Tichys Einblick
Wer schreit, gewinnt

Merkel: Politische Bankrotterklärung

Merkel hat ihre Unterwerfung unter die Plebs ebenso eingestanden, wie den Bankrott der parlamentarischen Demokratie erklärt. Von einem Willen zur Führung kann bei der Frau Bundeskanzler nicht die Rede sein.

© Getty Images

Mir ist bewusst: Diese künstlich hochgefahrene „Causa Maaßen“ hängt den meisten schon zu den Ohren heraus. Und dennoch soll hier noch einmal auf den gleichsam krönenden Abschluss dieses Theatro Maaßen eingegangen werden. Denn er offenbart auf so wunderbare Weise nicht nur, dass selbst jene, deren Aufgabe es eigentlich ist, nicht richtig hinhören, sondern auch, dass bundesdeutsche Politik mit Sachverstand nichts mehr zu tun hat.

Die Sensation: Merkel räumt Fehler ein

Als am vergangenen Sonntag eine Entscheidung vom davor liegenden Dienstag eingefangen worden war, ging am Montag nun auch jene Dame vor die Kameras, die bis zu diesem Zeitpunkt sich in beredtes Schweigen gehüllt hatte. Bundeskanzler Angela Merkel nutzte die Bundespressekonferenz zu einer persönlichen Klarstellung zur Entscheidungskorrektur – und sie verband dieses, so der einstimmige Chor der Medienschaffenden, mit einer für sie fast schon ins Ungeheuerliche reichenden Tat: Merkel entschuldigte sich!

Alles ist möglich - bei Merkel
Um die Ecke gedacht – das Theatro Maaßen
Wer sich entschuldigt, der räumt einen Fehler ein. Das ist bei Merkel tatsächlich überaus ungewöhnlich. Selbst, nachdem sie bei den letzten Bundestagswahlen die Union auf einen absoluten Tiefstand gefahren hatte, beharrte sie darauf, nicht zu wissen, wo sie etwas hätte anders machen können. Solch eine Beharrlichkeit kann auf Altersstarrsinn hindeuten, oder auf die Hybris der Unfehlbarkeit – oder schlicht auf einen Beraterstab, der einer Regierungschefin ununterbrochen eintrichtert, dass eine Entschuldigung gleich Schwäche ist und Schwäche den eigenen Niedergang bedeutet.

Dennoch: Diese Merkel, die sonst so absolut fehlerfrei agiert, räumte nun ein, einen Fehler gemacht zu haben. Da lohnt es sich, einmal genau hinzuschauen, welches denn nun dieser Fehler gewesen ist – oder ob nicht vielleicht sogar ein Fehler mit einem weiteren oder kein Fehler durch einen nun gemachten geheilt werden sollte?

Keinen Fehler durch einen Fehler entschuldigt

Der Tenor in dem, was man zu Tageszeitungszeiten noch Blätterwald nannte, rauschte unüberhörbar: Merkel gesteht ein, mit der Maaßen-Beförderung einen Fehler gemacht zu haben! Diesen Fehler habe sie nun, nachdem Koalitionspartner Andrea Nahles ihrerseits ihre Zustimmung zu diesem Fehler als Fehler erkannt hatte, korrigiert.

Konkret bedeutete dieses: Hans Georg Maaßen, der auf Druck einer von Linkspolitik und Linksmedien entfesselten Meute seinen Posten im Bundesamt für Verfassungsschutz räumen muss, durfte nun nicht mehr Staatssekretär im Bundesministerium des Inneren werden (was mit einer Beförderung und einer höheren Besoldung einher gegangen wäre), er wechselte nun in gleichem Dienstrang als „Sonderbeauftragter“ in eben dieses Ministerium.

Der Fehler – so die nach dem Sonntag eindeutige Darstellung gegenüber der Öffentlichkeit – war es also nicht gewesen, Maaßen in das Bundesministerium des Inneren unmittelbar an die Seite des Ministers zu stellen – der Fehler war es, dieses mit einer höheren Besoldung über den Weg der Beförderung zu tun.

