Tichys Einblick
Klarsicht täte gut

Linksextremismus? „Oh Schreck, oh Schreck, der Fleck muss weg“

Die dominanten Bilder der Gewalt machten den Gipfel selbst wie die vielen friedlichen Demonstranten fast unsichtbar, dennoch könnten nun lange überfällige Denkprozesse in Gang kommen, hofft Marcel Börger.

@ Odd Andersen/AFP/Getty Images

Der moralische Saubermann-Mythos, der moralische Imperativ der Linken ist durch das Krawallevent des Jahres 2017, die Linke Hateparade Hamburg 2017, ruiniert. Die gewalttätigen Hauptdarsteller aus der Anarcho-Subkultur, die sich natürlich alle als gute oder stramme „Linke“ sehen und sich auch so bezeichnen und ganz sicher niemals in ihrem Leben als Konservative, Rechte, CDUler oder AfDler und niemals nie als „Nazis“, haben dieser Gewaltorgie den überaus vielsagenden Namen „welcome to hell“ zu Deutsch „Willkommen in der Hölle“ gegeben und entsprechend in Szene gesetzt.

So war eine der Demos angemeldet und vom Rotgrünen Senat in Hamburg genehmigt worden. Auf Indymedia.org und anderen Portalen im Internet, bis hin zu den sozialen Netzwerken, wurde das G20-Event seit langer Zeit promotet und die ganze linksextreme, linksradikale, autonome Anarchoszene dieser Welt eingeladen, den Politikern, der Stadt, den Bürgerlichen, den Spießern und natürlich dem Erzfeind Polizei die Hölle zu bereiten, ihre Protesthölle, die Linke Hölle.

Dabei wusste einfach jeder, der sich für G20 interessierte, was passieren würde. Jeder wusste, dass wohl einige tausende Linksextreme/-Radikale kommen würden, dass es einen großen schwarzen Block geben würde und das es linke „Folklore“ gegen die  Polizei, nebst „Entglasungen“ und sicher auch wieder Auto-Brände geben würde, einfach jeder wusste es!

Die Polizei zog eben aus dieser Erwartung heraus zusammen, was sie zusammenziehen konnte oder durfte. Selbst die SPD Altona verrammelte ihr Parteibüro mit Holzplatten, vermutlich eher nicht, weil sie von der Friedlichkeit dieses Spektakels ausging. Jeder der es nur wissen wollte, wusste, dass der schwarze Block sich wie immer vermummen würde, sei es wie bei der alljährlichen 1.Mai-Krawall-Folklore oder wo auch immer die AntiFa oder sogenannte schwarze Blöcke öffentlich auftreten.

Jeder kennt deren Riten, „Folklore“, deren Gewaltbereitschaft, den Dresscode und natürlich kennen die linken Parteien von SPD über Grüne bis zur Die Linke all dies am besten, weil es ihre „Bullytruppe“ ist. Ob sich die einzelnen Mitglieder im schwarzen Block als AntiFa oder Anarchos oder Autonome oder mit einer beliebigen Kombination dieser Begriffe benennen und sich selbst auch so sehen, ist vollkommen belanglos. Jedenfalls verstehen sie sich nie, streng nie, als Hooligans, Faschisten, Rassisten, Nazis oder Rechte, sondern dem linken Lager oder Gedankengut verbunden.

Jeder, der wollte, wusste, was kommt

Im Fußballumfeld sind es die Ultras, also die Antifas mit Fußballpassion, die sich politisch als Gegner der rechten Hools, also sich selbst als politische „Linke“ ansehen. Die Grenzen sind wie immer fließend und sicher kann man zurecht von vielen Graustufen sprechen, aber die Grundpolung zwischen Links/Rechts wird immer irgendwo und irgendwie deutlich erhalten bleiben, sei es über die Symbole oder Allianzen, die man bereit ist einzugehen.

Jeder szenekundige Polizeibeamte oder Sozialarbeiter/Streetworker wird das bestätigen und im Kern gibt es hieran auch seit Jahren nichts zu bezweifeln, es ist halt so. Die „AntiFa“ als Überbegriff hat sich zu einer richtigen Subkultur gemausert, tritt unter ihrem Label, der Rotschwarzen Fahne, auch entsprechend auf, sei es auf der Straße, dem Internet und in sozialen Netzwerken. In jeder größeren Stadt haben sie ihre Häuser, Bastionen oder Stützpunkte, ebenfalls ausschließlich im Umfeld des linksalternativen Milieus, seien es besetzte Häuser oder städtische Jugendclubs oder ähnliche Lokationen in den jeweiligen Stadtvierteln, die niemals bürgerlich oder konservativ oder reich sind …

Der Organisierungsgrad bei „der“ AntiFa und deren Mobilität ist nach meiner persönlichen Einschätzung deutlich ausgeprägter und öffentlicher, als im rechten Milieu, wie z.B. bei den Hooligans. Dies kann ich mir nur durch die grundsätzlich breite Akzeptanz im politisch linken Milieu und mit der Föderung durch linke Parteien oder Ihnen naherstehenden Projekten/Vereinen erklären.

„Links“ ist gesellschaftlich weder geächtet noch verpönt wie „Rechts“, ganz im Gegenteil, weshalb sich Hooligans oder andere „Rechte“ deutlich schwerer tun dürften, annähernd vergleichbare gesellschaftliche oder materielle Unterstützung zu akquirieren. Die „Identitären“ sind seit kurzer Zeit die Einzigen, die sich wie die „AntiFa“ ein eigenes Logo (Kreis mit ^ innen, auf gelben Grund) gegeben haben und dieses Logo ebenfalls öffentlich oder im Netz führen.

