Tichys Einblick
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Papke: „Politischer Selbstmord mit Ansage“

Die Freidemokraten müssen SOS funken: weil sich ihre Wähler von der Ampelpolitik verraten fühlen, droht sie nach 41 Jahren aus dem hessischen Stammland zu fliegen. Der frühere FDP-Fraktionschef Gerhard Papke hat eine düstere Prognose für die Zukunft seiner Partei.

IMAGO / Political-Moments
Die aktuellen Umfrageergebnisse für die FDP kurz vor den Wahlen am Wochenende in Bayern und Hessen sind erschütternd. Im Freistaat liegen sie seit Wochen stabil bei vier Prozent – also klar unter der Fünf-Prozent-Hürde – und fliegen wohl wieder einmal aus dem bayerischen Landtag. Doch noch schlimmer sind die sinkenden Werte für die FDP in einem Stammland wie Hessen, wo sie nur 1982 einmal nicht in den Landtag kam. In den aktuellen Umfragen sacken die Freidemokraten dieser Tage von sieben auf fünf Prozent. 2018 erreichten sie bei der Landtagswahl in Hessen noch 7,5 Prozent.

Ergo, die hessischen Freidemokraten könnten nach 41 Jahren erneut an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Was auch eine riesige Blamage für den Bundesparteichef Christian Lindner wäre.

„Save our Souls“ schallt es durch die FDP-Reihen

Doch wollen FDP-affine Wähler diese Partei retten, die im Schatten einer Ampel-Regierung im Bund, die Rolle der Kampfreserve für ideologische Grüne und eine arbeiterferne SPD übernommen haben?

Als einer der wenigen liberalen Politiker spricht der frühere FDP-Fraktionschef von Nordrhein-Westfalen und erfahrene Wahlkämpfer Gerhard Papke dieser Tage noch Klartext. Er warnt im Gespräch mit Tichys Einblick: Die FDP in Hessen schließe eine Ampel-Koalition mit SPD und Grünen nach der Landtagswahl am 8. Oktober nicht aus. Das sei: „Politischer Selbstmord mit Ansage.“

Das Ampel-Modell auf Bundesebene wäre ja eigentlich für bisherige FDP-Wähler schon abschreckend genug. „Aber die Aussicht, mit einer Stimme für die FDP entweder Frau Faeser oder einen Grünen zum Ministerpräsidenten zu wählen, treibt die Entfremdung der FDP von ihren Wählern weiter auf die Spitze“, betont Papke gegenüber Tichys Einblick.

Das Einzige, was der FDP in Hessen auf der Zielgraden vielleicht noch helfen könne, wäre eine glasklare Absage an eine Zusammenarbeit mit SPD und Grünen. „Als Machtbeschaffer für Grüne und SPD geht die FDP unter: Im Bund, in Hessen, überall“, sagt Papke voraus.

Obendrein wollen die Wähler laut Umfragen offensichtlich keine Ampel. Laut aktueller INSA-Umfrage käme Rot-Gelb-Grün in Hessen nur auf 37 und bei der Forschungsgruppe Wahlen auf 39 Prozent. Das bedeutet: Ein Bündnis nicht auszuschließen, was eigentlich nicht in Frage kommt, ist noch dümmer. Aber so schaut’s aus bei Lindners „Fünf plus x oder drunter“-FDP.

Statista/PolitPro

FDP oder AfD oder Freie Wähler ist für viele die Frage

Parteichef Lindner selbst will ja offiziell keine relevanten Übereinstimmungen von FDP- und AfD-Wählergruppen sehen. Doch es gibt sie halt, wie die Wahl am 14. Mai dieses Jahres in Bremen zeigte. Weil die Alternative für Deutschland nicht antreten durfte, wanderte hier laut Infratest dimap etwa ein Prozentpunkt ehemaliger AfD-Wähler zur FDP und verhalf den Liberalen zum knappen Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde (5,1 %). Diese Wähler waren den Freidemokraten plötzlich sehr willkommen. In Niedersachsen 2022 geschah genau das Gegenteil, da wanderten zehntausende FDP-Wähler zur AfD – siehe Grafik. Ergebnis: Die Freidemokraten flogen 2022 aus dem niedersächsischen Landtag und dieses Jahr bei der Nachwahl aus dem Berliner Abgeordnetenhaus.

Gut ein Prozent von den derzeit verbliebenen FDP-Wählern seien in Bund wie Ländern bereit, die Alternative für Deutschland zu wählen, so die Analyse von INSA-Chef Hermann Binkert im Gespräch mit Tichys Einblick. Hinzu komme: Die FDP habe in Bayern und Hessen gleich zwei konkurrierende Parteien wie AfD und Freie Wähler, zu denen Wähler abfließen könnten. Ebenso seien starke Regierungsparteien wie CDU und CSU in Hessen und Bayern attraktiv für FDP-affine Wähler.

Auch dieser Faktor kann also überlebenswichtige Prozentpunkte kosten.

Wie auch immer – die Wähler haben es am Sonntag in der Hand, ob die FDP dieses Jahr dann bereits in sieben Landesparlamenten nicht mehr vertreten sein wird. Für die drei Landtagswahlen im nächsten Jahr in Brandenburg, Thüringen und Sachsen reicht es derzeit in Umfragen bestenfalls für vier bis fünf Prozent. Das sind nun wirklich keine guten Aussichten.

Denn Energie-, Wirtschafts- und Asylkrise schreitet durch die Ampelpolitik weiter voran, und die FDP ist stets dabei als Kampfreserve von grüner und roter Partei.

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