Tichys Einblick
Verdacht der politischen Justiz in Italien

Richter über Salvini: „Jetzt muss man ihn angreifen“

Italienische Richter und Staatsanwälte haben offenbar intern zugegeben, dass die Vorwürfe gegen Oppositionsführer Salvini nur politisch motiviert sind. Jetzt steht die Regierung vor einer Zerreißprobe.

Matteo Salvini

imago images / ZUMA Wire

Dass Italien zum Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten wird, zumindest was die politische Landschaft in Europa betrifft, wird immer offensichtlicher. Offen bleibt nur noch herauszufinden, welche obskuren Kräfte ihre Finger im Spiel haben. Silvio Berlusconi, Gründer und Anführer der Forza Italia, sah zu seinen besten Zeiten in Italien als Ministerpräsident stets die Gesamtlinke als Verdächtigen, die konservativen Regierungen zu unterminieren, beziehungsweise den Obersten Gerichtshof mit den roten Toga-Trägern. Er hielt sie alle für kommunistisch angehaucht, wenn ihm, Berlusconi, Urteile nicht passten, oder gar gegen ihn selbst, den erfolgreichen Selfmade Milliardär, ermittelt wurde.

Umso erstaunlicher, dass der Oppositionsführer und ehemalige Innenminister im Kabinett Conte I, Lega-Chef Matteo Salvini, ganz ruhig bleibt derzeit, obwohl ihm die neuesten Nachrichten wahrlich in die Hände spielen. Immerhin, mit einem Brief an Italiens Präsidenten Sergio Mattarella intervenierte der Legaboss dann doch.

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Und es kamen Steine ins Rollen, ja, es wurde ein Richterbeben ausgelöst, sogar politische Neuwahlen könnten die Konsequenz daraus sein. Die italienische Vereinigung von Richtern und Staatsanwälten stehe vor der Auflösung, wie Ansa, die italienische Nachrichtenagentur, noch zur späten Stunde am Samstag berichtet.

Doch der Reihe nach.

Matteo Salvini mit seiner Lega sowie die Verbündete Giorgia Meloni von der Partei Fratelli d‘ Italia (FdI) stehen auch als Opposition bei den Italienern hoch im Kurs. Die große Pandemie-Krise mit dem Erlahmen des öffentlichen Lebens für über sechs Wochen hat die Opposition um Salvini und Meloni etwas ausgebremst. Politische PR und Attacken aus dem heimischen Wohnzimmer und nur via Social Media zu fahren, ist nicht so leicht. Leben doch beide Leader der Rechtskonservativen auch davon, auf Tuchfühlung zu den Bürgern zu gehen. Das Bad in der Menge musste aber ausfallen.

Am 2. Juni soll es wohl wieder so weit sein, wenn auch unter starken Corona-Sicherheitsvorkehrungen, dafür aber an mehreren Plätzen verschiedener Regionen Italiens. Statt Flaggen der Partei werden ausdrücklich grün-weiß-rote Nationalflaggen erwünscht. Ein Tag der (unzufriedenen) Italiener soll es werden, bei denen eine Corona-Soforthilfe – so wie in Deutschland – nie wirklich angekommen ist.

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Bis zum 2. Juni wird sich dann aber auch die aktuelle Meldung die Runde gemacht haben, resultierend aus abgefangenen WhatsApp-Meldungen, die sich Richter und regionale Staatsanwälte, sowie Regierungsvertreter zugeschickt haben sollen. Einige Print- und Onlinemedien berichteten nämlich darüber und bestätigten, was viele Bürger und auch Salvinis Sympathisanten (europaweit) längst vermuteten: Matteo Salvini als „Rechtspopulist“, müsse unter allen Umständen verhindert, ja, angeklagt werden.

Der Justizminister, Alfonso Bonafede, der Fünf-Sterne-Bewegung angehörend, gerät auch immer mehr unter Rechtfertigungsdruck, welche Art von Richtertypen er am höchsten italienischen Richterrat beziehungsweise bei den Regionalgerichten so zulässt. Als Matteo Salvini noch Innenminister war an der Seite der Fünf Sterne, und zwar anno 2018, wurde der Legachef ständig von Richtern wegen seiner klaren Haltung mit verabschiedeten Dekreten zu den Porti chiusi, den geschlossenen Häfen angegriffen.

Angespitzt oft von den Mittelinks-Regionalregierungen, kam es sogar zu Anzeigen und Ermittlungen von Staatsanwälten gegen Salvini, mit dem Haupt-Anklagepunkt der Freiheitsberaubung von Migranten.

