Tichys Einblick
Ein persönliches Plädoyer

Taiwan: Die Wahlen provozieren China und stärken Bürgerrechtsbewegung in Hongkong

Eine kleine Insel provoziert das mächtige China - Taiwan setzt sich gegen den Alleinvertretungsanspruch Chinas zur Wehr. Mit seiner demokratischen Ordnung ist Taiwan für China eine Provokation und gleichzeitig Vorbild für Hongkong. Das Ergebnis der Wahlen offenbart diesen Konflikt.

Gut eine Woche liegen die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Taiwan nun zurück. Die Bürger in Taiwan haben ihre amtierende Präsidentin Tsai Ing-wen von der regierenden Demokratischen Progressiven Partei (DPP) mit einer überwältigenden Mehrheit von rund 57,1 Prozent aller Stimmen in ihrem Amt bestätigt – und damit China erzürnt. Taiwans Kampf für Unabhängigkeit, Freiheit und Demokratie ist mit den Wahlen dieses Januars also noch lange nicht beendet, viel eher muss man sagen, die nächste Phase hat gerade erst begonnen – und es werden weitere Schlachten zu schlagen sein.

Die Wahl in Taiwan wurde schon im Vorfeld des Urnengangs zur Schicksalswahl erhoben, von internationalen Beobachtern nicht nur als richtungsweisend für das eigene Land, sondern auch als Schicksalswahl für die Demonstranten in Hong-Kong gesehen. Mit dem Wahlergebnis haben die Taiwanesen eine überaus deutliche Sprache gesprochen. Sie haben sich für Präsidentin Tsai als politische Führerin entschieden, die für einen kompromisslosen Kampf für die Unabhängigkeit Taiwans steht. Tsai hatte bereits im Wahlkampf angekündigt, ihre klare Linie nach einem Wahlsieg noch unmissverständlicher und deutlicher fahren zu wollen und um jeden Preis die Unabhängigkeit und Freiheit Taiwans allem Säbelrasseln und möglicherweise bevorstehenden Aggressionen Pekings zur trotz, verteidigen zu wollen.

China sind Präsidentin Tsai und das taiwanesische Volk mit seinem imposanten Demokratiebekenntnis gleich in doppelter Hinsicht ein Dorn im Auge:

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Zum einen, weil Taiwan als blühende, rechtstaatliche und progressive Demokratie gilt und als solche auch immer mehr Ansehen auf dem internationalen Parket erntet. Das hilft auch der Wirtschaft des Inselstaates vor der Ostpazifikküste der Volksrepublik China. Taiwan, das offiziell den Namen Republik China führt, erlebt seit vielen Jahren ein starkes und stetiges Wirtschaftswachstum und gilt als verlässlicher Handelspartner in Fernost. Auch Deutschland macht gerne Geschäfte mit Asiens „grüner Insel“ – Taiwan ist mittlerweile Deutschlands fünftgrößter Handelspartner in Asien und Deutschland ist dessen wichtigster Handelspartner innerhalb der Europäischen Union. Eine blühende Wirtschaft, die Erfahrung von Wohlstand und vor allem von politischer Freiheit, von Menschenrechten und Selbstbestimmtheit hat Taiwan in den vergangenen Jahren ein großes Selbstbewusstsein beschert, das nun auch in der Präsidentschaftswahl Ausdruck gefunden hat: Eine „Ein-China-Politik“ ist für Taiwan keinesfalls eine Option – dafür habe man Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu hart erkämpft, so die Meinung vieler Taiwanesen.

Zum anderen, feuern die pro-demokratischen Wahlergebnisse in Taiwan auch den Konflikt zwischen dem „Reich der Mitte“, als das China sich sieht, und seiner Sonderverwaltungszone in Hong-Kong weiter an. Haben sich die Regierungskräfte aus Peking in den letzten Wochen vor der Wahl in Taiwan doch schwer bemüht eine weitere Eskalation der Gewalt und der Proteste zu vermeiden, muss doch jetzt wieder mit weiteren Aggressionen gegen die pro-demokratischen Kräfte in Hong-Kong gerechnet werden. Taiwan hat mit seinem Wahlergebnis eine Quittung für die Regierung in Peking ausgestellt: Mit einer Regierung, die Demonstranten attackiert, zum Teil schwer verletzt während sie Proteste mit aller Härte niederschlägt, die die Menschenrechte und politischen Freiheiten mit Füßen tritt und sich wenig um internationale Appelle zur Deeskalation und zum diplomatischen Dialog schert, mit denen werde sich Taiwan unter keinen Umständen auf einen „Ein-Land-zwei-System“-Deal einlassen, wie er Taiwan von Peking angeboten wurde.

