Tichys Einblick
Neues Asylgesetz soll die AfD ausbremsen

Die Ampel sucht ihr Heil im europäischen Asylsystem

Angesichts drohender Wahlerfolge der AfD versucht die Ampelregierung mit Hilfe einer Reformierung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) eine neue Brandmauer gegen Rechts zu errichten. Doch auch dieser Versuch wird wohl eher scheitern als gelingen.

IMAGO / Steinach

Nachdem die mühsam aufgebaute, bisherige Brandmauer gegen Rechts bei den Unionsparteien immer mehr bröckelt und bei immer mehr Wählern inzwischen schon längst eingestürzt ist, wird das von den EU-Innenministern nach wie vor nicht verabschiedete, neue Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) von den immer panischer werdenden Ampelparteien als eine Art neue Brandmauer gegen die drohenden Wahlerfolge der AfD in den anstehenden Landtagswahlen und der Europawahl gefeiert. Laut Umfragen von INSA und Civey halten inzwischen acht von zehn Deutschen die AfD für die Partei mit der größten Kompetenz in Asyl und Migrationsfragen, obwohl sie den ihr so zugewiesenen Kompetenzvorsprung noch nirgendwo praktisch unter Beweis stellen musste. Von daher kann man wohl davon ausgehen, daß dieser Vertrauensbeweis vieler Wähler nicht in Erfahrungen mit der praktischen migrationspolitischen Lösungskompetenz der AfD als vielmehr darin gründet, daß sie den etablierten Parteien eine solche inzwischen überhaupt nicht mehr zutrauen.

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Damit allein ist es aber nicht getan. Sieben von zehn derjenigen Bürger, die die AfD wählen oder angeben, sie wählen zu wollen, erklären zudem, daß sie sich wünschen, daß sie Regierungsverantwortung mitübernimmt. Damit erweist sich das weit verbreitete Narrativ, ein Großteil der AfD-Wähler wähle die AfD nur aus Protest und wolle gar nicht, dass sie (mit-)regiert, wohl als ein Pfeifen im Walde der polit-medialen Kämpfer gegen Rechts, denen die Felle immer mehr davonzuschwimmen drohen. Das Prinzip der Realitätsverweigerung beherrscht so mittlerweile nicht nur die Wahrnehmung der Stimmung gegenüber ihrer Asyl- und Migrationspolitik sowie ihrer Klima- und Energiepolitik, sondern auch gegenüber ihrer Ausgrenzungspolitik bezüglich der AfD.

Als Antwort auf die polit-medial beschworene Brandmauer gegen den alternativen Newcomer rechts der Union bilden inzwischen immer mehr Wähler eine Art Cordon Sanitaire gegen alle Versuche der etablierten Parteien, die AfD als verfassungsfeindlich aus dem demokratischen Wettbewerb einfach auszusondern. Gleichzeitig akzeptieren diese Parteien innerhalb der als Wertegemeinschaft beschworenen EU andere rechte Parteien als demokratisch legitimierte Verhandlungspartner. Viele Wähler wollen sich angesichts einer solchen Bigotterie offenbar auch in Deutschland nicht der Möglichkeit berauben lassen, in demokratischen Wahlen für eine Partei zu stimmen, von der sie sich derzeit nolens volens am ehesten versprechen, daß sie in Fragen der Zuwanderung und des Klimaschutzes ihren Interessen am besten Geltung verschaffen wird. Diese Wähler deswegen zu rechtsextremen Demokratiefeinden abzustempeln, ist ebenso anmaßend wie von Verachtung gegenüber einem beachtlichen Teil der Wählerschaft geprägt.

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Das wirft zum einen die Frage auf, ob sich die selbsternannten Verteidiger der Demokratie nicht selbst durch jene „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ auszeichnen, die sie pauschal den AfD-Wählern vorwerfen; darüber hinaus stellt sich die Frage, wie es um ihr Demokratieverständnis bestellt ist, wenn sie versuchen, den in Wahlen zum Ausdruck kommenden Widerstand gegen die derzeit herrschende Politik dadurch zu brechen, daß er als demokratiefeindlich disqualifiziert wird. Dieses Vorgehen richtet mittlerweile auf Seiten der Ampelregierung mehr Schaden an, als es ihr nützt.

Immer mehr Wähler durchschauen den offenkundigen Versuch, jegliche Kritik an der Ampelregierung, die nicht aus ihrem eigenen Lager kommt, als rechtsextrem und verfassungsfeindlich zu stigmatisieren, um so das Entstehen einer Mitte-Rechts-Regierung in Deutschland auf alle Zeiten zu verhindern. Sie widersetzen sich dieser Praxis zusehends selbstbewußter und offener. Das mühsam aufgebaute Kartenhaus des Kampfes gegen Rechts, an dem auch die Unionsparteien sowie die FDP zu ihrem eigenen Schaden kräftig mitgebastelt haben und weiterhin mitbasteln, droht so allmählich in sich zusammenzufallen.

