Tichys Einblick
Die politische Gefahr ist größer

Auffälligkeiten und Merkwürdigkeiten im Umgang mit dem Corona-Virus Sars-CoV-2

Ingrid Ansari hat aus dem, was viele Bürger umtreibt, eine Auswahl von Aspekten und Sichtweisen zusammengetragen. Dass die politisch Verantwortlichen ihre Positionen und Verhaltensweisen mehrfach radikal geändert haben, schafft Verunsicherung und fördert Spekulationen.

imago Images

Im Winter 2017/2018 gab es rund 25.100 Grippetote. Das sei „die höchste Zahl an To­des­fällen in den vergangenen 30 Jahren“, zitierte das Ärzteblatt im September 2019 den Präsidenten des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler. In Kliniken und Arztpraxen herrschte über Wochen Hochbetrieb. Die Menschen saßen gedrängt in den Wartezimmern oder standen wegen Überfüllung auf den Fluren. Niemand in meinem Bekannten- und Freundeskreis kann sich heute an außergewöhnliche Aufregungen wegen der gravierenden Umstände und Zahlen erinnern.

Warum wurde so spät reagiert?

COVID-19, die Erkrankung, die ein neuartiges Coronavirus „Sars-CoV-2“ auslöste, war erstmals Ende Dezember 2019 in der Millionenstadt Wuhan der chinesischen Provinz Hubei auffällig geworden und breitete sich im Januar 2020 weiter aus. Die in Deutschland ergriffenen Maßnahmen gegen die Eindämmung von Sars-CoV-2 begannen dennoch halbherzig: Ski-Resorte blieben geöffnet, Karnevals- und Sportveranstaltungen fanden statt.

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Ein Beispiel: Ein Drittel (rund 40.000) der etwa 120.000 Einwohner von Bergamo pilgerten am 19. Februar zum Champions-League-Spiel Atalanta Bergamo gegen FC Valencia nach Mailand. Unzählige Fans verfolgten das Hinspiel zuhause in Bergamo dicht gedrängt mit Freunden in Bars und lagen sich nach dem Spiel jubelnd in den Armen. Es liegt auf der Hand, dass Maßnahmen viel zu spät ergriffen wurden, die bis heute für viele Bürger widersprüchlich und verwirrend erscheinen und keine Planung in die Zukunft erlauben.

Das alles ist umso unverständlicher, wenn man weiß, dass dem Bundestag schon im Januar 2013 eine Risikoanalyse zum Bevölkerungsschutz bezüglich einer Pandemie durch ein hypothetisches Virus „Modi-Sars“ unter fachlicher Federführung des Robert-Koch-Instituts präsentiert wurde, die u.a. auch rechtzeitige Bestellungen von Schutzkleidung empfahl. Im Oktober 2019 hatte überdies das „Johns Hopkins Center for Health Security“ in Zusammenarbeit mit dem „World Economic Forum“ und der „Bill & Melinda Gates Stiftung“ eine Übung durchgeführt, in dem das Szenario einer damals noch fiktionalen Coronavirus-Pandemie durchgespielt wurde, um rechtzeitig auf die Herausforderungen einer solchen Krise vorbereitet zu sein. Die Experten waren sich einig, dass Pandemien mit katastrophalen Folgen sich häufen würden und es einer globalen Zusammenarbeit von Wirtschaft, Politik und internationalen Organisationen bedürfe.

Unsicherheiten und diffuse Ängste

Als die Weltgesundheitsorganisation im Winter 2009 die sogenannte Schweinegrippe – Influenza A/H1N1 – zur Pandemie erklärte, wurden große Mengen von Impfstoff produziert. Doch dann starben weit weniger Menschen als sonst in einer Grippezeit, und 130 Millionen Steuergelder wurden nach Ende der Ablaufzeit der Impfstoffe vernichtet.

Ich selbst habe mir durch die Art der Berichterstattung über die Schweinegrippe Angst machen und mich impfen lassen und bin dann erst hellhörig geworden, als später von gravierenden Nebenwirkungen wie u.a. Narkolepsie-Erkrankungen berichtet wurde. Ich erinnere mich aber noch deutlich an die Warnung einer Freundin, die gehört hatte, man sei nach der Impfung sieben Jahre lang müde.
„Wenn das Leben Angst macht“ war am 3. April auch das Thema in der SWR-Sendung „Nachtcafé“. Bezeichnend war für mich in diesem Zusammenhang, dass dort ein pflegender Angehöriger berichtete, er habe sich zu Beginn der neuen Epidemie keine Sorgen gemacht, doch inzwischen hätten seine Ängste stark zugenommen. Kein Wunder, denn am 5. April berichtete der Focus von einem internen Papier aus dem Innenministerium, das empfiehlt, den Deutschen Angst zu machen.

