Tichys Einblick
Blick zurück - nach vorn

Blackbox KW 35 – Irgendwie dumm gelaufen

Olaf Scholz im unaufhaltsamen Schulz-Zug, Jens Spahn impft „zurück in die Freiheit“, Kubicki patzt. Für die SPD ist 22 das neue 50 und für die Presse ist „Ortskräfte“ das neue „Asyl“.

Das mit Afghanistan sei irgendwie dumm gelaufen, so Dr. Angela Merkel abschließend vor dem deutschen Bundestag, und jetzt ist auch mal wieder gut. Nun sei die „Lage, wie sie ist“, und „hinterher, im Nachhinein alles genau zu wissen und exakt vorherzusehen, das ist relativ mühelos“. Im Nachhinein vorhersehen? Logik à la Merkelèse. Aber alles vorher genau zu wissen – der BND hatte wiederholt gewarnt, Franzosen bereits im Mai reagiert –, und trotzdem nichts tun, das muss ihr erst mal einer nachmachen!

♦ Mein Gott, sie bringt doch auch Opfer! Eigentlich wollte sich Dr. Angela Merkel am Wochenende einen weiteren Ehrendoktorhut in Israel abholen – das müsste die Nummer 19 sein – „doch nachdem sich die Lage in Afghanistan zuspitzt, sieht sie ihren Platz in Berlin“, meldet anerkennend die Welt. Und was will sie da in Berlin groß machen? Beate, was läuft im Kino?

♦ Derweil auf dem Fliegerhorst Wunstorf. Beim zackigen „Hmmm…hmhm“ (Stillgegstanden!) und „Hm Hmhm hm hmhm“ (Augen geradeaus) – entschuldigen Sie die Tonstörung („Maske“) – stand die Truppe bei der Heimkehr aus Afghanistan (ebenfalls FFP2-aufgezäumt) stramm auf dem Platz. Diesmal waren sogar Annegret KK und ihr SPD-Pendant Eva „Hihi“ Högl dabei, und selbst unser Genosse Präsident Frank-Walter, der Letzte, bedankte sich für den Einsatz der Soldaten vor Ort, bzw. auf Instagram.

♦ Afghanistan ist in drei Teile geteilt, deren einen die Taliban bewohnen, den anderen die Anhänger des IS, den dritten jene, die in eigener Sprache Afghanen genannt werden, in unserer aber „Ortskräfte“.
Jedenfalls könnte man das glauben, wenn man unseren aufgeregten Berichterstattern in Presse, Funk und Fernsehen so zuhört. Wie bei Caesars De Bello Gallico stehen handfeste Interessen hinter den Berichten vom Hindukusch. Die (grüne) Linke sieht eine neue Chance zur Destabilisierung der Republik durch weitere Flüchtlingsströme, das gespaltene Zentrum schwankt zwischen Geschäftssinn („sozialer“ Wohnungsbau, Hotels zu „Flüchtlings“herbergen, etc.) und dem Vortäuschen von Großherzigkeit, nicht einmal die AfD traut sich zu einer Aussage wie der Österreichische Innenminister Nehammer sie machte: „Es gibt keinen Grund, warum ein Afghane jetzt nach Österreich kommen sollte.“

♦ Das Problem, das eigentlich keins sein dürfte in einem halbwegs organisierten Staat: Wer oder was sind Ortskräfte, und wenn ja, wie viele? Etwa 5.000 „überwiegend schutzbedürftige Afghanen“ (breiter Pressetenor) und ein paar schwerkriminelle, gerade erst Abgeschobene (nicht so breiter Pressetenor) seien bereits eingeflogen, so wird gejubelt, und zwischen den Zeilen steht: Ortskräfte ist das neue Asyl. Nur Bild, gelegentlich etwas frech in letzter Zeit, mosert: Von knapp 3.600 Afghanen, die seit dem 17. August ausgeflogen wurden, waren nur rund 100 Ortskräfte.

♦ Und jetzt zu etwas völlig anderem. Weil Wahlkampf ist, haben unsere Aktivistinnen vom Staatsfunk ordentlich damit zu tun, den Grünen die richtigen Stichworte für ihre Kampagnen zu liefern. Da erschüttert Tina Hassel (ARD) die rotgrüne Wohlfühloase: „Ich bitte alle, die meine Frage beim Sommerinterview als unangemessen oder gar sexistisch aufgefasst haben, aufrichtig um Entschuldigung.“ Hä? Frau Hassel wird doch wohl keine kritischen Fragen gestellt haben?

♦ Die Grünen wollen 1.000 Euro Zuschuss für die Anschaffung jedes Lastenfahrrads. Für Grünen-Wähler stellt sich nur eine Frage: Passt das Ding in meinen SUV?

