Tichys Einblick
Afghanistan

Pandschir fällt, Deutschland zahlt – und Merkel bekommt eine Einladung von den Taliban

Außenminister Heiko Maas versprach für den Fall der Machtübernahme der Taliban: "keinen Cent mehr nach Afghanistan". Doch Merkel hat klargemacht: Deutsches Steuergeld wird im Rahmen der Vereinten Nationen auch künftig in den Hindukusch fließen. Die Taliban sagen schon, Merkel sei bei ihnen willkommen.

Heiko Maas und Angela Merkel im Bundestag,

IMAGO / Future Image

„Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern,“ sagte einst Konrad Adenauer und fügte hinzu: „nichts hindert mich, weiser zu werden.“

Vergessen wir den zweiten Halbsatz, den der kluge Mann in weiser Selbsterkenntnis sagte, so gilt der erste Teil seit langem für die Halbwertzeit von Politiker-Aussagen. Dabei belassen wir es – denn träfe auch der zweite Teil zu, so wäre dieses eine in jeder Hinsicht unzulässige Behauptung, die jenes bildungs- und charakterschwache Politikpersonal der Gegenwart hoffnungslos überbewerten müsste.

Merkel zieht den Maas-Stöpsel

Einmal mehr mit dem Geschwätz von gestern, an das er sich heute nicht mehr erinnern will, glänzt gegenwärtig die größte Fehlbesetzung auf dem Ministerposten des Außenamts, die sich die Bundesrepublik seit ihrer Gründung jemals geleistet hat. Gänzlich überfordert im Totalversagen seiner selbst und seines Hauses angesichts des Dramas in Afghanistan, verkündete er kurzer Hand: „Wir werden keinen Cent mehr nach Afghanistan geben, wenn die Taliban komplett übernommen haben, die Scharia einführen und dieses Land ein Kalifat wird“. So gesprochen am 12. August 2021 im Morgenmagazin von ARD und ZDF.

430 Millionen Euro hat die kleine Bundesrepublik laut Angaben von Maas bislang jährlich in Afghanistan im wahrsten Sinne des Wortes als Entwicklungshilfe in den Karst gesetzt. Die Kosten für den Bundeswehreinsatz, den 59 Soldaten mit ihrem Leben bezahlten, nicht gerechnet.

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Dieses Geld, welches wahrlich beim Wiederaufbau nicht nur an der Ahr weitaus sinnvoller verwandt werden konnte, wollte Maas nun vollmundig streichen. Die gerechte Strafe dafür, dass die bösen Taliban es so fürchterlich eilig gehabt hatten, die Macht im Lande an sich zu reißen, und Maas unerwartet mit heruntergelassenen Hosen dastand. Versagt hatten die höchstamtlich zuständigen, politisch entmannten Geheimdienste ebenso wie die Verantwortlichen im Auswärtigen Amt am Werderschen Markt, welches nicht nur die Aufgabe hatte, Deutsche vor der Gefahr zu bewahren, sondern auch den sogenannten Ortskräften Visa für die Ausreise nach Deutschland auszustellen. Die regelmäßige Versorgung der Bundesregierung mit fachkundigen Lageberichten – ebenfalls Fehlanzeige. Und so plusterte sich der schmächtige Saarländer wieder einmal kräftig auf – bis ihm Merkel umgehend den Stöpsel zog und die nicht mehr ganz so heiße Luft mit lautem Zisch entwich.
Cash trotz Taliban

