Tichys Einblick
#digitalLINKS

Linke digitale Revolution aus dem 3D-Drucker

Spaßiges von Links: Die Linke plant die Digitalisierung des Ackerbaus. Kipping und Co. geben den Glasfasermarshallplan aus dem Karl-Liebknecht Haus in Auftrag. Aber ausgerechnet bei drei ehemaligen Piraten?

© Jens Schlueter/Getty Images

Gut, eines muss man der Partei Die Linke unbedingt zu Gute halten, als Heiko Maas seine Schweinerei engagierte, als man im Windschatten der „Ehe für Alle“ das Netzdurchsetzungsgesetz (NetzDG) legalisierte, da stimmte die Fraktion um Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch dagegen, wo sich beispielsweise die Grünen feige enthielten, um sich ihre Koalitionsoptionen für den kommenden Bundestag bloß in keine Richtung zu versauen.

Die Linke sagte also nein. Zeigte aber bis dato wenig sichtbares Engagement im Digitalen. Wie notwendig das allerdings ist, will man den Anschluss und die Debattenhoheit nicht verlieren, erkannte in der Partei zuerst Katja Kipping, neben Bernd Riexinger eine der Vorsitzenden der Partei.

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Kipping fungiert deshalb jetzt als eine Art Schirmherrin oder Patin des Digitalen, wenn sie über drei ehemalige Piraten ihre Flügel ausbreitet und diese damit beauftragt, für die Linke eine neue digitale Agenda aufzustellen. Einen 10-Punkte-Plan zur Digitalisierung unter dem neuen Branding #digitalLINKS. Schön klingt das sogar, wie kumpel*innenhaft die „rote Katja“ aus Dresden ihre neuen Digitalpiraten im Berliner Karl-Liebknecht-Haus vorstellt:

„Eigentlich waren Anke Domscheit-Berg, Julia Schramm und Martin Delius ja alle mal bei den Piraten. Daher kenne ich sie, aber das ist natürlich eine ganze Weile her. Inzwischen sind die drei bei der Linken und machen da gemeinsame Sache.“

Die fünfte im Bunde ist übrigens die aufrechte Linke Petra Sitte. Die schrieb TE am Tage der Verabschiedung des NetzDG auf Nachfrage per Mail u.a.: „Bis heute fällt es mir schwer, zu akzeptieren, dass sich so viele Abgeordnete für diese Themen kaum interessieren.“ Sitte beschwerte sich zu Recht, dass die große Koalition auf den letzten Drücker ein Mehrfaches an Gesetzesentwürfen eingebracht hätte, als in der gesamten Wahlperiode zusammengenommen. Und Sitte hat sich tapfer durchgekämpft, nur was nutzt es am Ende, wenn die Große Koalition samt Grünen dafür stimmen oder sich enthalten. Da braucht man nicht einmal namentlich abzustimmen, der Fraktionszwang regelt den Rest automatisch.

Petra Sitte ist also ebenfalls Schutzherrin der glorreichen drei Piraten, die nun für die Linke den 10-Punkteplan quasi für eine digitale Zukunft von links entworfen haben. Für Anke Domscheit-Berg geht es um nicht weniger, als eine „Zukunftsvision“. Um den Versuch, „urlinke Ziele mit der Digitalisierung“ zu verbinden.

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Nun ist so ein „10-Punkte-Plan zur Digitalisierung“ nicht ganz neu. Vielleicht hätte man eine alternative Bezeichnung wählen können, denn ausgerechnet die Hinterwäldler in Bayern hatten schon 2015 einen solchen aufgelegt und 2017 noch einmal erneuert und mit satten staatlichen Mitteln ausgestattet. Von drei Milliarden Euro ist in Bayern sogar die Rede. Und von zweitausend neuen Stellen, die geschaffen werden sollen. Klar, hier geht es vornehmlich um den Ausbau des Glasfasernetzes und die Auslobung der so genannten Gigabitgesellschaft. Aber eben auch um die Installation von zwanzigtausend WLAN Hotspots im Lande und noch einmal so vielen an bayrischen Schulen. Was kann man also auf Bundesebenevon links dagegen halten, wenn Bayern von rechts so davonprescht?

