Tichys Einblick
Ertüchtigung der Bundeswehr:

Es dauert wieder alles viel zu lang! F-35 frühestens 2028 einsatzklar

Soeben ist der 16. Rüstungsbericht des Verteidigungsministeriums erschienen, genauer: Teil 1 des Berichts. Teil 2 ist nur intern und für das Parlament verfügbar. Der erste Teil ist aber schon pikant genug: Es wird teurer und die Bundeswehr muss deutlich länger auf ihre Ausrüstung warten als geplant.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht mit Eberhard Zorn, Generalinspekteur der Bundeswehr, und Ingo Gerhartz, Inspekteur der Luftwaffe, beim Pressestatement am 14. Dezember 2022 in Berlin

IMAGO / Political-Moments

Das ließ sich die oft genug irrlichternde Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) nicht entgehen: Sie zeigt sich schier in Siegerpose, nachdem der Haushaltsausschuss des Bundestages nach langem Hin und Her sie am 14. Dezember befugt hat, mit dem US-Konzern Lockheed den Kaufvertrag über 35 Stück F-35-Tarnkappenbomber abzuschließen. Die FAZ schreibt denn auch unter der Überschrift „Ein Ferrari für Lambrecht“ mit einer gewissen Süffisanz: „Verteidigungsministerin Christine Lambrecht lässt sich für die Bestellung amerikanischer Kampfflugzeuge feiern. Dabei hatte ihre SPD die Anschaffung jahrelang blockiert, nun wird sie doppelt so teuer.“ Und weiter: „Mit großer Führungsparade hat das Verteidigungsministerium die Bestellung neuer Kampfflugzeuge gefeiert. Die Ministerin selbst, der Generalinspekteur und der Chef der Luftwaffe waren zugegen, um feierlich die Freigabe der entsprechenden Haushaltsmittel zu verkünden.“

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Alles recht und schön. Der Kauf der F-35 war schon zu Zeiten der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) im Gespräch. Der damalige Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Karl Müllner, hatte die F-35 im März 2018 ins Gespräch gebracht und war dafür in den Ruhestand versetzt worden, weil von der Leyen einen neuen Eurofighter haben wollte. Nun also wird die F-35A in der Variante CTOL als konventionell startendes und landendes Flugzeug gekauft – und nicht die F-35B (ein Kurzstartflugzeug mit Senkrechtlandekapazität/STOVL) und logischerweise auch nicht die F-35C (Flugzeugträgervariante mit größeren Tragflächen, klappbaren Tragflächenenden, verstärktem Fahrwerk sowie Fanghaken).

Der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, betonte bei der aktuellen Jubel-Pressekonferenz, erste deutsche Piloten sollten 2026 am Kampfjet in den USA ausgebildet werden. 2027 würden die ersten Flugzeuge dann nach Deutschland verlegt mit dem Ziel, 2028 die erste Einsatzbereitschaft zu erklären. Na immerhin, wo der gemeinsame deutsch-französisch-spanische Zukunftskampfflieger FCAS (Future Combat Air System) frühestens 2040 einsatzklar ist.

Bei aller Euphorie der im Bendlerblock Beteiligten fiel auch keinem Oppositionspolitiker mehr auf, dass die Schweiz (Vertragsabschluss 2021) für jedes Einzelstück des F-35 167 Millionen Euro, Deutschland je Stück 286 Millionen Euro bezahlt. Gewiss sind die beiden Kaufverträge nicht 1:1 vergleichbar, solange man die Details nicht bis ins Letzte kennt und weiß, was an Ersatzteilen, Wartung, landeseigener Industriebeteiligung usw. eingerechnet ist. Wer sich näher damit befassen will, der möge sich durch die beiden Kaufverträge durchwühlen: für die Schweiz und für Deutschland.