Es geht um Symbolik

In seiner Symbolik ist die hinter dieser Betrachtungsweise stehende Absicht offenkundig. Da Maaßen in den Augen der Meute abgestraft werden musste, war die Beförderung zum Staatssekretär in deren Augen das absolut falsche Signal. Denn eine Beförderung wird immer auch als Belohnung verstanden selbst dann, wenn sie in der Sache richtig und beamtenrechtlich geboten sein mag. Maaßen war daher in den Augen der Meute durch den Dienstag-Beschluss nicht, wie gefordert, abgestraft, sondern belobigt worden. Und das ging nun gar nicht, weil es die Legende vom unfähigen, nazi-unterstützenden Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz untergraben hätte.

Kein demokratischer Anstand
Der Fall Maaßen: Politischer Bankrott von Merkel und der SPD
Deswegen kroch Nahles, als sie den Druck ihrer Ralfs und Kevins nicht mehr aushalten konnte, bei Merkel und Seehofer zu Kreuze und bat um Nachverhandlungen. Merkel und Seehofer gaben sich gnädig, verhandelten ein wenig hin und her – und retteten Nahles ihren Posten als Fraktions- und Parteivorsitzende.

Abgestraft war Maaßen mit der nun nicht vorgesehenen Beförderung zwar immer noch nicht – aber die drei von der Zankstelle konnten die Versetzung des Noch-Verfassungsschutzchefs an die unmittelbare Seite des Innenministers dennoch als Sieg feiern. Und dieses, wie Merkel, mit einer öffentlichen Entschuldigung verknüpfen, die beispielsweise ZDF-Redakteur Alexander Gebhardt nicht ohne Süffisanz in einem Bericht als „Reue“ bezeichnete, wozu ihm wiederum der folgende Satz einfiel: „Die Reue ist der Verstand, der zu spät kommt, heißt es. Der Druck muss gewaltig sein …“

Merkels Klarstellung

Tatsache ist: Der Druck muss gewaltig sein. Die Frage ist nur: Welcher Druck? Der Druck dieses Verstandes, der als Reue zu spät gekommen ist – oder der Druck eines von der Kette gelassenen Mobs, der einen öffentlich ohne Verhandlung Verurteilten am Strick sehen, statt ihn auf eine wichtige Position befördert sehen wollte?

Um diese Frage zu beantworten, können wir nun auf die vorgebliche Entschuldigung der Frau Bundeskanzler zurückgreifen. Weshalb diese im Original-Wortlaut vorgestellt werden soll:

„Ich sage ganz deutlich, das Ergebnis vom letzten Dienstag konnte nicht überzeugen. Warum konnte es nicht überzeugen? Wenn ich mich persönlich frage, dann hab‘ ich mich im Zusammenhang mit der Entscheidung vom Dienstag zu sehr mit der Funktionalität und den Abläufen im Bundesinnenministerium beschäftigt, aber zu wenig an das gedacht, was die Menschen zu Recht bewegt, wenn sie von einer Beförderung hören. Und dass das geschehen konnte, das bedauere ich sehr.“

Nicht die Dienstag-Entscheidung war falsch

Wenn wir uns diese Zeilen objektiv anschauen (und nicht – wie die MSM, unsere Wunschvorstellungen in sie hinein interpretieren), dann sagt Merkel folgendes:

  1. Die Entscheidung, Maaßen als Staatssekretär ins Bundesministerium des Inneren zu befördern, war in der Sache richtig.
  2. Weil dem aufgebrachten Volk die Richtigkeit dieser Beförderung nicht vermittelbar war, haben wir sie durch eine unrichtige ersetzt.

Warum das so ist? Nun, wenn eine Entscheidung deshalb getroffen wurde, weil sie „der Funktionalität und den Abläufen im Bundesinnenministerium“ gerecht wird, dann muss sie im Sinne der Funktionsfähigkeit der ministeriellen Abläufe die Richtige sein. Dieses macht auch Sinn, denn nur auf der Ebene eines Staatssekretärs hätte Maaßen für die ihm übertragenen Aufgaben jenes Gewicht gehabt, sowohl innerhalb der Behördenhierarchie als auch gegenüber den ausländischen Gesprächspartnern weisungsgebend aufzutreten. Mit anderen Worten: Die am Dienstag für Maaßen vorgesehene Aufgabe setzte sowohl die Gleichrangigkeit gegenüber künftigen Gesprächspartnern als auch die Nicht-Unterstellung unter die zweite Ebene der Behörde – vertreten durch die Staatssekretäre – voraus, sollte sie im Sinne einer vernünftigen Handlungsmöglichkeit des künftigen Mitarbeiters wahrgenommen werden können.