Und vor allem, was kann das werden, wenn ausgerechnet eine so umstrittene Person wie Julia Schramm federführend für die neue digitale linke Revolution sein soll? Wir erinnern uns: Frau Schramm, die heute so stolz darauf ist, Karl-Marx mit Designertaschen vereinbaren zu können, postete als Mitarbeiterin ausgerechnet der Kahane-Stiftung so verstörende Tweets wie diese hier: „Bomber Harris Flächenbrand, Deutschland wieder Ackerland“, und „Sauerkraut, Kartoffelbrei, Bomber Harris Feuer frei“ und befand, das sei ein guter und wahnsinnig oft retweeteter Gag.

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Nun also der nächste Gag? Eine Digitalisierung des Ackerbaus? Ein Glasfasermarshallplan finanziert aus dem Karl-Liebknecht Haus zu Berlin? Schauen wir mal. Zunächst einmal lesen wir von der Digitalisierung als Chance, für eine demokratische und solidarische Gestaltung von Produktion und Verteilung gesellschaftlichen Reichtums. Die Digitalisierung selbst sei das Ergebnis sozialer Kämpfe, die das Kapital dazu zwangen, in die Automatisierung von Arbeit zu investieren anstatt in die Ausbeutung der Arbeit.

Das allerdings ist ein kühner Auftakt. Ungefähr so kühn, als würde man von links behaupten, die Globalisierung sei ein Segen und kein Fluch für den deutschen Arbeitnehmer. Als gäbe es keine Auslagerung von Arbeitsplätzen, als gäbe es diese obszöne Kapitalkonzentration im Windschatten der Globalplayer überhaupt nicht. Also im linken Auge. Oder doch. Denn die „Verdammten der Globalisierung“ sind für Katja Kipping ja die Immigranten, die an der libyschen Küste auf ihre Überfahrt nach Europa warten.

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Aber doch, die drei Piraten von der digitalen Tankstelle links außennebst ihren Patinnen Kipping und Sitte sehen durchaus die Fallstricke einer entfesselten Digitalisierung: „Im Kapitalismus tendieren die technischen Potentiale systematisch dazu, in soziale Zumutungen umzuschlagen, wenn sich an den politischen Verhältnissen nichts ändert.“ Technik also per Se erst einmal in den falschen Händen, also tendenziell asozial.

Die zehn Punkte lauten beispielsweise „2. Gute Arbeit, nicht ständig Arbeit“. Hier geht es wohl darum,  Arbeitszeit drastisch zu reduzieren, um allen die „Früchte der digitalen Revolution“ zugutekommen zu lassen. Das allerdings hatte Sascha Lobo schon 2006 über 303 Seiten ausgeschrieben, als er in „Wir nennen es Arbeit“ von einer digitalen Boheme fantasierte, an deren Spitze er sich selbstverständlich selbst etablieren wollte: Eine Entdeckung der Faulheit auf hohem digitalem Niveau also.

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2017 unter dem #digitalLINKS kommt noch das Recht auf „mindestens zwei Sabbaticals (Auszeiten) im Laufe des Erwerbslebens“ dazu und das Recht auf „Nicht-Erreichbarkeit, einen echten Feierabend sowie ein Weiterbildungsgesetz für digitale Arbeit.“ Nun wäre dagegen überhaupt nichts zu sagen, wenn man beispielsweise nicht selbst in der Lage ist, nach 17 Uhr sein Handy auszuschalten, muss es eben der Staat erledigen, aber wer eben noch nicht in der digitalen Boheme angekommen ist, mag sich vorstellen, wie höhnisch das wirken mag auf jene Menschen, die eben noch nicht digital bohemisiert sind, die noch Haare schneiden zum Mindestlohn oder Pakete austragen müssen bei unbezahlten Überstunden, nur damit die Bohemians ihre digitalen Bestellungen schon am nächsten Tag neben dem Lümmelsofa pünktlich angeliefert bekommen von so einem verschwitzten Hinterwäldler im gelben Entchenkostüm – haha.

Unter „3. Emanzipation“ geht es um die Digitalisierung als Motor der Emanzipation und die unglaublich banale Feststellung, dass mehr Verfügung über die eigene Zeit hier ein Tor öffnen kann.