♦ Seit Bild auch Fernsehen macht, müssen unsere Politicos mit allem rechnen. Den Armin Laschet hielten sie dort offenbar so lange mit dem Kopf nach unten aus dem Fenster, bis er versprach: „Mit mir wird es keinen Lockdown mehr geben.“ Und Olaf wurde genötigt, zuzugeben: Eine SPD-Regierung mit der SED? Natürlich. „Wer mich wählt, der kriegt auch das, was er bestellt.“

♦ Die Glaskugeln vibrieren, Kaffeesatz und Karten lassen keinen Zweifel zu: Die SPD klettert von 21 auf 24 Prozent. Mindestens. Einige Astrologen sehen gar den Sprung auf 26 vorher, die Experten von Forsa prognostizieren sagenhafte 32 Prozent. Kein Wunder bei diesem großartigen Schulz …
O, halt! Warten Sie! Da haben wir uns doch glatt um ganze vier Jahre vertan und aus dem „o“ ein „u“ gemacht. Na, für 23% ist Olaf Scholz bei Forsa gut – und der hat ja noch gar nicht richtig angefangen!

♦ Für die SPD ist 22 jedenfalls schon das neue 50. Jetzt soll auch Franziska Giffey in Berlin mit 22% vorne liegen, behauptet INSA-Chef Binkert, und er schließt daraus, dass „wenn nichts Unerwartetes passiert“, in Berlin „ohne und gegen die SPD nicht regiert werden kann“. Einspruch. Jeder normal gebliebene Berliner weiß, dass in Berlin auch mit der SPD nicht regiert werden kann.

♦ Viel mediale Aufmerksamkeit bekommt Bayerns Big Mac Dr. Markus Söder nicht gerade bei dem, was er seinen „Wahlkampfauftakt“ nennt. Im „eher tristen“ (Welt) Stadion von Unterschleißheim hat er enge Freunde und Verwandte, sowie die engen Freunde und Verwandten von Dobrindt und Bär (wegen Corona, hust, hust) versammelt. Nur selten kam „etwas Stimmung auf“. Also an Söder liegt es nicht, wenn Laschet doch noch Kanzler wird.

♦ Was Annegret KK für Afghanistan, das ist Jens Spahn für Deutschland, das er „zurück in die Freiheit impfen will“. Denn wer doppelt geimpft ist, dem stehen wieder alle Türen offen – auch die zur Intensivstation. Von den Intensivbehandelten (derzeit 850 Personen bei 80.000.000 Einwohnern) sind, wenn der Jens das nicht durcheinanderbringt, immerhin 80 Doppelgeimpfte.

♦ Die Meldung, dass 61 % der Hospitalisierten in Israel doppelt Geimpfte sind, könnte da verwirren, aber der Focus beruhigt: „Die Zahlen trügen.“

♦ Mehrfach hat Wolfgang Kubicki (FDP) die „Epidemische Lage von nationaler Tragweite“ für verfassungswidrig erklärt – bei der Abstimmung im Bundestag aber fehlte er. Auch deshalb wurde die „Epidemische Lüge von nationaler Tragweite“ verlängert. Danke Wolfgang, danke FDP.

♦ Auch wenn wir uns wiederholen: Diesen Wahlkampf kann die SPD nur noch durch Übermut und Charakterschwäche verlieren. Immerhin hat die SPD-Fraktion eine Ansprechpartnerin benannt, an die sich Genossinnen wenden können, wenn die Genossen mal wieder, hmm … wie sagen wirs jetzt, Genossinnen nachstellen. Gerade rechtzeitig, denn seitdem die Aufseherin im Amt ist, „sind keine weiteren Fälle bekannt geworden.“

♦ Nur Heiko Maas bleibt ein Restrisiko. Dessen Gleichstellungsbeauftragte im A-Amt hat (nach Rücksprache mit seiner Staatsschauspielerin?) einen Leitfaden entwickelt, um mehr „Gleichstellung“ zwischen den Geschlechtern zu erreichen. Männer sollen sich „reflektieren“ und sich ihrer „unbewussten Vorurteile“ gegenüber Frauen „bewusst werden“. Denn: Männer würden es selbst nicht merken, wenn sie Frauen schlecht behandelten (siehe oben, SPD-Fraktion). Dann sollen Männer häufiger den Haushalt machen, damit Frauen seltener an Burnout und Altersarmut leiden. Deshalb müssen wir auch hier Schluss machen: Wäsche und Spülmaschine warten.

* Und am Montag gleich zu Lidl: Die Kekse »Mary & Juana«, der Tee »Tea of Mind«, der Riegel »Raw Cannabis Protein Bar Apple« und das Hanföl »Vita D’or Bio« enthalten mehr THC als gedacht. Gedacht?


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