In ihrer immer größer werdenden Not setzt die Ampelregierung nun in ihre (letzten) Hoffnungen auf ein restriktiveres Gemeinsames Europäisches Asylsystems (GEAS). In seinen wesentlichen Bestandteilen widerspricht dieses System freilich ihrer bisherigen Asyl- und Migrationspolitik, die unter Führung von Innenministerin Nancy Faeser und Außenministerin Annalena Baerbock in Siebenmeilenstiefeln nachgerade in die entgegengesetzte Richtung marschierte. Beide Ministerinnen bedienten mit ihren asyl- und aufenthaltsrechtlichen Erleichterungen des Zuzugs nach und des Aufenthalts in Deutschland seit ihrer Amtsübernahme die Interessen einer wachsenden Asyl-Diaspora. Deren Mitglieder können inzwischen schon nach drei Jahren das volle Wahlrecht erhalten. Hinzu kommen die ebenso lautstarken wie einflußreichen Organisationen einer zivilgesellschaftlichen Asyllobby, die sich in Gestalt von politischen Vorfeldorganisationen der Grünen und der SPD betätigen und von ihren Ministerien deswegen mit erheblichen Finanzmitteln ausgestattet werden.

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Entsprechend laut ist nun der Aufschrei dieses rot-grünen Refugee-Welcome-Klientels, nachdem die beiden Ministerinnen entgegen ihrem Willen vom Kanzler die Order erhielten, sich einem restriktiveren Vorgehen zum Beispiel an den europäischen Außengrenzen nicht mehr zu widersetzen, um in den beiden Landtagswahlen am kommenden Sonntag in Bayern und Hessen nicht ein rot-grünes politisches Waterloo erleben zu müssen. Inwieweit dies kurz vor den Wahlen noch hilft und die Grünen wie die SPD mit ihrer vom Kanzler erzwungenen Zustimmung zur Planung einer restriktiveren Asylpolitik nicht sogar Verluste bei der eigenen Klientel erleiden werden, wird man bald wissen. Noch interessanter ist freilich ein weiterer Wahltermin.

Mit Blick auf die im Mai nächsten Jahres anstehende Europawahl soll das neue GEAS laut den Ampelparteien erklärtermaßen dafür sorgen, daß die AfD nicht so erfolgreich wird, wie es ihr die Wahlumfragen derzeit vorhersagen. Das soll die öffentliche Botschaft bewirken, dass selbst die überaus asylfreundlichen Grünen und die SPD dem von ihnen nicht nur praktizierten, sondern auch stets hochgehaltenen Laissez-faire in der Asyl- und Migrationspolitik inzwischen abgeschworen hätten. Doch auch dieses Kalkül steht auf ausgesprochen tönernen Füßen. Zum einen werden sich viele Wähler fragen, was von einer asylpolitischen Wende zweier Parteien zu halten ist, die diese offenkundig nicht aus Überzeugung, sondern aus bloßem wahltaktischen Kalkül vollzogen haben. Sie könnte auch zu einem weiteren Trigger im allmählichen Verfall des Vertrauens in die etablierten Parteien werden, der ohnehin schon sehr weit fortgeschritten ist.

Und zum anderen ist es auf dem Gebiet der Asyl- und Migrationspolitik sehr wahrscheinlich, daß das neue GEAS, sollte es überhaupt zustande kommen, unabhängig von seiner inhaltlichen Ausgestaltung ein ebensolcher Papiertiger wird wie seine Vorgänger. Die Vorstellung, ein von so unterschiedlichsten Interessen beeinflußtes und deswegen konfliktbehaftetes Thema wie Flucht und Migration in einem transanationalen Raum von 27 souveränen Nationalstaaten einheitlich steuern und betreiben zu können, widerspricht so ziemlich allen organisationspraktischen Erfahrungen und organisationswissenschaftlichen Erkenntnissen, wie wir sie aus Großorganisationen jedweder Art kennen.