Salvini, auch weil ihm der ehemalige Koalitionspartner (die Fünf Sterne) in den Rücken gefallen ist, machte sich im Dezember und Januar bereits auf seinen Prozess vor dem Gericht bereit, das ihn im Fall der Migranten auf dem Schiff „Gregoretti“, anhören wollte – obwohl damals alle Entscheidungen im Innenministerium mit den Regierungspartnern abgestimmt worden waren. Der Verdacht lag nahe: Es ging allein darum, Salvini und erst Recht Neuwahlen müssten verhindert werden.

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Dann kam das Corona-Virus dem Anti-Populismus vor Gericht zuvor. Nun berappeln sich die Regierenden und die Opposition wieder, Lockerungen stehen auch in Italien scheibchenweise an. Manche sind kaum nachzuvollziehen in der Logik. Und das Volk murrt unzufrieden. Matteo Salvini dagegen ist beliebter denn je, wie die Umfragen belegen. Deshalb ist auch umso wichtiger, das sich einige Medien der Berichte angenommen haben, dass eben diese Togaträger im Gericht, die stets öffentlich den Finger auf den Legaboss gerichtet hatten, insgeheim und unter Kollegen sehr gut wüssten, dass der ehemalige Innenminister Salvini, nichts falsch gemacht hatte.

Die Reporter der Zeitung La Verità (Die Wahrheit), enthüllten WhatsApp-Mitschnitte und legten die Karten auf den Tisch. Die Analysen der WhatsApp-Chats belegten, wie die Robenträger offen ihre Meinung kund taten, dass Salvini zwar nichts falsch gemacht habe, aber dennoch gnadenlos angegriffen werden müsse. Darunter einige bekannte Protagonisten der regionalen Jurisprudenz. Selbst Staatsanwälte.

Einer wendet sich in der WhatsApp an den selbst zweifelhaften Präsidenten des Richterrats, dazu noch Friedensrichter und Schlichter Luca Palamara, der selbst vor Jahren der Korruption verdächtigt wurde, mit folgenden Worten: „Es tut mir leid zu sagen, dass ich nicht wirklich sehe, wo Salvini falsch liegt. Es werden illegitime Versuche unternommen, nach Italien einzureisen und der Innenminister greift ein, um dies zu verhindern. Und ich verstehe nicht, was der Agrigento-Staatsanwalt damit zu tun hat.” Die Staatsanwaltschaft von Agrigent hatte auf einer Klage gegen Salvini insistiert.

Palamaras Antwort dürfte auch für Justizminister Bonafede ungemütlich werden: „Du hast recht. Aber jetzt muss man ihn angreifen.” Die Diskussion geht laut La Verità weiter und der genannte Staatsanwalt ist voller Zweifel, es könnte ein gefährlicher Bumerang sein, Salvini weiterhin wegen der Einwanderung anzugreifen. Auch weil ein Großteil der Bürger (aber auch Richter) wie er, Salvini, denke. Nämlich, dass er es sehr richtig gemacht habe, die illegalen Migranten zu blockieren.

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Und die WhatsApp-Nachrichten kommen nun, wie es scheint, auch mit voller Wucht als Bumerang zurück. Denn Matteo Salvini selbst fragte danach nur (gespielt?) verwundert, auf den Social Media und auf Facebook in seine Gefolgschaft der Follower hinein, ob das im Italien von heute noch normal sei, dass sich Richter und Staatsanwälte dem Druck der Politik quasi beugten und offen darüber redeten, ihn, Salvini, zu attackieren?

Ja, Salvini intervenierte dann auch per Brief bei Staatspräsident Sergio Mattarella, auch andere Oppositionsparteien und freie Bürger taten das. Und der Whistleblower unter den Richtern und Staatsanwälten legte wohl noch weitere Informationen offen, wie über Posten der Staatsanwälte in Hotelzimmern entschieden wurde.

Was nun auseinander fällt, ist die derzeitige Führung des unabhängigen Justizverbandes, die noch vor nicht allzulanger Zeit einen Justizskandal um den zwielichtigen Richter Palamara überstanden hatte. Der Präsident der Richtervereinugung, Luca Poniz und dessen Generalsekretär Giuliano Caputo sind bereits zurückgetreten. Nach der Veröffentlichung der „Chat-Lauschangriffe“ ist noch abzuwarten, wie sich die Vereinigung der Richter und Staatsanwälte neu konstituiert.

Luca Palamara, entschuldigte sich bei Matteo Salvini, er habe für die Institutionen und den Lega-Chef immer größte Achtung übrig gehabt. Salvini kann nun vermutlich seinem Prozess wegen der geschlossenen Häfen relativ entspannt entgegenblicken.

Die Regierung Conte dagegen steht vor einer Zerreißprobe. Neuwahlen könnte es vielleicht demnächst nicht nur in der italienischen Richtervereinigung geben

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