Tichys Einblick
Große Koalition in Berlin:

Die Niederlage der Grünen ist ein Sieg für die Demokratie

Die Koalition zwischen CDU und SPD in Berlin ist das Beste, was Berlin derzeit bekommen kann. In beiden Parteien gibt es noch Teile, die nicht ganz den Bezug zur Lebenswirklichkeit der meisten Berliner verloren haben. Und sie ist eine Niederlage für das grüne Utopia.

Wahlplakat der Grünen in Berlin, 22.02.2023

IMAGO / Stefan Zeitz

Es ist nicht die Stunde des Aufatmens, des Verklärens, der Hoffnung, es ist auch nicht die Stunde für Romantik. Es sieht im Moment so aus, als ob es in Berlin zur Großen Koalition kommt. Man sollte zwar nicht allzu große Hoffnung auf eine angegrünte CDU und auf eine von den Jusos getriebene SPD setzen, doch ist eine Koalition aus zwei Parteien, die zumindest in Teilen noch einen Bezug zur Realität, zur Lebenswirklichkeit der meisten Berliner, die im öffentlich finanzierten, grünen Rundfunk nicht mehr vorkommen, haben, das Beste, was Berlin derzeit bekommen kann.

Etwas anderes ist nicht im Angebot. Aber sowohl die CDU als auch die SPD stehen nicht nur davor, die Landesregierung in Berlin zu bilden, sondern sie müssen endlich sich wieder auf die Werte ihrer Partei besinnen, wieder eine anständige sozialdemokratische oder christdemokratische Politik machen, eine Politik für die wirklichen Berliner, nicht für die woke Mitte, der es glückte, auf Kosten der Allgemeinheit in NGOs und anderen Institutionen ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, und die zwischen SUV, Lastenfahrrad, Weltbeglückungsideen und Klimadelirien in einem Utopia ganz eigener Art schwebt. Letzteres ist die Basis der Grünen, deren Träume vertreten die Grünen.

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Das Wahlergebnis hat Folgendes gezeigt: Erstens will die Mehrheit der Berliner und Berlinerinnen die Verbots- und Belehrungsdiktatur der Grünen nicht. Zweitens haben die Grünen trotz Unterstützung des RBB, in dem der Ehemann der Spitzenkandidatin der Grünen eine überaus gutbezahlte Führungsposition einnimmt, es nicht vermocht, ihr Wahlergebnis zu verbessern, mit anderen Worten: Sie haben ihr Wählerpotenzial vollkommen ausgeschöpft. Drittens wurde die SPD dafür abgestraft, dass sie mit den Grünen koaliert, im Klartext: den Grünen die Möglichkeit bietet, ihre Lastenrad-Gesellschaft in Berlin durchzusetzen.

So ganz überraschend kommt der Schwenk der SPD nicht, denn Franziska Giffey wollte nach der Wahl 2021 bereits mit der CDU koalieren, doch konnte sie sich damals nicht gegen die Partei durchsetzen. Diesmal gelang es der Berliner SPD erst nach einer harten Diskussion, die vier Stunden tobte, gestern um 20.30 Uhr sich für die Koalition mit der CDU zu entscheiden. Nach einer Empfehlung der Vorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh sprach sich der Landesvorstand der SPD mit 25 zu 12 Stimmen (67,6 Prozent) für Koalitionsverhandlungen mit der CDU aus.

Zwölf Mitglieder im Vorstand der Berliner SPD, Jusos und Leute wie Sawsan Chebli, die ihre Kompetenz als Steinmeier-Sprecherin und in unzähligen Tweets unter Beweis gestellt hat, haben immer noch nicht verstanden, dass es schlicht um die Zukunft der SPD in Berlin geht. Denn die Entscheidung, die aktuelle Koalition, also Rot-Grün-Rot fortzuführen, würde bedeuten, vor allem gegen die Wähler der SPD Politik zu machen. Diejenigen die grüne Politik wollen, haben auch grün gewählt. In der Koalition mit der CDU, heißt es im Bericht der Sondierungskommission, habe die SPD die Möglichkeit, als „ausgleichende und verbindende soziale Kraft in der Stadt wahrgenommen zu werden.“ Denn: „Wir sind die Berlin-Partei, die wieder zur alten Stärke zurückfindet.“

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Das sehen nicht alle in der SPD so. In der abgehobenen Welt der Cheblis, in der Pippilotta-Welt der Jusos kommen Berliner Arbeiter, Berliner Handwerker, der Berliner, der in der woken Mitte nicht anzutreffen ist, auch nicht vor. Dabei ist es so einfach: Würde die SPD die Koalition mit den Grünen fortsetzen, würde sie bei der nächsten Wahl vom jetzigen Ergebnis auch nur noch nach heftigem Konsum von freigegebenem Cannabis träumen können. So heißt es im Bericht der Sondierungskommission: „Eine Erhöhung der Gestaltungsmacht in einem Zweierbündnis mit geringeren Reibungsverlusten bei den koalitionsinternen Abstimmungen lässt erwarten, dass eine bessere Umsetzung der eigenen Vorhaben und eine verbesserte Profilbildung in einer Koalition mit der CDU mit Blick auf die Wahlen in 2026 möglich ist.“

Aus den Erfahrungen der letzten Zeit kann die SPD nur die Schlussfolgerung ziehen: „Das Ergebnis der Sondierungen mit Grünen und Linken ist von der gemeinsamen Einschätzung getragen, dass Rot-Grün-Rot in Berlin derzeit kein gemeinsames dauerhaftes und belastbares Projekt darstellt, das mit hinreichender Sicherheit bis 2026 trägt.“ Die Fortsetzung der Koalition wäre verbunden mit „weiter sinkenden Zustimmungswerten“, weil man auch keinen „echten Neuanfang“ vermitteln könnte, dazu existierten in der Koalition eine „hohe Anzahl ungelöster koalitionsinterner Konflikte“.