Profiteure der Angst?

Die aufschlussreiche ARTE-Dokumentation „Profiteure der Angst“ von 2009 beginnt mit folgender Ansage des Sprechers: „Also so ‚was kommt irgendwie nicht gut an bei den Bürgern in einer modernen Demokratie. Die Regierung bekommt in Deutschland einen anderen Schweinegrippen-Impfstoff als die Untertanen, und zwar einen, der ohne einen umstrittenen Zusatzstoff zur Wirkverstärkung auskommt. Dieser Stoff ist in dem Mittel Pandemrix enthalten.“ Kein Problem, alles getestet, habe damals die deutsche Zulassungsbehörde gesagt, ihren eigenen Mitarbeitern jedoch das Mittel ohne Zusatzstoff gespritzt. Da könne man schon ins Nachdenken kommen.

Unter der Überschrift „Der verhängnisvolle Einfluss der Pharmakonzerne“ berichtete Deutschlandfunk Kultur 2017, nur 20 Prozent der WHO-Finanzierung werde durch Pflichtbeiträge der Mitgliedsländer erbracht; der Rest seien freiwillige Spenden von Stiftungen und Pharma-Unternehmen. Allein die Spender bestimmten, wofür die WHO das Geld ausgeben dürfe und wofür nicht. So gebe etwa die mächtige Stiftung des Microsoft-Gründers Bill Gates als zweitgrößter Geldgeber inhaltlich vor, was mit dem Geld zu fördern sei, wodurch die Neutralität der WHO naturgemäß gefährdet sei. Der Geschäftsführer von „medico international“, Thomas Gebauer, sieht die Weltgesundheitsorganisation als „Geisel potenter Geldgeber“ und Spielball für Business-Interessen. Ähnlich Kritisches findet man auch bei Wikipedia.

Umgang mit Kritikern

Wolfgang Wodarg, erfahrener Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde, für Hygiene, öffentliches Gesundheitswesen und Sozialmedizin war 1991 Stipendiat für Epidemiologie an der Johns Hopkins University, Baltimore und von 1994 bis 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages für die SPD. Neben weiteren zahlreichen Tätigkeiten und Mitgliedschaften ist er seit 1998 Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Er kritisierte schon vor 10 Jahren die Maßnahmen gegen die Schweinegrippe als unverhältnismäßig und machte dies zum Thema im Europarat. Am 16.12.2009 schrieb daraufhin die ZEIT: „In seinem vom Ausschuss einstimmig beschlossenen Antrag kritisiert er die Beeinflussung von Wissenschaftlern und Behörden durch geschäftstüchtige Pharmaunternehmer. Dies habe dazu geführt, dass „unnötigerweise Millionen gesunder Menschen dem Risiko mangelhaft getesteter Impfstoffe ausgesetzt“ worden seien – bei einer Infektionskrankheit, die „erheblich harmloser“ sei als alle Grippewellen der Vorjahre und „nicht einmal ein Zehntel der hierbei üblichen Todesfälle“ verursacht habe.“

Corona nutzt den Machthabern
Die Panikspirale. Oder: Wie man aus Stroh Gold spinnt - und aus Gold Stroh
Zur Corona-Pandemie hat sich Dr. Wodarg nun wieder in ähnlicher Form zu Wort gemeldet. Doch diesmal fielen die Reaktionen ganz anders aus. Hier einige aussagekräftige Überschriften von Zeitungsartikeln, die auf seine Erklärungen eingehen: „Die gefährlichen Falschinformationen des Wolfgang Wodarg“; „Dr. Wolfgang Wodargs steile Thesen zur Corona-Panik“; „Corona-Virus: Arzt setzt viele falsche Behauptungen in die Welt“ und „Top-Virologe Drosten zerlegt wirre Corona-These von Lungenarzt“.

