Tichys Einblick
Wagenknecht-Partei

Eine Sahra macht noch keinen Sommer

Sahra Wagenknecht kann die systemischen Defizite durch die Gründung einer neuen Partei gewiss nicht überwinden. Trotzdem könnte eine mit ihrem Namen verbundene Partei Unruhe stiften. Allein das wäre ein Gewinn.

Sahra Wagenknecht hat die Grünen als die gefährlichste aller Parteien bezeichnet. Recht hat sie. Aber Recht haben könnten ja auch andere Oppositionsparteien, besonders die Union. Aber dazu schweigen sie. Deshalb brauchen wir Sahra.

I.

In der grünen Partei haben Extremisten enormen Einfluss, die nicht anders bezeichnet werden können, denn als parlamentarischen Flügel einer neuen Art von Terrorismus. Sie terrorisieren die ganze Gesellschaft. Sicher ist es nicht, aber auch nicht ausgeschlossen, dass sich der grüne Aktivismus auf „Gewalt gegen Sachen” – Sabotage gegen Energienetze, Behinderung von Verkehr (Bahnstrecken, Straßen) – beschränken wird. Wer den einfachen Leuten das Leben vermiest, übt auch Gewalt gegen Menschen aus. Die Grünen sind Agenten der großen Transformation gegen den Willen der großen Mehrheit der Bevölkerung.

II.

Wagenknecht hat also Recht, wenn sie die Grünen als die gefährlichste aller Parteien bezeichnet. Aber kaum jemand stimmt ihr zu, weil die Rolle der gefährlichsten Partei besetzt ist. Auch aus ihrer eigenen Partei kam sofort der Aufschrei: Die AfD ist es. Nein, ist es nicht, weil die AfD nicht die Macht hat, über die die Grünen verfügen. Weil die AfD und ihr Gottseibeiuns Höcke, selbst wenn sie es wollten, gar nicht so viel Schaden verursachen könnten, wie die Grünen tatsächlich anrichten. Die Grünen regieren mit. Mehr noch. Nicht nur die Parteien der Ampelkoalition sind angesteckt von der antiliberalen, autoritären Ideologie der Grünen. Deshalb schweigen alle anderen, selbst die CDU. Denn ohne die Grünen kann im Augenblick niemand dieses Land regieren. Das macht sie nicht nur übermächtig, sondern eben auch gefährlich. Es ist leider so, dass die anderen, vor allem die früheren Volksparteien, das nicht kapieren wollen.

III.

Wagenknecht hat in manchen Punkten nicht Recht. Ihre prorussische Haltung ist maßlos übertrieben, die neulich in die Behauptung mündete, der Westen führe einen Wirtschaftskrieg gegen Russland. Aber die zunehmend unverschämten Forderungen der Ukraine sind unerträglich, und niemand weist sie zurück. Die Bundesrepublik möchte bitte für den Wiederaufbau eine halbe Milliarde Euro bezahlen – pro Monat. Es ist Wasser auf den Mühlen Sahra Wagenknechts, die auch die einzige nicht „rechte“ Stimme gegen die zentralistischen Deformationen der EU ist. „Frau Wagenknecht spricht dieselben Wähler an wie wir“, meinte deshalb Alice Weidel von der AfD. Deshalb sei die vielleicht entstehende neue Sahra-Partei die größte Gefahr für die AfD. Das ist schon komisch. Falls, was alle anderen Parteien der linksgrünen „Mitte“ täglich beschwören, die Bekämpfung der AfD das wichtigste demokratische Anliegen wäre, müssten doch alle froh sein, wenn Sahra Wagenknecht erst die Linke spaltet und dann gleich auch noch die AfD.

IV.

Nur so simpel ist die Sache nicht. Frau Wagenknecht spricht durchaus Wähler aller Parteien an, die ihr Vertrauen in den Parteienstaat verloren haben. Und die auch in der AfD keine echte Alternative mehr sehen können, je mehr die den Eindruck erweckt, ein von ihrer Funktionärskaste zur Selbstversorgung missbrauchter Haufen zu sein, der es auch nur um Jobs und Subsidien geht, ganz abgesehen von der dumpf-teutonischen Haltung des Vereins. Konservative Wähler haben keine wählbare Alternative und auch eine linksliberale Partei der kleinen Leute gibt es nicht mehr, seit sich die SPD hat asymmetrisch demobilisieren lassen. Am meisten unterscheidet sich Sahra Wagenknecht von den anderen dadurch, dass sie eine unverbesserliche Individualistin ist. Übrigens schon in der DDR, als sie wegen unangepassten Verhaltens nicht studieren durfte, und sie dann aus Trotz dennoch auf Marxistin machte. Ihr exzentrischer Nonkonformismus aber ist ihre größte Tugend in einer intellektuell verödeten Parteienlandschaft.

V.

Es geht in diesem Artikel nicht um die grundsätzliche Dysfunktionalität der Parteien in Deutschlands parlamentarischer Demokratie. Dazu haben an dieser Stelle Fritz Goergen (hier und hier) und Mario Thurnes (hier, hier und hier) Lesenswertes vorgetragen. Hier geht es um die spezielle, persönliche Rolle von Sahra Wagenknecht. Eine Sahra macht zwar noch keinen Sommer. Sie kann die systemischen Defizite durch die Gründung einer neuen Partei gewiss nicht überwinden. Trotzdem könnte eine mit ihrem Namen verbundene Partei Unruhe stiften. Allein das wäre ein Gewinn.

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