Sinnfälliges Beispiel dafür ist die Friedrichstraße. Die Grünen wollten aus der Geschäftsstraße ein grünes Pippilotta-Gebiet machen, das in der Praxis, wie zu besichtigen war, nicht nur hässlich ist, sondern sich auch geschäftsschädigend und existenzvernichtend auswirkt. Aber mit Existenzvernichtung haben die Grünen, wie man in Schwedt besichtigen kann, bekanntlich kein Problem. Nachdem ein Gericht die Sperrung aufgehoben hatte, hat Umwelt-Senatorin Bettina Jarrasch, die Berlin autofrei machen will, gegen den Willen der Regierenden Bürgermeisterin und gegen den Gerichtsbeschluss die Geschäftsstraße für den Straßenverkehr eigenmächtig wieder gesperrt. Insofern wundert es nicht, wenn die Sondierungskommission der SPD zu der Einaschätzung kommt: „Darüber hinaus bestehen erhebliche Zweifel an der Umsetzungsbereitschaft derzeitiger und zukünftiger Koalitionsverabredungen.“ Angeblich stellten Grüne und Linke selbst die bereits im Koalitionsvertrag von 2021 vereinbarten Eckpunkte in Frage.

Der Machtrausch, in dem sich auch Dank des öffentlich finanzierten, grünen Rundfunks die Grünen befinden, verführt die Grünen dazu, kompromisslos ihre „stark überwiegende Eigeninteressen“ durchsetzen zu wollen. So heißt es im Bericht: „In nahezu allen politischen Teilbereichen haben die Grünen erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihrer Verabredungsfähigkeit aufkommen lassen. Selbst bezüglich des bestehenden Koalitionsvertrages sah sich die Sondierungsgruppe mit ständigen Relativierungen konfrontiert.“ Die Vorstellung der Grünen von der Demokratie erschöpft sich in dem Glauben, dass alle ihrer weisen feministischen Führung in den totalen Umbau der Gesellschaft zu folgen haben.

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Konkret wird im Bericht der Sondierungskommission darauf hingewiesen: „Insbesondere wurden sektorübergreifend Zielzahlen oder die Verbindlichkeit von Absprachen in Abrede gestellt. Das betrifft beispielsweise den Wohnungsbau und die Wohnungsbauförderung, den Schulneubau und die Schulsanierung, die Lehrkräftebildung, die Fortführung sowohl des 9-Euro-Sozialtickets als auch des 29-Euro-Tickets, Verbesserungen bei der Besoldung und Vergütung der Landesbeschäftigten und die Wiedereingliederung von Töchtern in die Landesunternehmen.“

Die rotgrünrote Koalition ist tief zerrüttet, zumal die Linken, die zwar aus Sicht der SPD in der Vergangenheit verlässlich waren, als Partei nun selbst in schwere Turbulenzen geraten, weil die identitätspolitische Linke über die sozialpolitische Linke gesiegt hat. Verkürzt gesagt, die Linke kümmert sich mehr um die Nöte von Transsexuellen, als um die Nöte von Familienvätern, deshalb wirtschaftet die Linke auch im Osten ab. Die Sondierungskommission der SPD schätzt daher vollkommen richtig ein: „Es bestehen keine Zweifel an der verbindlichen Herangehensweise und Verabredungsfähigkeit der politischen Führung der Linkspartei. Dennoch steht die Partei vor einer Zerreißprobe, deren Ausgang aktuell ungewiss erscheint.“ Die Berliner Linke würde zunehmend von weltfremden, aber ideologiegepanzerten Aktivisten beherrscht, die auch gegen die Koalition ihre Vorstellungen durchzusetzen versuchen würden: „Zentrale Protagonist:innen arbeiten derzeit aktiv an einer Spaltung der Partei. Auf Landesebene bestehen erhebliche Zweifel an der Durchsetzungsfähigkeit verabredeter Positionen in der Breite der Partei.“

Dass der RBB nun gegen die Entscheidung der SPD stürmt, in dem er in seiner Berichterstattung vor allem parteiinterne Kritiker zu Wort kommen lässt, so überauswichtige Personen wie „die frühere Staatssekretärin Sawsan Chebli“ oder den „ehemaligen Sprecher der Parteilinken in der SPD, Mark Rackles“ lässt sich mit dem Einfluss der Grünen auf den RBB erklären, in dem Bettina Jarraschs Ehemann Oliver Jarrasch eine mit 137.000 Euro Jahresgehalt plus 15.000 Euro Bonus vergütete Führungsposition innehat und schon auf dem Weg war, Programmdirektor des RBB zu werden. Grüne Parteiarbeit vom Feinsten.

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