auch in die Länder mit europäischen Außengrenzen.

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Dies allein wird aber nicht ausreichen, um den „Pull Faktor“ der deutschen Asyl- und Zuwanderungspolitik auf das Maß zu reduzieren, das für das Land und seine Bevölkerung erträglich ist. Nicht nur der SVR, sondern auch die Bundesregierung vertreten bislang die Auffassung, dass grundsätzlich jeder Asylbewerber als Arbeits- bzw. Erwerbsmigrant  betrachtet und behandelt werden soll. Jedem sei daher auch ein möglichst einfacher und schneller Zugang zum Arbeitsmarkt zu eröffnen, keiner soll als Asylant mit zeitlich befristeter Bleibeperspektive behandelt und wieder in seine Heimat unfreiwillig zurückgeschickt werden. Deswegen erhalten in Deutschland  Asylbewerber nicht erst nach ihrer Anerkennung, sondern schon während ihres Asylverfahrens eine Arbeitserlaubnis. Und selbst abgelehnte oder nur geduldete Asylbewerber dürfen arbeiten, solange sie sich (noch) im Land aufhalten. Erhalten sie während dieser Zeit einen Ausbildungsvertrag, können sie für die Dauer der Ausbildung und zwei Jahre danach im Land bleiben (3+2-Regelung). Danach greifen Regelungen des Aufenthaltsgesetztes, die einen Daueraufenthalt ermöglichen.

In Deutschland gilt bislang das vom SVR propagierte und von allen Befürwortern einer möglichst unbegrenzten Zuwanderung über den Asylweg verfolgte Prinzip der „Integration von Anfang an“. Es ist einer Hauptgründe für die ungute Vermischung von Asyl und Arbeitsmigration, die dem endemischen Asylmissbrauch zum Zweck der Arbeitsmigration Vorschub leistet und zwangsläufig in die allmähliche Aushöhlung und schließlich Auflösung des humanitären Asylrechts mündet. Wir wissen noch nicht, ob in Seehofers „Masterplan“ auch Maßnahmen etwa dergestalt vorgesehen sind, dass Asylbewerber erst dann Zutritt zum deutschen Arbeitsmarkt erhalten, wenn ihr Verfahren abgeschlossen und ihr Asylantrag positiv beschieden ist. Die Missbrauchsmöglichkeiten des Asylgesetzes für die Arbeitsmigration wären dadurch stark beschnitten, der humanitäre Charakter des Asylgesetzes wieder hergestellt. Ziel eines Antrags auf Asyl wäre nicht mehr der dauerhafte Verbleib, sondern der vorübergehende Aufenthalt in Deutschland mit anschließender Rückkehr in die Heimat. Bestehende Arbeitskräftebedarfe aus dem Ausland würden, wie im Koalitionsvertrag versprochen, in erster Linie mit Hilfe eines verbesserten Einwanderungsgesetzes gedeckt. Ein Wechsel aus dem Asylstatus in den Arbeitsmigrationsstatus wäre nur in Ausnahmefällen bei Überwindung hoher Hürden möglich.