Gravierende Verzögerungen auch bei anderem Großgerät – und bei wichtigem Kleingerät

Aber lassen wir das mit der F-35. Es ist ja nicht das einzige Beispiel, das die Trägheit des Verteidigungsministeriums und der Politik belegt. Soeben wurde nämlich der „16. Bericht zu Rüstungsangelegenheiten“ vorgelegt. Siehe den aktuellen, seit März 2015 halbjährlich erscheinenden Bericht: Es handelt sich hier übrigens nur um „Teil 1“, denn Teil 2 gibt es nur als „VS für den Dienstgebrauch“ und für das Parlament (Vermutlich kennen interessierte Stellen in Russland und China längst auch Teil 2, ohne dafür auf Presseberichte angewiesen zu sein). Transparenz jedenfalls schaut anders aus, wie ja auch Lambrecht die bislang halbjährlich erscheinenden „Berichte über die materielle Einsatzbereitschaft“ nicht mehr erstellen lässt.

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Aber auch der 1. Teil des 16. Rüstungsberichts hat es in sich. Wir greifen aus den insgesamt 114 Seiten nur ein paar Details heraus, die belegen, wie träge alles vonstatten geht. Im Bericht heißt es zwar, das Ziel sei, den Streitkräften eine „hochmoderne, einsatzbereite und durchhaltefähige Ausrüstung“ bereitzustellen. Doch es wird teurer und die Bundeswehr muss deutlich länger auf ihre Ausrüstung warten als geplant. Es geht um Verlängerungen der Wartezeiten zum Teil um mehrere Jahre und um zwölf Milliarden Kostensteigerungen.

Auf diese Neuanschaffungen wartet die Bundeswehr besonders lange: Beim Transportflugzeug A400M mit dem Schutzsystem DIRCM beträgt die Verzögerung 162 Monate. Das Kampfflugzeug Eurofighter mit dem Radarsystem AESA hat eine Verspätung um 44 Monate. Bei der Korvette K130 geht es um eine Verspätung um 34 Monate. Das Überwachungs- und Aufklärungsflugzeug PEGASUS verzögert sich um 20 Monate. Die unbemannte Eurodrohne European MALE RPAS verzögert sich um zehn Monate.

Es kommt hinzu: Die Verzögerungen führen auch zu nicht unerheblichen Preisanstiegen. Das Verteidigungsministerium rechnet mit Mehrausgaben in Höhe von fast zwölf Milliarden Euro. Als Grund für die langen Wartezeiten und die Teuerung nennt das Haus von Lambrecht (SPD) „begrenzte Produktionskapazitäten, instabile Lieferketten, international hohe Nachfrage bei begrenztem Angebot, die hohe Inflation und die spürbaren Wechselkursveränderungen“. Diese wirkten sich nachteilig auf die Beschaffung von Rüstungsgütern aus.

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Es ist auch nicht nur das Großgerät, das viel zu spät in der Truppe ankommt. Beispiel: Die Nachtseh- und Nachtkampffähigkeit der Bundeswehr wird wohl auch auf absehbare Zeit angespannt bleiben. Auch das geht aus dem aktuellen 16. Bericht zu Rüstungsangelegenheiten hervor. Das Ministerium gibt an, dass die Nachtsehfähigkeit der Truppe zeitnah erheblich verbessert werden wird, da mittels der Einrichtung des „Sondervermögens Bundeswehr“ im Laufe des Jahres eine im Vorfeld vereinbarte Option über weitere 20.000 Nachtsichtbrillen des Typs Theon MIKRON „ausgelöst und eine vorgezogene Lieferung ab dem dritten Quartal 2022 vereinbart werden“ konnte.

Der Bendlerblock verweist gleichzeitig darauf, dass die nunmehr 25.000 MIKRON Brillen – ein erstes Los mit 5.000 Nachtsehbrillen wurde bereits Mitte 2021 beschafft – nicht ausreichen, um den „gebilligten Bedarf des ersten Ausrüstungsschrittes zu decken“. Dazu „müssten weitere rund 16.000 Nachtsichtbrillen sowie rund 4.400 Clip On-Wärmebildgeräte bestellt werden“.

Die Autoren des Rüstungsberichts warnen allerdings zugleich, dass die für 2024 beabsichtige Beschaffung der „rund 21.000 plattformungebundenen Beobachtungs- und Vorsatzgeräte zur Herstellung einer Befähigung zum Nachtkampf mit in Einführung befindlichen modernen Handwaffen (Sturmgewehr Bundeswehr; Maschinengewehr etc.)“ nicht finanziert sei, da in dem entsprechenden Verteidigungsbudget derzeit noch keine dafür notwendigen Haushaltsmittel bereitgestellt sind.