Die Menschen in Taiwan sehen sich durch die Gewalt in Hong-Kong nur in ihrer Meinung bestätigt: Peking wird dauerhaft seinen Hegemonieanspruch wo nötig auch mit Gewalt durchsetzen – auch wenn es versprochen hat, dies nicht zu tun, ähnlich wie in der Sonderverwaltungszone Hong-Kong. Der Widerstand Taiwans ist für die Demonstranten in Hong-Kong zugleich auch eine Inspiration – und somit doppelt schlecht für China.

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Der Konflikt zwischen China und Taiwan brodelt also weiter, nicht zuletzt auch weil China bereits zum Beginn des letzten Jahres angekündigt hat, man werde sich alle Optionen offenhalten – auch militärische – um Taiwan, das China noch immer als abtrünnige Provinz bezeichnet, „zurückzuholen“. Umso bemerkenswerter ist es doch, dass Taiwan trotzdem mit überwältigender Mehrheit für Präsidentin Tsai votiert hat – und der prochinesische Han Kuo-yu, der als Wunschkandidat Pekings galt, weit abgeschlagen das Feld räumen musste.

China drängt jedoch immer weiter auf eine internationale Isolierung Taiwans, belegt alle, die Taiwan völkerrechtlich anerkennen wollen, mit empfindlichen Wirtschaftssanktionen und belohnt diejenige, die es nicht tun: Zuletzt geschehen im Falle von Panama und Burkina Faso – Wirtschaftshilfe und abhängig machende Kredite seitens Pekings als Gegenleistung für den Botschafterrückzug aus Taiwans Hauptstadt Taipeh. China präsentiert gern, welchen Einfluss es international geltend machen kann, um Taiwan zu schaden und das Land zu isolieren, wobei Peking jedoch darauf achtet, es nicht wirtschaftlich zu ruinieren, denn als Handelspartner ist Taiwan für die Führung in China unersetzbar.

Der Repräsentant der Republik Taiwan in der Bundesrepublik Deutschland, Professor Dr. Jhy-Wey Shieh beschreibt die chinesisch-taiwanesischen Beziehungen deshalb gerne so: Großartig – China ist groß und Taiwan ist artig, denn andernfalls müsse man sich von Peking ernsthaft bedroht fühlen.

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Die Wahlen in Taiwan können nun stückweit als Abkehr von dieser Politik verstanden werden. Es ist fast schon eine kleine Rebellion gegen den großen Gegenspieler direkt vor der eigenen Haustür – eine Rebellion zum Wohle von Demokratie und Freiheit, zum Wohle der Menschenrechte und der Unabhängigkeit.

Ich persönlich fühle mit dem taiwanesischen Volk zutiefst verbunden und setzte mich daher als Vorsitzender des Freundeskreises Hessen-Taiwan e.V. für einen verstärkten interkulturellen Austausch zum Wohle der Völkerverständigung ein.

Als ich das Wahlergebnis hörte, fühlte ich mich an einen Ausspruch unseres ersten deutschen Bundeskanzlers und CDU-Parteivorsitzenden, Konrad-Adenauer erinnert. In seiner Regierungserklärung vor dem Bundestag anlässlich der Unterzeichnung der Pariser Verträge im Dezember 1952 sagte er: „Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit. Wir wählen die Freiheit!“

Ich freue mich sehr, dass Taiwan sich mit seiner Wahl für die Freiheit und gegen die Unterjochung durch China entschieden hat. Ich will mich auch weiterhin auf allen politischen Ebenen für eine Intensivierung des Dialogs mit der demokratisch-verfassten Republik China (Taiwan) einsetzten und um internationale Anerkennung und Unterstützung werben. Ich teile das Streben des taiwanesischen Volks nach Unabhängigkeit und Freiheit und will, dass dieses Streben die nötige internationale Anerkennung erhält – dabei sollten wir Taiwan unterstützen und unser gesamtes politisches Gewicht in die Waagschale werfen.