Einmal abgesehen davon, dass die Entwicklungshilfe überhaupt nicht in das Aufgabengebiet des Mannes fällt, der im Besucherfoyer seines Ministeriums einen lebensgroßen Starschnitt aufgestellt hatte, mit welchem sich seine Bürgerfans für die Daheimgebliebenen fotografieren konnten – seine vollmundig angekündigte Strafaktion war auch offensichtlich nicht abgesprochen. Denn schon am 25. August ließ die Frau Bundeskanzler wissen: Das von den USA geplante Abzugsdatum dürfe nicht das Ende der Hilfen bedeuten! Also weiter Cash in die Taliban-Täsch – und das auch deshalb, weil der supranationale Regierungenverein mit der Bezeichnung Vereinte Nationen festgestellt hatte: Werden die Zahlungen eingestellt, dann wird das gewaltsam durchgesetzte Herrschaftssystem in Kürze zusammenbrechen und die Hälfte der Afghanen den Hungertod erleiden. Weil das nicht sein darf, kippte nun auch Maas schnell und artig. Am 3. September ließ er sich mit dem Satz zitieren: „Es ist keine Zeit, Wunden zu lecken!“ Die gestoppten Entwicklungshilfe-Zahlungen, für die das Auswärtige Amt immer noch nicht zuständig ist, könnten weitergehen, wenn die Taliban Menschen- und Frauenrechte wahrten. Was nur so zu verstehen ist, dass die Bundesregierung den Tod der Hälfte der afghanischen Bevölkerung gern in Kauf zu nehmen bereit ist, wenn die Islam-Machos nun wieder ihre koranischen Traditionen aus dem Frühmittelalter durchsetzen wollen.

Nur Geld macht Einfluss möglich

Falsche Prioritäten
Direktzahlungen für die Taliban, Spendenaufrufe für Flutopfer
Selbstverständlich gehört auch dieser Satz schon morgen in die Rubrik des Geschwätzes von gestern – denn ebenso selbstverständlich wird die Bundesrepublik das einzige Faustpfand, welches sie noch hat, um zumindest einen kleinen Teil der westlichen Gesellschaftsvorstellungen über den Steinzeit-Islam zu retten, schnell aufgeben, wenn tatsächlich die ersten Hungertoten vermeldet werden sollten oder Ströme Hungernder sich aufmachen, um im Leidenstreck via Iran und Türkei in Richtung EU zu ziehen. Dabei – man mag das hören oder nicht – ist der Geldhahn das einzige Mittel, um noch ein wenig Einfluss auszuüben. Denn tatsächlich ist das karge Land am Hindukusch außerstande, seine gegenwärtig fast 40 Millionen Menschen aus eigener Landwirtschaft zu ernähren. Nicht umsonst lag die Anzahl der Bewohner über Jahrhunderte deutlich unter der 7-Millionen-Grenze und explodierte erst nach 1970 auf das heute mehr als vierfache.

Wird der Saarländer also zulassen, dass die Afghanen das ernten, was sie ohne westliche Aufbauhilfe niemals hätten befürchten müssen? Allein unter der hegenden Pflege der NATO hatte sich die Bevölkerungszahl verdoppelt – wäre es also moralisch vertretbar, diese Entwicklung durch das Streichen jeglicher künftigen Hilfe ungeschehen zu machen? 

Soweit mag das One-World-One-People-Herz der globalen Menschenrechte nicht einmal in seinen ärgsten Alpträumen denken. Also wird die Bundesregierung auch künftig kräftig Millionen in den Hindukusch lenken. Schließlich hat der UN-Verein bereits zum 13. September nach Genf geladen. In einer „Humanitären Konferenz“ soll wieder einmal gesammelt werden: „Die Konferenz wird sich für eine rasche Aufstockung der Finanzierung einsetzen, damit die lebensrettende humanitäre Operation fortgesetzt werden kann“, lässt UN-Chef Antonio Guterres wissen und kündigt schon einmal an, dass es mit den deutschen 430 Millionen Entwicklungseuros im Jahr künftig nicht mehr getan sein wird.