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Unter „4. Mitbestimmen, verändern, verbessern“ heißt es: „Die Digitalisierung ermöglicht uns Möglichkeiten …“ Und diese möglichen Möglichkeiten sind „Open Government und vor allem Transparenz (…) um die Rechte der Bürger*innen zu stärken.“ Wie man nun allerdings so ein Open Government mit Heiko Maas NetzDG zusammenbringen soll, das weiß auch die Linke nicht. Klar, man hat gute Ideen, aber zum Leidwesen der Linken lebt man ja leider auch hundert Jahre nach der Oktoberrevolution noch in der völlig falschen Wirklichkeit. So setzt man auf Software, die allen zur Verfügung stehen soll – „also Open Source“. Was die Microsoft-Office-Pakete angeht, gibt es das immerhin schon mit Open Office, der freien und offenen Bürosoftware. Gut, schnell, bequem und gratis. Visionär aber schon lange nicht mehr.
Die Revolution darf aber nicht fehlen: „6. Digitale Revolution braucht Soziale Revolution“. Hier heißt es: „Die Gewinne der Digitalisierung müssen umverteilt werden.“ Das erkläre mal jemand den Jungs von Amazon, google, facebook und Co, die alles andere im Sinn haben, als ausgerechnet Teilhabe-Geschenke oder Begrüßungsgeld an BRD-Bürger zu verteilen. Im Gegenteil, aktuell hat ein Run darauf begonnen, wer von diesem US-amerikanischen Riesen als erstes die Billion-Dollar-Schranke knackt.

Unsere drei linken Piraten wünschen sich außerdem, dass die Digitalisierung durch soziale Garantien flankiert werden soll, „beispielsweise die soziale Absicherung der zwei Millionen Soloselbstständigen.“ Na klar, wenn der digitalen Boheme der Magen knurrt, sollen es wieder die Steuergelder der Friseusen richten. Oder wer immer dann noch durch diese lästige, diese unangenehme und schnöde Arbeit herkömmlicher Art in den gemeinsamen großen Zaubertrank zu tut.

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Ach so, dann will man noch die Zukunft erfinden, wo es bekanntlich ja mit der Zukunft der Piraten nicht ganz so gut geklappt hatte, weshalb man nun zu den Linken mit der langen Vergangenheit wechselte und dort philosophiert unter Punkt „10. Die Zukunft erfinden! Linke Politik ist Innovationspolitik“: „Wir wollen eine grundlegende Veränderung, um die emanzipatorischen Potentiale der Technik freizusetzen. Jeder Mensch, der eine selbst entwickelte Lösung eines Problems mit einer offenen Commons-Lizenz versieht, verhindert, dass ein Konzern diese Lösung kommerzialisiert.“

Man will Rahmenbedingungen schaffen, „dass Technologien wie der 3D-Druck ihr großes Potenzial für das Gemeinwohl auch realisieren können und nicht durch kapitalistische Marktmechanismen künstlich beschränkt werde“.

Allen Ernstes wollen unsere glorreichen drei Neulinken, dass Bürger sich am 3-D Drucker billigen Wohnraum künftig selber „drucken“. Dafür müsse man dann nur noch den passenden Grund und Boden enteignen. Also die Eigentumsfrage neu verhandeln. Noch besser: „In ein paar Jahren können wir auch transplantierfähige Organe drucken, es müsste nie wieder eine Warteliste für Nieren oder Herzen geben.“

Ach so, zum Schluss des 10-Punkteplans verweist man dann noch auf eine Langfassung dieser digitalen Agenda. Mögen jeder selbst nachlesen, ob hier irgendwas vergessen wurde, das revolutionärer ist, als alles, was es in der Kurzfassung nicht stand und seine Entdeckungen bitte per Kommentar digital mitteilen. Ganz gleich, wo sie schreiben, ob nun auf dem Sofa der Boheme oder in der Kantine ihrer Fertigungsstätte. Ob mit echtem oder schon mit 3D-Drucker-geschlchtsmerkmalen. Eben dort, wo es leider immer noch staubt und die Funken sprühen, wo aber auch all das Geld zusammengetragen wird, das noch die abgedrehtesten Visionen der anderen bitte doch ernähren soll.

Nachtrag: Der Autor hier schätzt Katja Kipping als ernstzunehmende politische Stimme, als Protagonistin der einzigen Oppositionspartei im aktuellen Bundestag. Was sich die engagierte Linke allerdings dabei gedacht hat, diesen Knallchargen von den Piraten nicht nur Obdach zu gewähren, sondern deren Sprachrohr zu sein, erschließt sich ihm leider überhaupt nicht.