Tichys Einblick
Schlicht und ergreifend unlauter

Stiftungen und Studien: Medien lassen sich am Nasenring führen

„Die vollständige Studie liegt noch nicht vor.“ Macht nichts. Hauptsache schön übersichtlich. Noch besser mit kleinem Buffet und Getränkestand. Die geladenen Medien nippen und tippen brav ein paar Zeilen. Wenn dann viel später doch noch eine vollständige Studie vorgelegt wird, who cares?

© Getty Images

Die Kritik an Studien privater Stiftungen reisst nicht ab. Hier bei TE haben wir etliche genauer unter die Lupe genommen und keine gefunden, die nicht irgendeiner zweifelhaften Agenda folgt, schlampig gearbeitet ist oder auf „Befragungen“ basiert, welche bei näherer Beschau das Gegenteil von repräsentativ sind.

Nun sind nicht nur wir es leid, auch die Studienmacher dachten sich wohl: Ach, wenn wir unsere Erzeugnisse regelmäßig um die Ohren gehauen bekommen, warum überhaupt noch so tun, als ob? Warum Sorgfalt vortäuschen, wenn, was wir abliefern, auch ohne bezahlt und von den Medien gefressen wird?

Die Uni-Bielefeld, die häufiger Stiftungen zuarbeitet und daraus ein schönes Geschäftsmodell gemacht hat, läuft vorne weg und liefert jetzt frech eine unvollständige Studie ab. Dem Auftraggeber stört’s nicht, er ruft zur Pressekonferenz, um vorzustellen, was noch nicht vorstellbar ist, was in dieser Form keiner kritischen Betrachtung unterzogen werden kann.

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Lapidar schreibt man dazu: „Die vollständige Studie liegt noch nicht vor.“ Stört aber auch niemanden! Der Presse werden Teile der Studie nebst seitenlangen Powerpoint-Grafiken vorgelegt: wenig Inhalt, dafür knackige Grafiken, so, als wäre man eine elegante Werbeagentur, die Kunden nicht langweilen möchte mit zu viel Blabla. Hauptsache schön übersichtlich. Noch besser mit kleinem Buffet und Getränkestand. Die geladenen Medien nippen und tippen brav ein paar Zeilen. Wenn dann viel später doch noch eine vollständige Studie vorgelegt wird, who cares? Es wurde ja schon alles so gesagt bzw. abgeschrieben, so, wie von den Studienmachern extrahiert. Darf man das unlauter nennen? Man muss sogar.

Konkret geht es hier um die Studie „Trügerische Erinnerungen – Wie sich Deutschland an die Zeit des Nationalsozialismus erinnert“ für die Stiftung EVZ (Erinnerung, Verantwortung, Zukunft) aus dem Köcher der Universität Bielefeld, die den Status quo der deutschen Erinnerungskultur untersucht haben will. In Bielefeld verantwortlich für solche Power-Points sind Prof. Andreas Zick und Dr. Jonas Rees, Ansprechpartner der Stiftung ist Dr. Andreas Eberhardt.

Prof. Zick kennen wir zum Beispiel aus launigen Kommentaren zur Wohnungsnot oder als gern gesehenen Gast der Amadeu-Antonio-Stiftung. Im Duett sind uns Rees wie Zick schon als Mittäter dieser unsäglichen „Mitte-Studie“ begegnet, an der wiederum u.a. die Böll-, die Brenner-, und die Luxemburg- Stiftungen beteiligt waren.

Nun fragen wir einfach mal nach bei der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“, fragen, wann die der Presse vorgestellte halbfertige Studie denn in einer Endfassung vorliegen würde. Zunächst einmal wird die Rumpf-Veröffentlichung damit gerechtfertigt, dass man rechtzeitig vor dem 13. Februar an die Öffentlichkeit gehen wollte. Wenigstens mit einem Zwischenstand.

13. Februar? Na klar, Jahrestag des Beginns der Bombardierung Dresdens. Diesen Termin vor Augen, war Grund genug für die Stiftung, ihre Studie „Trügerische Erinnerungen – Wie sich Deutschland an die Zeit des Nationalsozialismus erinnert“ in einer Pressekonferenz anzubieten. Die Befragungen des von den Bielefeldern wiederum beauftragten Instituts – also das Fundament der gesamten Studie – lag zu diesem Zeitpunkt aber erst ein paar Tage vor. Alles musste also ruckzuck gehen.