Merkel assistierte am 5. September: „Was die Taliban anbelangt, ist es so, dass wir natürlich mit ihnen reden müssen, weil sie jetzt diejenigen sind, die man ansprechen muss.“ Die normative Kraft des Faktischen zeigt Wirkung umso mehr, als die Taliban nun verkünden ließen, dass sie auch das Pandschir-Tal (TE berichtete) eingenommen hätten. Nachrichten, die, sollten sie zutreffen, jede Chance auf ein modernes Afghanistan zunichte machen – und dennoch den Argwohn der nicht minder radikal-islamischen, aber schiitischen Nachbarn im Iran wecken, denen eine geschlossene sunnitische Macht mit US-Ausrüstung an ihrer Ostgrenze offenbar Unbehagen bereitet, weshalb offiziell bedauert wird, dass der Konflikt nun gewaltsam gelöst wurde.

Gleichwohl: Merkel wird wieder einmal großzügig Geld zusagen, zu dessen Vorhandensein sie nicht das Geringste beigetragen hat. Und damit die Chance vergeben, tatsächlich etwas der hehren deutschen Ziele, auf deren ausdrücklichen Wunsch laut Ex-US-Botschafter John Kornblum die Idee eines afghanischen Nation-Building zurückzuführen ist, gegenüber den neuen Machthabern durchzusetzen. Denn kommt das Geld erst von der UNO, dann braucht es Berlin nicht mehr.

Afghanischer Honig für Berlin

Noch nicht so ganz verstanden haben diese Abläufe die neuen Machthaber in Kabul. Wohl wissend, dass Hungeraufstände sie schnell um ihre Macht bringen könnten, verteilen sie Hochlandhonig an die gierigen Mäuler in Berlins Ministerien. Die Deutschen seien in Afghanistan schon immer willkommen gewesen, verlautet es nun aus Taliban-Kreisen. Vergessen die Anschläge auf die Bundeswehr. Dazu sei es nur gekommen, weil „die Deutschen sich leider den Amerikanern angeschlossen haben“. Das aber sei nun vergeben – dass die willkommenen Deutschen den Attentätern vergeben, wird dabei als selbstverständlich vorausgesetzt.

Nur Unbedenkliche in die Staaten
Manche US-Flüchtlinge aus Afghanistan bleiben in Deutschland
Um die Sache rund zu machen und in der Erwartung, sie mit einem gefüllten Geldsäckel anreisen zu sehen, laden die neuen Machthaber nun sogar die Frau Bundeskanzler nach Afghanistan ein. „Angela Merkel würde besonders herzlich aufgenommen werden. Wir würden uns wirklich sehr über sie freuen“, ließ Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid via Axel-Springer-Verlag wissen. „Wir wollen eine voll und ganz sichere Umgebung hier in Afghanistan – das von allen Ländern der Welt akzeptiert wird, und an das die Staats- und Regierungschefs glauben.“

Macht die Angst vor dem wirtschaftlichen und humanitären Zusammenbruch die Allah-Krieger beweglich? Sollten sie in den vergangenen 20 Jahren tatsächlich etwas begriffen haben und sogar bereit sein, eine unverhüllte Frau als gleichberechtigten Partner zu empfangen, während ein afghanischer Schüler ihrer Tradition in Berlin grundlos eine Gartenpflegerin nur deshalb niedersticht, weil sie ohne männliche Begleitung ihrer Arbeit nachgeht?

Noch steht die Antwort aus dem Bundeskanzleramt aus – doch wir dürfen sicher sein: Die BRD-Millionen werden auch dann künftig fließen, wenn Merkel auf die Einladung verzichten sollte. Die Erwartung, dass damit westliche Werte durchzusetzen sind, sollte allerdings zu den Akten gelegt werden. Weder werden die Schüler Mohammeds, die gegenwärtig Frauenrechts-Demonstration nur mit Reizgas bekämpfen, über ihren radikal-islamischen Schatten springen, noch wird es der Bundesregierung wirklich darum gehen, ob irgendwelche afghanischen Frauen künftig korrekt gegendert werden und an die Universitäten dürfen. Hauptsache, man kann sich ein wenig humanitär auf die Schulter klopfen und die Schmach der militärischen Niederlage vergessen machen. 

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