Die Leser sind verwirrt. Bitten und Anregungen von Zuschauern, wie beispielsweise im Gästebuch von Hart aber fair, die Kritiker in die Talkshow einzuladen, damit sich die Bürger selber ein Bild machen könnten, bleiben unbeantwortet und unerwähnt. Videos von Ärzten, die nicht die offizielle Meinung vertreten, werden im Internet immer wieder gelöscht. Pathologen wundern sich darüber, dass das Robert-Koch-Institut von sonst bei Epidemien üblichen Obduktionen abrät.

Bei Markus Lanz sprach sich der Virologe Hendrick Streeck für einen Expertenkreis aus. Zitat: „Wir alle Virologen arbeiten ja anders. Das mag sich vielleicht langsam auch einschleichen, dass das die Bevölkerung merkt. Aber Herr Drosten zum Beispiel arbeitet sehr viruszentriert, also er geht vom Virus aus und schaut sich an, was macht das Virus denn so besonders, wie kam das zum Beispiel von der Fledermaus auf den Menschen, wie reagiert das Immunsystem darauf und wie ist die Klinik mit dem Virus. Was Herr Drosten kann, könnte ich nicht so gut, wie er kann, aber was ich mache, kann Herr Drosten nicht so gut wie ich kann.“ Er bedauert, dass man da von Seiten der Regierung eher monothematisch herangegangen sei. Man brauche dagegen ein Netzwerk zwischen den Forschern, was es jedoch leider bis heute nicht gebe.

24 Stunden lang nur ein Thema

Wiederholungen und das Wegfallen aller anderen Themen, die uns bis dahin beschäftigt haben, steuern die Gedanken zunehmend in eine einzige Richtung und festigen das Thema in den Köpfen. Schon 1911 schrieb Gustave Le Bon in seinem berühmten Werk „Psychologie der Massen“: „Man versteht den Einfluss der Wiederholung auf die Massen gut, wenn man sieht, welche Macht sie über die aufgeklärtesten Köpfe hat. Das Wiederholte setzt sich schließlich in den tiefen Bereichen des Unbewussten fest, in denen die Ursachen unserer Handlungen verarbeitet werden. Nach einiger Zeit, wenn wir vergessen haben, wer die Urheber der wiederholten Behauptung ist, glauben wir schließlich daran.“
„Im Schatten von Corona werden Dinge getan, die man in normalen Zeiten nicht für möglich halten würde,“ schreibt Alexander Fritsch in seinem lesenswerten Artikel „Schattengesetze“ bei TE.

Sind wir im Krieg?

Angela Merkel hatte im Dezember in Davos von „Transformationen von gigantischem historischem Ausmaß“ gesprochen. Heute reden Politiker im Zusammenhang mit der Pandemie von Krieg. „Wir sind im Krieg.“ Dieser Satz kam in Emmanuel Macrons Rede, mit der er die Ausgangssperre verkündete, insgesamt sechs Mal vor. Joe Biden milderte diese Aussage ein wenig ab, indem er sagte: „Dies ist wie im Krieg. Das ist, als würden wir aus dem Ausland angegriffen.“

Ohne Maß und Sinn
Osterspaziergang: Was geht wo?
Warum diese martialischen Bilder, die bei vielen Menschen tiefsitzende Ängste auslösen? Will man uns in Todesfurcht und Schrecken versetzen? Wikipedia definiert „Krieg“ als einen organisierten und unter Einsatz erheblicher Mittel mit Waffen und Gewalt ausgetragenen Konflikt, an dem planmäßig vorgehende Kollektive beteiligt sind, deren Ziel es ist, ihre Interessen durchzusetzen. Um welche Interessen geht es hier?

Hören wir hierzu Edward Snowden. Ich fasse seine Videobotschaft zusammen: Ein Virus ist gefährlich. Aber die Auflösung von demokratischen Rechten ist tödlich, denn diese Rechte bekommen wir nicht wieder zurück. Immer wenn Notfallmaßnahmen verabschiedet werden, haften sie weiter an uns wie Klebstoff. Die Maßnahmen werden dann ausgeweitet, die Behörden gewöhnen sich an ihre neue Macht. All das steht in krassem Widerspruch zu dem Konzept einer freien demokratischen Gesellschaft. Die Corona-Krise wird in spätestens zwei Jahren vorbei sein. Aber die Folgen der jetzt getroffenen Entscheidungen werden dauerhaft sein. Wenn wir damit anfangen, unsere über Jahrhunderte hart erkämpften Rechte in einem Krisenmoment zu opfern, verlieren wir unsere bürgerliche Freiheit.

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