Wie üblich alle gegen einen
Bei Illner: Jagd auf Maaßen
Verabschiedet man sich von dieser daher in der Sache notwendig richtigen Entscheidung, dann kann eine Entscheidung, die diese ersetzt, eben nicht richtig sein. Folglich können wir feststellen: Aus Sicht der Frau Bundeskanzler war die Sonntag-Entscheidung, Maaßen NICHT zum Staatssekretär zu machen, falsch, denn sie entsprach nicht mehr dem Ziel der Funktionsfähigkeit innerhalb der Abläufe des Hauses.

Kurz: Eine in der Sache vernünftige Entscheidung wurde durch eine unvernünftige ersetzt. Wenn auch aus anderen logischen Konsequenzen heraus, so hat in diesem Falle FDP-Chef Christian Lindner Recht: Es wurde für Maaßen das Amt eines Frühstücksdirektors geschaffen. Dieses aber geschah erst am Sonntag – nicht am Dienstag. Zu jenem Zeitpunkt war den drei Handelnden noch daran gelegen gewesen, mit der Versetzung Maaßens in das Ministerium eine sinnvolle, handlungsfähige Dienststelle zu schaffen.

Warum handeln Politiker wider die Vernunft?

Warum aber handeln Politiker wie Merkel – und damit auch Seehofer und Nahles – nunmehr durch die Frau Bundeskanzler eingestanden, wider die Vernunft?

Auch darauf gab Merkel am Montag die Antwort: Die in der Sache richtige und deshalb vernünftige Entscheidung sei nicht vermittelbar gewesen. Oder mit anderen Worten: Das Volk war zu aufgebracht – oder vielleicht auch zu dumm – um zu begreifen, dass die Entscheidung vom Dienstag die vernünftige und damit die richtige gewesen war. Um dieses Volk vom Aufstand abzuhalten, wurde die vernünftige Entscheidung kassiert und durch eine unvernünftige ersetzt.  Man warf also am Sonntag der Meute den Knochen hin, den es zu verlangen schien. Und tatsächlich: Die Meute griff diesen nun hingeworfenen Knochen begierig auf, und es kehrte, abgesehen von ein paar unbedeutenden Kläffern, Ruhe ein.

Die Bankrotterklärung

Könnte man es bei dieser Feststellung belassen? Ja, vielleicht. Wenn sie nicht ein so erschreckendes Bild unserer führenden Politiker und den Zustand unserer Demokratie zeichnen würde. Denn was lehrt uns dieses Kabinettstück von Vernunft und Unvernunft?

  1. Unsere führenden Politiker haben bei aller Kritik immer noch den Anspruch, vernünftig zu handeln.
  2. Sie sind jedoch zu vernünftigem Handeln nicht mehr in der Lage, weil sie sich am Ende den Forderungen eines aufgebrachten Mobs unterwerfen, und Vernunft durch Unvernunft ersetzen.
  3. Damit werden unsere Politikern von handlungsfähigen und selbstbewusst agierenden Führern zu Marionetten der Plebs. Sie beweisen ihre Unfähigkeit, die vernünftige Handlung zu begründen und durchzusetzen, und unterwerfen sich stattdessen der Unvernunft der Masse. Kurz: Sie danken als führungsstarke Personen ab.

Vor allem der letzte Punkt erklärt, warum die Vertreter und Anheizer der Plebs am Abend des 23. September des Jahres jubeln und mit Merkels Darlegungen sich geradezu in Euphorie versetzen konnten: Sie hatten es geschafft! Sie hatten der Politik wider die politische Vernunft den Willen der Plebs aufgedrückt. Merkel hat es bestätigt. Und damit ihre Unterwerfung unter die Plebs ebenso eingestanden, wie den Bankrott der parlamentarischen Demokratie erklärt. Von einem Willen zur Führung kann insofern bei der Frau Bundeskanzler niemals wieder die Rede sein.