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Illlegale Migration

Johnson verkündet britische Einigung mit Ruanda: Illegale Migranten sollen ausgeflogen werden

Auch dieses Vorhaben wird wohl noch dem Druck von „Partygate“ zugeschrieben werden. Aber Johnsons Pläne sind älteren Datums. Unter anderem sollen illegale Migranten bald schon ein Asylverfahren in Ruanda bekommen. – In London erging ein Urteil im Terrormord an Sir David Amess.

IMAGO / ZUMA Wire
Boris Johnson macht Ernst mit den Plänen seiner Innenministerin zu einem reformierten Asylsystem im Vereinigten Königreich. Künftig sollen Migranten, die das Vereinigte Königreich über den Kanal erreichen, in das ostafrikanische Ruanda gebracht werden und dort in Asylgewahrsam sitzen. Das sagte Johnson in einer Pressekonferenz in der Grafschaft Kent, in der auch die Hafenstadt Dover liegt.

Johnson verteidigte das Vorhaben, das einstweilen noch im Planungsstadium ist, als „das moralisch Richtige“, das zugleich Ausdruck von Menschlichkeit und Mitgefühl sei: „Wir können nicht zulassen, dass Menschen weiterhin auf hoher See sterben, nachdem sie hohe Beträge an schlimme Menschenjäger gezahlt haben, die ihre Hoffnungen und Ambitionen ausbeuten.“ Johnson sprach auch von einem „barbarischen Handel mit dem menschlichen Elend“, den die Kanalschlepper betrieben.

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Der Ruanda-Plan soll sich auch auf Migranten beziehen, die in Lastwagen versteckt in Großbritannien ankommen. Offenbar plant auch die britische Regierung – ähnlich wie Dänemark in seinem parallelen Vorhaben –, den Asyl- oder sonst einen Schutzstatus nur für und in Ruanda zu gewähren. Eine illegale Einwanderung nach Großbritannien wäre unter diesen Bedingungen kaum noch möglich. Schon soll es auch eine Zusage des ruandischen Ministers des Äußeren und für internationale Kooperation, Vincent Birut, geben.

Das ostafrikanische Land soll dafür anfangs 120 Millionen Pfund vom britischen Steuerzahler erhalten. Innenministerin Prit Patel war jüngst in die ruandische Hauptstadt Kigali gereist, um den Handel abzuschließen. Die Zahl der Migranten, die so nach Ruanda ausgeflogen werden, sei „unbegrenzt“, so Johnson. Zehntausende könnten so in den kommenden Jahren nach Ruanda gelangen.

Royal Navy im Kanal, Auffanglager auf der Insel

Daneben soll künftig die Royal Navy die Verantwortung für den Umgang mit den „kleinen Booten“ im Kanal erhalten. Die königliche Marine soll dafür sorgen, dass „kein Boot es mehr unbemerkt nach Großbritannien schafft“, und wird dafür zusätzlich 50 Millionen Pfund bekommen.

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In Linton-on-Ouse in North Yorkshire soll zudem ein neues Aufnahmezentrum entstehen. Die Rede ist auch davon, dass ankommende Asylbewerber gerechter im Land verteilt werden sollen. Anscheinend ist also noch nicht klar oder nicht sicher, dass alle ankommenden Migranten auch nach Ruanda gebracht werden. In seiner Ansprache in Kent betonte Johnson aber, dass sich für alle, die versuchen, das britische System zu umgehen oder zu missbrauchen, kein „automatischer Weg“ zu einer Ansiedlung im Land eröffnen soll. Zumindest wenn es nach ihm und Innenministerin Priti Patel geht.

Jedenfalls sollen die Migranten auch in Großbritannien nicht mehr in teuer angemieteten Hotels untergebracht werden, sondern in Auffanglagern nach griechischem Vorbild. Athen hat auf den Inseln der Ägäis inzwischen eine Anzahl „geschlossener Zentren“ errichtet. Die Unterbringungsart wird im Deutschen auch „Asylgewahrsam“ genannt und ist auch in Polen die Regel.

Vorerst sieht allerdings auch Johnson keine Entspannung an der Kanalküste voraus. Die Ankünfte könnten, so der Premier, bald auf 1000 pro Tag ansteigen. Johnson erwartet zunächst eine Flut von Klagen gegen die von ihm angekündigten Maßnahmen von einer „formidablen Armee politisch motivierter Anwälte“. Seine Regierung sei auch darauf vorbereitet, das Gesetz zu ändern, wenn das für seinen Erfolg notwendig sei. Der Premier warnte aber vor „Stereotypen“ über Ruanda. Das Land habe sich in den letzten Jahrzehnten sehr gewandelt. Bislang hatte vor allem Australien mit einem ähnlichen Modell Erfolg bei der Abschreckung illegaler Bootsmigranten.

Urteil gegen den Mörder von David Amess

Vielleicht ist es mehr als symbolisch, dass einige Tage zuvor der Mörder des konservativen Abgeordneten Sir David Amess verurteilt wurde. Am 15. Oktober letzten Jahres hatte sich der IS-Anhänger Ali Harbi Ali aus Nord-London Zugang zum Wahlbüro des Politikers verschafft, das sich in einem Kirchenbau in Essex befand.

Die Richter brauchten nur 18 Minuten, um Ali für Mord und die Vorbereitung eines Terroraktes zu verurteilen. Sein Strafmaß ist lebenslänglich ohne Chance auf Bewährung oder Haftminderung. Der Brite somalischer Herkunft wird also den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen. Er hatte mehr als 20 Mal mit einem Messer auf Amess eingestochen.

Die Angehörigen des Opfers konnten nach dem Urteil von keiner „Erhebung“ berichten: „Es bricht unser Herz zu wissen, dass unser Ehemann und Vater seinen Mörder mit einem Lächeln begrüßte und vermutlich zu jeder Hilfe bereit war.“ Der Gedanke an das, was dann geschah, sei unerträglich. „Es ist jenseits von böse.“

Dem Gericht sagte der Angeklagte, dass er verschiedene Politiker als Ziele erwogen hatte, darunter auch den damaligen Kabinettsminister Michael Gove, der inzwischen für Wohnungsbau und „Levelling up“ zuständig ist. Auch Labour-Abgeordnete sollen ins Visier des Mannes geraten seien. Angeblich wollte Ali sich mit der Tat speziell für Luftangriffe auf Syrien rächen. Er zeigte keine Reue: „Wenn ich gedacht hätte, dass ich etwas Falsches tue, dann hätte ich es nicht getan.“ Angeblich war er davon ausgegangen, als Märtyrer durch die Schüsse der Polizei zu sterben. In Folge der Tat begannen andere Abgeordnete, in Bürgersprechstunden Stichschutzwesten und Alarmvorrichtungen zu tragen. Notizen aus einem vielfältigen Land.

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