Tichys Einblick
CDU

Laschets erster Mitgliederbrief: Wirtschaft Ja – doch wo bleibt die Freiheit?

Der neue CDU-Bundesvorsitzende Armin Laschet will angeblich die Versöhnung von Industriearbeitern und Klimaschützern. Inhaltlich Verifizierbares fällt ihm dazu nichts ein. Und zur Freiheit des Bürgers schon gar nicht.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Armin Laschet hat sich in seiner neuen Funktion erstmals an die CDU-Mitglieder gewandt. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches. Bereits seine glücklose Vorgängerin hatte das Instrument der unmittelbaren Ansprache ebenso genutzt wie ihr Generalsekretär Paul Ziemiak.

Wie zu erwarten, bedankt sich Laschet „sehr herzlich“ für seine Wahl – bei der allerdings die nun angesprochenen Mitglieder wenig Anteil nehmen konnten. So weit, so normal. Nun allerdings stünde zu erwarten, dass der Aachener einiges an Grundsätzlichem, vielleicht sogar Visionärem mitteilt. Und das versucht er dann auch. Zumindest ein wenig.

Vom Modernisierungsjahrzehnt …

Unter dem Titel „Die Zukunft unseres Landes mutig und innovativ gestalten“ kreiert er das Schlagwort vom „Modernisierungsjahrzehnt“. Das klingt anspruchsvoll und weckt Erwartungen, bei denen der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen gleich vorneweg seine soziale Ader durchblicken lässt: Niemand solle bei der Gestaltung des Modernisierungskonzepts zurückgelassen werden.

Das ist erst einmal typisches Politsprech – denn „niemand“ bedeutet, nimmt man es wörtlich, nicht nur die sogenannten „sozial Schwachen“, sondern umfasst auch jene, die die CDU als „Rechte“ und AfD-Wähler seit geraumer Zeit gezielt ausgrenzt. Insofern dürfte das „niemand“ eher nicht allzu wörtlich gemeint sein.

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Sei’s drum – Laschet versucht sich dabei an einer Art historischem Kompromiss, dem gleichwohl ein gerüttelt Maß an Schielen auf den nächsten Koalitionspartner unterstellt werden darf: „Ich will, dass wir in einem Land leben, in dem sich Industriearbeiter und Klimaschützer nicht unversöhnlich gegenüberstehen, sondern dass wir gemeinsam an innovativen Lösungen arbeiten, die Ökonomie und Ökologie zusammenbringen“, lässt Laschet wissen. Hoffen wir an dieser Stelle, dass die Wahlkampfstrategen der Union daraus nicht den Hashtag #Fedidsiuknug“ zaubern.

Die Versöhnung von Industriearbeiter und „Klimaschützer“ – sprich Umweltaktivist? Das klingt nach der Quadratur des Kreises. Schließlich hat die CDU in den vergangenen Jahrzehnten Innovationen beispielsweise bei der Energieversorgung mit umweltfreundlicher Kernenergie ebenso wie bei der Entwicklung weitgehend klimaneutraler Verbrennungsmotoren gezielt ausgebremst.

Wie diese „Versöhnung“ in der wirklichen Welt tatsächlich aussieht, hat dieser Tage die ausgegliederte Siemens Energy AG wissen lassen: Rund 7.800 Arbeitsplätze werden weltweit der Vernichtung hocheffizienter Energietechnologie zum Opfer fallen – davon allein in Deutschland 3.000. In der Automobilindustrie stehen ähnliche Entwicklungen an – der Umstieg auf den Ressourcenvernichter E-Mobilität mit windabhängiger Steckdose wird nicht ohne Konsequenzen bleiben. Ähnlich beispielsweise bei der Lufthansa – das Ziel der Ökoideologen ist das nachhaltige Herunterfahren des Flugverkehrs und der Mobilität an sich, siehe Homeoffice und Vernichtung des standortgebundenen Einzelhandels. Corona macht es möglich, den „Great Reset“ als angeblichen Neustart der wirtschaftlichen Prinzipien unter staatlicher Lenkung als marktbefreite „Ökologische Marktwirtschaft“ aufs Gleis zu bringen.