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Das ergibt sich schon allein aus dem Umstand, daß zum Beispiel die Einstellungen zur irregulären Asylzuwanderung zwischen den Bürgern der verschiedenen EU-Staaten sehr unterschiedlich, um nicht zu sagen gegensätzlich ausgeprägt sind. Während in Deutschland trotz aller Wahl- und Umfrageerfolge der AfD in breiten Bevölkerungsschichten die Bereitschaft, das bisherige Laissez-faire der GroKo und der Ampel zu befürworten, wenn nicht gar zu fördern, nach wie vor groß ist, sieht dies nicht nur in Ungarn und Polen, sondern inzwischen auch in den meisten anderen EU-Staaten ganz anders aus. Die Regierungen aller EU-Mitgliedsstaaten müssen in nationalen Wahlen ihren Bürgern und nicht einer abstrakten EU-Wertegemeinschaft Rechenschaft ablegen. Nur hier entscheidet sich auf demokratische Weise ihr zukünftiges Schicksal, nicht bei den bloß scheindemokratischen Wahlen zum EU-Parlament.

Die EU-Regierungen haben deswegen das geltende Asylrecht schon immer unterlaufen oder ignoriert, sobald sie fürchten mussten, daß seine Anwendung sie zu Hause zu viele Stimmen kostet. Dies zu unterbinden, wäre nur möglich, wenn die Mitgliedstaaten in Fragen der Asyl- und Migrationspolitik weitgehend entmachtet oder von der EU-Kommission so an die kurze Leine gelegt werden, dass ihnen ihr Selbstbestimmungsrecht weitgehend entzogen wäre. Vermehrt zu beobachtende Versuche in diese Richtung bergen allerdings das Risiko in sich, daß der Selbstbestimmungswille der Bürger der betroffenen Länder noch mehr als ohnehin schon angestachelt wird und zu einer zusätzlichen Stärkung asylkritischer Parteien in diesen Ländern führt.

Hinzu kommt, daß die einzelnen Mitgliedsländer ihre nationalen Asylgesetze und -praktiken aus guten Gründen auf ihre jeweiligen wirtschaftlichen und sozialen Möglichkeiten und Rahmenbedingungen angepasst haben. Sie versuchen so sicherzustellen, daß sie zu ihren spezifischen nationalen Gegebenheiten passen und ihnen nicht widersprechen. Auch dies kann weiterhin nur gelingen, wenn sichergestellt bleibt, daß nationale (dezentrale) Entscheidungsbefugnisse und Handlungsmöglichkeiten nicht durch transnationale (zentrale) Vorgaben untergraben werden. Großkonzerne verzichten deswegen bei Aufgabenstellungen, die in hohem Maße von örtlichen Bedingungen abhängen, aus gutem Grunde auf eine zentralisierte, einheitliche Steuerung aller Standorte von oben. Zu oft haben sie schon Schiffbruch damit erlitten, daß sie bei solchen Aufgaben in deren Tagesgeschäft hineinregieren wollten.

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Einen solchen Schiffbruch erlitt die EU auch schon mit ihren in den 1990er Jahren geschaffenen asylpolitischen Dublin-Regeln. Anstatt daraus den Schluß zu ziehen, es lieber stärker den Mitgliedsländern zu überlassen, wie sie ihre Asyl- und Migrationspolitik regeln und gestalten, soll nun ein erneuter Anlauf in die genau entgegengesetzte Richtung unternommen werden. Die meisten Mitgliedsländer lassen sich dadurch allerdings nicht daran hindern, ihre eigenen, nationalen Wege weiterzuverfolgen, wohl wissend, daß sie schlecht beraten wären, sich beim Thema Asyl und Migration auf die EU zu verlassen. Die meisten EU-Regierungen verfahren so zweigleisig, immer die jeweilige nationale Wählerschaft und ihre eigene Zukunft vor Augen. Welches Gleis im Konfliktfall Vorrang bekommt, liegt deswegen auf der Hand.

Einzig die deutsche Ampel sucht ihr Heil derzeit offenbar (noch) vor allem im geplanten neuen GEAS. Ob es ihr dabei tatsächlich darum geht, die Asylzuwanderung in die EU zu reduzieren, muß insbesondere bei den grünen und sozialdemokratischen Ampel-Partnern bezweifelt werden, die sich mit Blick auf ihre asylbegeisterte Wählerklientel bei jeder Gelegenheit ihrer extremen Weltoffenheit beim Thema Asyl rühmen. Sicher ist nur, daß alle drei Ampelpartner inständig hoffen, mit dem Verweis auf die Planung eines restriktiveren GEAS einen Durchmarsch rechter Parteien, allen voran der AfD, bei der kommenden EU-Wahl verhindern zu können. Doch selbst wenn die ganze Ampel ernsthaft daran interessiert sein sollte, mit Hilfe einer neuen GEAS die irreguläre Asylzuwanderung in die EU nachhaltig zu reduzieren, gilt das alte britische Sprichwort: The proof of the pudding is in the eating. Mit anderen Worten: erst bei der Umsetzung zeigt sich, ob ein neu geschaffenes System das hält, was es verspricht. Das wissen auch die meisten Wähler, nicht nur in Deutschland.

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