Sie selbst ordnen sich nicht dem linken Spektrum zu, aber auch nicht ausdrücklich dem rechten. Ob das englische „Alt-Right“ oder „Patriotische Bewegung“ die „Identitären“ treffend bezeichnen, wäre eine Frage an ihre Vertreter, die sich auch offen zu ihrer „Bewegung“ oder Vereinigung bekennen, wie der Österreicher Martin Sellner. Von einer Vergleichbarkeit auf Augenhöhe, kann meines Erachtens zwischen „der AntiFa“ mit all ihren Absplitterungen und den „Identitären“ derzeit nicht ansatzweise gesprochen werden.

Offensichtlich orientieren sich die „Identitären“ bei ihrer Selbstdarstellung an PR-Aktionen, die früher für Greenpeace typisch waren, z.B. mit Maßnahmen auf Bauwerken wie dem Brandenburger Tor, mit großen Plakaten oder jetzt mit einem Boot gegen die NGOs vor Libyens Küste, die mit ihren sicher zweifelhaften Seenotrettungsaktionen bei der überwiegend schwarzafrikanischen Massenmigration über das Mittelmeer eine erhebliche aktive Rolle spielen. Eine den linken „Mai-Krawallen“ vergleichbare „Folklore“ mit Straßenschlachten gegen die Polizei oder Sachen/Dinge, ist von den „Identitären“ unbekannt, ebenso „bunte“ oder besetzte Häuser wie im urbanen und linken Milieu. Wie sich das mit den „Identitären“ entwickelt, weiß heute natürlich niemand, aber derzeit sehe ich keinerlei Vergleichbarkeit der Milieus, ihrer Methoden und Ausdrucksweisen, ihrer Größe und/oder politischen Einbettung nebst medialer Akzeptanz, bis hin zu materieller Förderung durch Parteien oder gar der Regierung.

Der angebliche „Sturm“ auf das BMJ in Berlin und der „heldenhafte“ Auftritt vom Minister Heiko Maas, der die offensichtlich „hochgefährliche“ Sitzblokade der „Identitären“ durchstaakste, ist ja noch nicht lange her, der mediale Aufschrei noch gut in aller Ohren. Kurzum, jeder denkbare „Whataboutism“ aus linkem Munde muss derzeit versagen. Die Panik im politisch linken Spektrum der Parteienlandschaft, sich von den Krawallen in Hamburg abgrenzen zu wollen und wegen der baldigen Wahl auch zu müssen, ist taktisch nachvollziehbar, bleibt aber sehr wenig glaubhaft.

Die gesamte linksautonome, linksextreme und/oder linksradikale Szene nebst AntiFa, Anarchos und Schwarzem Block ist politisch links orientiert und aufgrund ihrer latenten Gewaltbereitschaft und merkwürdigen „Folklore“ gegenüber dem bürgerlichen Staat und insbesondere der Polizei, als linksextrem bis linksradikal zu bezeichnen. Diese Gruppen sind staatsfeindlich grundgepolt, weil sie unsere Grundordnung als unwert wahrnehmen, diese Staatsform verachten und für alles Übel dieser Welt verantwortlich machen. Nichts desto trotz lässt man sich von diesem „Schweinestaat“ gerne versorgen und aushalten und die linksromantisch orientierten Bürgerlichen machen das auch gerne mit.

Breite linke Szene

Dieses linke, schwarze „Baby“ in seinem rechtsfreien Raum der Parallelwelt seiner Sub(un)Kultur hat politisch drei „Elternteile“ – die SPD, die Grünen und Die Linke. Diese Parteien haben ihr „Kind“ ziemlich offensichtlich gründlich verzogen und können nun den Scherbenhaufen bewundern, den ihre „Liebsten“ angerichtet haben. Sich billig rausreden und einfach mal die „politische Verwandtschaft“ leugnen, wie es nun Stegner, Kipping und Co. durch neue Sprachregelungen versuchen, das können alle drei linken Parteien vergessen, getreu dem (nur politisch gemeinten) Motto „Eltern haften für ihre Kinder“.

Denn jetzt geht es um politische Verantwortung bei den Parteien des linken Spektrums, nicht um die strafrechtliche Verantwortung, die Gerichte klären müssen, wenn man Einzelne ermitteln konnte und Ihnen individuelle Schuld nachweisen kann. Politische Verantwortung und ggf. Rücktritte von verantwortlichen Politikern, von Mitgliedern der jeweiligen Regierungen bei Bund oder Land, sind mittlerweile gänzlich aus der Mode gekommen und erfolgen nur noch aus Krankheitsgründen oder bei strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und selbst dort nicht mehr sofort.

Die Medien fordern eine politische Verantwortung schon lange nicht mehr von politischen „Parteipromis“ ein, relativieren und verharmlosen das offensichtliche politische Versagen sogar von sich aus ganz deutlich. Wenn dann der Vorwurf der Staatspresse, Hofberichterstattung oder Lügenpresse hochkocht, ist man dort sogar noch beleidigt, statt das eigene Verhalten, die verbreitete Lahmheit und die regierungsnahe Angepasstheit, zu reflektieren.

So übel die Hamburger „Hateparade“ war, durch die dominanten Bilder der Gewalt, wodurch der eigentliche Gipfel wie die vielen friedlichen Demonstranten fast unsichtbar wurden, könnte dennoch etwas gutes darin liegen, wenn nun lange überfällige Denkprozesse in Gang kämen.

Marcel Börger seit 1996 Anwalt und seit 1997 in Sachsen niedergelassen.