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Aber kann man so eine Studie mit glühend-heißer Nadel stricken? Welt, Zeit, FAZ usw. – den Leitmedien war es jedenfalls ausreichend genug, ausführlich zu berichten. So schrieb beispielsweise Die ZEIT, es sei eine Studie „veröffentlicht“ worden. Aber wie kann etwas veröffentlicht sein, das noch gar nicht vorliegt? Es soll sogar noch Monate dauern, wie die Stiftung EVZ auf Anfrage telefonisch mitteilt. Gut, man sei darüber nicht glücklich, aber der 13. Februar sei halt so wichtig gewesen.

Die Schnellanalyse der taufrischen Befragungen reicht für ein pressekompatibles Fazit wie dieses hier: Es gibt eine nicht unwesentliche Verschiebung in der Selbstwahrnehmung der Deutschen: „In der Rückschau sind die Deutschen von einem Volk der Täter zu einem der Helfer, Helden und Opfer geworden.“

Nein, solche Halbstudien kann man nicht ernsthaft kritisch kommentieren, merken wir an. Aber niemand zwinge uns, wir könnten doch später schreiben, wenn der vollständige Bericht vorläge, empfiehlt in etwa die Pressestelle der Stiftung EVZ – und wie sie es sagen, schwang da sogar Ironie mit? Humor haben sie also: Wir sollen Monate nach allen anderen Medien berichten. Empfiehlt ausgerechnet eine Stiftung, die einem Datum hinterherhetzt, als säßen sie an irgendeinem wichtigen Newsdesk und der Chef vom Dienst würde anhaltend mit den Füßen stampfen und aufgeregt auf die Uhr zeigen.

Obwohl es sich aus genannten Gründen verbietet, hier dennoch ein einziger kurzer Kommentar zur halbfertigen Studie:

Was sofort auffällt ist ein gravierende Denkfehler, eine Auslassung, die sich durch das zieht, was (bisher) vorgelegt wurde: Nämlich die Frage, wie viele der rund eintausend zufällig telefonisch Befragten aus Migrantenfamilien stammen. Wurde das überhaupt abgefragt? Sind es zwanzig Prozent? Oder gar dreißig? Aber genau das ist doch entscheidend, wenn man zum Schluss kommen will: „In der Rückschau sind die Deutschen von einem Volk der Täter zu einem der Helfer, Helden und Opfer geworden.“, wie Andreas Eberhardt, der Vorstandsvorsitzende der Stiftung EVZ für Die ZEIT zusammenfasste.

Aber was für ein Unsinn ist das dann insgesamt? Welche Aussage wird da gefällt, wenn die Vorfahren von zwei- oder dreihundert von eintausend Befragten mit dem Nationalsozialismus so viel zu tun haben, wie alle anderen befragten Deutschen mit beispielsweise der Geschichte des osmanischen Reiches und seinen Verwerfungen?

Wird das alles noch nachgearbeitet? Alles ein großer Versuchsballon? Frei nach dem Motto: Hauptsache zum Jahrestag der Bombardierungen was auf dem Teller. Hauptsache, die Presse frisst dankbar ein paar der gefällig aufbereiteten Kuchendiagramme aus der schnell hingeschusterten Powerpoint-Präsentation.

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Ein großer Mist. Aber auch Nahrung für jene, die von solchen Studien behaupten, sie würden immer nur den schon im Vorfeld erwünschten Ergebnissen folgen. Nun können hier Wetten angenommen werden, dass in einem Endprodukt, so jemals eines erscheint, die Frage mit den Migranten abgearbeitet sein wird. Denn so wird offensichtlich neuerdings mit Kritik an solchen Studien verfahren: Sie werden in der Nachbearbeitung negiert. Ergo sind alle Kritiker gleichzeitig Mitwirkende der Studie wider Willen. So, als wäre so eine Studie ein Bauvorhaben mit Nachbesserungsklausel. Nur dass so etwas auf dem Bau seit jeher Teil der Abmachung mit dem Bauherren ist.

Die Medien haben brav berichtet, was die Stiftung an vorsortierten Bröckchen hingeworfen hat, die sie für berichtenswert hält. Erwähntes 34-seitiges Powerpoint-Memo zieht schon das Fazit. Auf Grund welcher Fakten lässt sich nicht nachprüfen, ebenso wenig die Vorgehensweise der Erhebung. Wie die Interpretationen überhaupt zustande gekommen sind? Ach, daran bastelt man noch bis irgendwann, am Ende interessiert es ja sowieso keinen mehr.

Die Stiftung holt sich Applaus ab dafür, dass sie erzählt, wie schon gesungen wird, aber keine einzige Note ist zu hören. Ein Science-Fiction. Eine halbfertige Studie vor sich hergetrieben vom Willen, ein bestimmtes Datum in Dresden pressewirksam zu kommentieren. Und damit wäre dann die politische Aufgabe erfüllt?