Tichys Einblick
Tarnen und täuschen

Fantastisches Berlin: Die potemkinschen Strafkammern des grünen Justizsenators Behrendt

Der Berliner Justizsenator installiert potemkinsche Strafkammern, um Verbrechen zu bekämpfen, die es allerdings laut zurückgehender Berliner Kriminalstatistik gar nicht mehr gibt. Ein Irrsinnskarussell mit eingebautem Dominoeffekt, wenn in Berlin Schwerverbrechen mittlerweile einfach verjährt.

© Adam Berry/Getty Images
Nein, Spaß ist das schon längst nicht mehr, was der Berliner Senat da mit der Sicherheit seiner Bürger veranstaltet. Allenfalls kann der Berliner noch dankbar sein, dass der Wahnsinn in seiner Stadt so schlecht kaschiert wurde, wenn sich jetzt der Justizsenator als großspuriger Baumeister von allerdings potemkinschen Strafkammern erweist.

Richtig gehört: Dirk Behrendt jongliert mit neuen Strafkammern, die er gegen das Berliner Justizversagen stellen will, aber in den Händen des grünen Politikers bleiben diese Kammern schon über mehr als ein Jahr der unermüdlichen Auslobung hinweg reine Luftschlösser.

Waren Ende 2017 schon 17 von 21 allgemeinen großen Strafkammern u.a. wegen Überlastung von neuen Haftverfahren freigestellt, sollen von sechs neuen vom Justizsenator Anfang 2018 zugesagten bzw. geschaffenen Strafkammern bis heute drei nicht einmal existent sein. Ein Strafrichter der ungenannt bleiben wollte und selbst in einer großen Strafkammer sitzt, schrieb bereits dazu: „Diese Kammern gibt es nur auf dem Papier. Und fünf weiteren Kammern bei uns fehlen Beisitzer.“

Nun rumort es unter den Mitarbeitern der Berliner Justiz schon länger. TE sprach dazu wiederholt mit Oberstaatsanwalt Ralph Knispel in seiner Funktion als Vorsitzender der Vereinigung Berliner Staatsanwälte. Knispel sagte schon im Mai 2018, dass er und seine Berliner Kollegen feststellen müssten, „dass die Aufklärung und Strafverfolgung in erschreckendem Umfang nicht mehr sichergestellt ist.“

Und der Oberstaatsanwalt erweiterte seine Kritik noch bis hinüber zu den Justizvollzugsanstalten, wenn er befand: „Dazu gehört unabdingbar die angemessene personelle sowie technische Ausstattung der Vollzugsanstalten, damit die dort Beschäftigten ihrer Tätigkeit in der vorgesehenen Form nachkommen können. Personelle Defizite dürfen dort nicht herrschen und schon gar nicht zu Einbußen für die Sicherheit führen.“

Für Knispel war klar: Auch wenn der Personalnotstand schon älter ist, als der amtierende Senat, „trägt die (aktuelle Berliner Regierung) derzeit die politische Verantwortung und muss sich deshalb an ihrem Handeln messen lassen.“

TE konnte sich persönlich vor Ort vom desolaten Zustand der Räumlichkeiten eines Oberstaatsanwaltes überzeugen, wenn beispielsweise das Mobiliar unwürdig für das Amt erscheint, wenn es großteils aus einer teils abgegriffenen Jugendzimmereinrichtung in Pressspann bestand, vom technischen Equipment ganz zu schweigen.

Aber all diese Missstände sind nichts gegen den erheblichsten von allen, wenn Verfahren von mutmaßlichen Schwerverbrechern aus Mangel an Räumlichkeiten und Personal verjähren und Täter unbestraft in Freiheit entlassen werden. Ein erfahrener Strafrechtler sagte dazu gerade gegenüber dem Tagesspiegel: Obwohl eine Straferwartung von mindestens vier Jahren im Raume stehe, könnten diese Straftaten, egal ob es Betrug, Kindesmissbrauch, Vergewaltigung oder Raub sei, nur verfristet werden. „Die Straftaten werden ungesühnt bleiben und verjähren. Das ist rechtsstaatswidrig.“

Nichtsdestotrotz schmückt sich der grüne Justizsenator unverfroren weiter mit Nichts und gefällt sich in einem wirren Aktivismus, fantasiert von neuen Kammern, die unter seiner Regie eingeführt wurden, die es im realen Leben allerdings zum Teil noch gar nicht gibt. In Sachen Sicherheitsagentur ist das nicht nur das Opium für das Volk, die bekifften Trugbilder werden hier gleich mitgeliefert. Was für ein Trip, Berlin ist ein Irrenhaus. Denn da, wo es vorgibt zu funktionieren, ist es ratsam erst einmal abzufragen, ob hier nicht doch eine grüne Fata Morgana vorliegt.

Derweil kümmern sich die Behörden darum, Kriminalitätsstatistiken so aufzuschreiben, dass vermeldet werden kann: Kriminalität in Berlin weiter zurückgegangen. Das ist das zweite Standbein des Justizsenators: Wenn wir Kriminalität schon nicht mehr verhandeln, dann schaffen wir sie gleich ganz ab. Nein, nicht auf den Straßen, sondern auf dem Papier und in den Presseerklärungen.