… ins Zukunftsland

All das allerdings nimmt Laschet nicht zur Kenntnis. Außer besagter Floskel fällt dem CDU-Chef dazu nichts inhaltlich Verifizierbares ein. Stattdessen hat er gleich das nächste Schlagwort parat: Er will Deutschland zu einem „Zukunftsland“ machen, dass „im Herzen eines handlungsfähigen Europas seinen Beitrag zu einer freiheitlichen und friedlichen Welt leistet“.

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„Zukunftsland“? Geht es nach Merkel, wird aus dem grundgesetzlich verankerten „Land der Deutschen“ ein Land der Einwanderer. Dazu hätte das eine oder andere CDU-Mitglied vielleicht gern etwas gehört. Aber das wäre ja konkret gewesen. Und der Hinweis auf das „handlungsfähige Europa“? Sollte der etwa so zu verstehen sein, dass Laschet die Dauerversagerin, die von ihrer Freundin im Kanzleramt nach Brüssel entsorgt wurde, durch jemanden ersetzen will, der tatsächlich in der Lage ist, „Europa“ (womit vermutlich die Europäische Union gemeint ist) „handlungsfähig“ zu machen? Vermutlich nicht, denn nicht nur, dass ihm dazu jegliche Handhabe fehlt – er dürfte auch kaum riskieren, der nur noch in der EU-Minderheitensprache Englisch parlierenden Parteifreundin aus Niedersachsen ernsthaft an den Karren zu fahren.
Und dann Corona

Selbstverständlich findet Laschet nun den Weg zu Corona, das der gleich einer Staatsratsvorsitzenden agierenden Merkel eine so wunderbare Handhabe zur Überwindung der grundgesetzlichen Freiheits- und Eigentumsrechte geschenkt hat.
„Digitalisierung, Globalisierung und Polarisierung – all das wird durch die Corona-Pandemie weiter angetrieben“, stellt Laschet fest. Es ist zumindest eine ungewöhnliche Zusammenstellung.

Weder ist zu erkennen, wie die durch die Technikfeindlichkeit Grünen über Jahrzehnte behinderte Digitalisierung tatsächlich vorankommt, noch spricht das Hauen und Stechen um die größten Impfstoffmengen dafür, dass die „Globalisierung“ tatsächlich eine Perspektive ist. Ganz im Gegenteil werden Grenzen dichtgemacht, Reisen in ferne Länder verunmöglicht.

Und dann noch die „Polarisierung“. Sie fällt aus dem Rahmen, denn im Sinne des Laschet-Schreibens können Digitalisierung und selbst Globalisierung als positiv konnotiert betrachtet werden. Polarisierung allerdings gilt in der bundesdeutschen Konsensgesellschaft als negativ belastet, denn sie könnte ja Fragen am Regierungshandeln aufkommen lassen. Den linksradikalen Systemüberwindern gilt sie ohnehin als Hochverratsdelikt, sollte sie sich als Widerstand gegen die schwarzrotgrüne Zukunftsagenda manifestieren.

Tatsache allerdings bleibt, dass die „Polarisierung“ maßgeblich durch die Merkel‘sche Politik der Umsetzung der UN-Migrationsagenda befördert wurde – nicht erst durch die „Corona-Pandemie“. So, wie dieses Virus mit seinen „Mutanten“ zwar global agiert, nicht aber die Globalisierung im Sinne koordinierter Kooperation antreibt – und in Sachen Digitalisierung lediglich die jahrzehntelangen Versäumnisse offenbart hat.

Nur in Sachen Finanzen ein wenig konkret

Redet Laschet bislang nur in klassischer Floskelitis um die eigentlichen Probleme herum, so polarisiert er jedoch zumindest in einer aktuell diskutierten Frage selbst. Für ihn sind „wettbewerbsfähige Wirtschaft und solide Finanzen, eine generationengerechte Finanz- und Haushaltspolitik“ als Markenkern der CDU nicht verhandelbar. Das wird die linke Volksfront von SPD über Grüne bis hin zu den Kommunisten freuen – endlich einmal wieder ein Thema, in dem die Protagonisten der Staatsvermögenskonsumtion im anstehenden Wahlkampf gegen die reaktionäre CDU in Front gehen können. Wie Laschet dann allerdings, gleich ob als sogenannter „Kanzlerkandidat“ oder angesichts erfolgversprechenderer Konkurrenz nur als CDU-Vorsitzender die exorbitante Corona-Neuverschuldung rechtfertigen will, wird vermutlich sein Geheimnis bleiben.

