„Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts in der Welt“, erklärte Reichskanzler Bismarck 1888 im Reichstag angesichts russischer Drohungen und fügte hinzu: „Diese Gottesfurcht ist es schon, die uns den Frieden lieben und pflegen lässt.“
Auf diese – sprichwörtliche – Furchtlosigkeit der Deutschen spielt Steinmeier an, wenn er (fünfmal) auf Deutschlands „widerstandskräftige Bürger“ verweist. Und die Bürger-innen? Sie sind hier natürlich mitgemeint, aber den Luxus des Genderns erlaubt sich Steinmeier in seiner Rede nur gelegentlich, wenn er sich – gewissermaßen als erweiterte Anrede – an die „Bürgerinnen und Bürger“ wendet oder „jeden und jede“. Ansonsten gilt die kommunikative Regel: „Im Ernstfall besser nicht gendern!“, weil das die Aufmerksamkeit der Zuhörer ablenkt und läppisch wirkt.
Steinmeier benutzt deshalb das (sprachübliche) generische Maskulinum, um sich an Männer und Frauen zu wenden: „Diese Zeit, sie fordert jeden Einzelnen“; „Niemandem, der bei Sinnen ist, fehlt der Wille [zum Verhandeln] – aber die Wahrheit ist: Im Angesicht des Bösen reicht guter Wille nicht aus“; „Kein Staat in Europa kann so viel für seine Bürger tun wie unser Land“. (Hervorhebung des Autors)
Fazit: Sprachlich setzt sich der Bundespräsident mit dieser Rede vom Bundeskanzler ab: Beide wollen ein politisches WIR, aber während Scholz offen lässt, wen dieses Wir konkret meint, nennt Steinmeier es beim Namen: „die Deutschen“ – zumindest für den Ernstfall.