Friedrich Merz gilt in der CDU manchen als die Hoffnung für kommende Aufgaben. An Stammtischen schwärmen die Menschen von den Zeiten der zwei Helmute (Schmidt und Kohl). Pro 7 wirbt mit dem Logo und einem Comeback von „TV Total“, der Show von Stefan Raab, und ZDF-Programmchef Norbert Himmler spricht davon, dass „Wetten, dass …?“ dauerhaft zurückkehren könnte. Deutschland sehnt sich nach einer Zukunft der Vergangenheit.
Wie lässt sich der Erfolg von Thomas Gottschalk und seinem Team erklären? Zum einen hat Gottschalk aufgefahren, was sich auffahren lässt: Helene Fischer, Udo Lindenberg und Abba. Ob ihm eine solche Besetzung bei sechs oder zwölf Folgen pro Staffeln immer gelingen würde, bleibt abzuwarten. Zum anderen war die Konkurrenz nicht stark. Das „Supertalent“ oder „The Masked Singer“ schwächeln ohnehin.
„The Masked Singer“ kam zuletzt nicht mehr an die Drei-Millionen-Marke ran. In der direkten Konkurrenz zu „Wetten, dass …?“ reichte es immer noch für über zwei Millionen Zuschauer. Das Format ist zwar unterhaltsam, aber die Münchener übertreiben es mit den Werbeblöcken. Vor allem im letzten Drittel der Folgen werden die Werbefilme nur noch sporadisch von Musikbeiträgen unterbrochen.
Doch die Gründe finden sich nicht nur im Offensichtlichen. Sie liegen tiefer. Deutschland ist ein altgewordenes Land. Das lässt sich leicht in den demographischen Daten ablesen. Doch es geht um mehr als ein biologisches Altsein – Deutschland ist mental alt. Geht es etwa um Freizügigkeit im Film, unterscheiden sich junge Aktivisten von Spießern der 50er Jahre nur durch die Argumentation. Im Ziel, keinen Pfuikram auf dem Bildschirm sehen zu wollen, sind sich Linke von heute und Spießer von gestern einig. Zu einem Samstagabend mit „Wetten, dass …?“ und Schnittchen ist der Weg da gar nicht mehr weit.
3,1 Billionen Euro werden Deutsche zwischen 2015 und 2024 erben. Das hat eine Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorge ergeben. Um das einzuordnen: Das ist deutlich mehr als das Zehnfache der Summe, die El Salvador laut Weltbank im gleichen Zeitraum an Bruttosozialprodukt erwirtschaften wird. Wären die deutschen Erben ein mittelamerikanisches Land, wären sie ein extrem erfolgreiches.
Die Zwänge der Marktwirtschaft sind da weit weg: Produktions-Steigerungen, Wirtschaftskriege um den Zugang zu Rohstoffen oder das chinesische und amerikanische Streiten um die Vormacht auf den Seewegen? Das hört sich alles an wie seelisch grausame Erzählungen, vor die man sich in seinen Schutzraum zurückziehen möchte. Der nette Onkel Thomas in seinen lustigen Klamotten darf da gerne laufen. Passenderweise wirbt das ZDF bereits für ein großes Porträt von Roland Kaiser, dessen Schlager vor allem Ende der 70er Jahre erfolgreich waren.
Zumal der Neugier-Effekt hinzukommt. Nach seinem Aus bei „Wetten, dass …?“ 2010 ging Thomas Gottschalk zur ARD, um dort im Vorabendprogramm eine Internetshow zu moderieren. Über vier Millionen Menschen wollten seinerzeit die Premiere sehen. Danach war es bald nur noch ein Viertel und die erfolglose Show wurde wieder eingestellt. Das ZDF kann „Wetten, dass …?“ wieder zum festen Teil seines Samstagabends machen – aber auch Nostalgie nutzt sich irgendwann ab.