Doch auch hier scheint Laschet statt auf Konkretes auf Camouflage zu setzen. Wie ist es zu verstehen, wenn er „das Morgen unseres Landes“ (nicht zu verwechseln mit „Morgenland“) gestalten will, „indem wir Interessen zusammenbringen statt zu spalten, indem wir auf das Verbindende statt auf das Trennende setzen, indem wir in Sprache und Handeln Maß und Mitte bewahren und gleichzeitig Klartext sprechen und entschlossen handeln“?

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Tatsache ist, dass die Merkel-Politik im Geleitzug mit der radikalen, aber einflussreichen Minderheit der Gender, Identitäts- und Partizipierungsideologen seit Jahren erfolgreich an der Fragmentierung der Gesellschaft arbeitet. Hier Klartext zu sprechen und der kontinuierlichen Beugung der Verfassung durch die Umgestaltung eines Schutzinstrumentes des Bürgers gegen den Staat zum polit-ideologischen Instrument der Singularinteressendurchsetzung mittels sogenannter „Staatsziele“ ein Ende zu setzen, wäre mehr als lobenswert.

Doch es steht kaum zu erwarten, dass Laschet dieses längst bestimmende „Trennende“, das längst gezielt und wider den normalen Bürger in das Bewusstsein des Volkes gezwungen werden soll, tatsächlich beenden will. Umso bezeichnender ist es dann eben auch, dass Laschet außer der lapidaren Floskel von der „freiheitlichen Welt“ zum ursprünglichen Kernelement des Grundgesetzes nicht das Geringste einfällt. Ein inhaltsleeres Bekenntnis zur „Demokratie“ – doch nicht eine Zeile zum permanenten Abbau der Freiheitsrechte, zum staatlichen Verstoß nicht nur gegen fundamentale Grundrechte, sondern auch gegen das Recht auf Bekenntnisfreiheit im weltanschaulichen Sinne.

Doch ein wenig Merkel-Kritik?

Stattdessen kommt der neue CDU-Chef zum Abschluss schnell noch auf ein Herzensanliegen: Die – wenn auch nicht wörtlich genannte – Frage der möglichen Kanzlerschaft.

Er sei sich „mit Markus Söder einig, dass die Geschlossenheit zwischen CDU und CSU für die anstehenden Wahlen von entscheidender Bedeutung ist“. Was bedeutet: Sollte die sichtlich ausgelaugte Merkel tatsächlich nicht noch einmal antreten, würfeln der Laschet und Söder die Frage mit dem Kanzlerkandidaten unter sich aus. Wobei Laschet vermutlich hörbar mit den Hufen scharren wird, während Söder vielleicht beginnt darüber nachzudenken, dass derjenige, der die Trümmer der Merkel-Kanzlerschaft wegräumen muss – und dabei voraussichtlich auch noch die Kinderschauspielertruppe von den Grünen an den Hacken hat –, sich dabei nur beschädigen kann. Laschet als Trümmerfrau und Söder als Macher, nachdem der politische Plunder der Ära Merkel weitgehend aus dem Weg geräumt ist? Der Franke hat wiederholt bewiesen, dass seine Flexibilität keine Grenzen kennt.

Warten wir es also ab – auch wenn Laschet mit seinem Mitgliederbrief bislang nur Sprechblasen und Politfloskeln verbreitet hat. Denn immerhin könnten wir, wenn wir nicht nur skeptisch, sondern ein wenig wohlwollend hinschauen, in seinen Sätzen mit den Hinweisen auf Polarisierung, Versäumnisse und Haushaltspolitik sogar einige kritische Ansätze zur Merkel-Politik entdecken. Da allerdings jegliche Konkretisierung im Wörterwald der Sprechblasen untergeht, wäre das vermutlich überinterpretiert.

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