Tichys Einblick
Rente und Bürgergeld: Unbezahlbare Wohltaten

Bei Maischberger: Muss der Sozialstaat auf Diät gesetzt werden?

CDU-Politiker Jens Spahn will Arbeitsverweigerern das Bürgergeld streichen. Lässt sich in Zukunft die Rente finanzieren? Und Satiriker Dieter Nuhr vermisst die mangelnde Unterscheidung zwischen Rechts und Rechtsextremismus. Von Fabian Kramer

Screenprint ARD

Lohnt sich harte Arbeit und das Streben nach Erfolg in unserer Gesellschaft? Diese Frage stellen sich immer mehr Bürger. Durch die enorme Bürgergeld-Erhöhung Anfang des Jahres ist für viele arbeitende Bürger etwas verrutscht in der Gesellschaft. Der Fairnessgedanke ist angegriffen und droht, ad absurdum geführt zu werden. Auch die CDU hat erkannt, dass die Bürgergeld-Erhöhung ein Fehler ist, den man jetzt ausbessern möchte. Zukünftig möchte die Partei Totalverweigerern die Stütze langfristig streichen. Ein Problem dürfte dabei sein, dass es der CDU an willigen Partnern für eine Rückabwicklung des Bürgergeldes fehlt – ausgenommen der AfD.

Das Gerechtigkeitsgefühl geht verloren

An diesem Abend streiten sich der CDU-Fraktionsvorsitzende Jens Spahn und der SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert über das Bürgergeld. Die CDU hat intern Pläne geschmiedet und ein Strategiepapier herausgegeben, um das Bürgergeld zukünftig rückabzuwickeln. „Wir suchen Arbeitskräfte und haben offene Stellen“, beschreibt Jens Spahn die derzeitige Lage. Aus seiner Sicht sei es unverantwortlich, dass nicht viel mehr über die Vermittlung von Arbeitslosen in einen zumutbaren Job gesprochen wird. Er erzählt: „Viele Bürger stellen die Frage, ob die anderen nicht mithelfen wollen.“ Aus Sicht der Union brauche es mehr Anreize für Arbeitslose, um das Gerechtigkeitsgefühl der arbeitenden Bevölkerung zu wahren, findet er.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Doch wie glaubhaft ist die Wandlung der CDU in Sachen Bürgergeld? Noch vor wenigen Monaten stimmte die Partei der Erhöhung des Bürgergeldes im Bundestag zu. Auch im Bundesrat wurde das Bürgergeld nicht von den CDU-Ländern blockiert. Will die Partei nur Wahlkampf machen oder liegt ihr daran ernsthaft?

Erst eine nächste Regierung mit Union wird zeigen, ob die Partei nur die Backen aufbläst oder tatsächlich eine Sozialreform gebacken bekommt. Kevin Kühnert vermutet jedenfalls in den Äußerungen der CDU Wahlkampfgetöse. „Das CDU-Papier ist ein reiner PR-Gag“, ätzt er in Richtung Jens Spahn. Es gebe wenige renitente Verweigerer, meint Kühnert, aber die Mehrheit habe das Bürgergeld dringend nötig. Eine gewagte These. Bei knapp fünf Millionen Transfer-Empfängern gibt es sicherlich mehr als nur wenige Einzelfälle, die die Solidarität der Gemeinschaft zu ihren Gunsten nutzen. Dieser Punkt ist auch der Schwachpunkt des CDU-Papiers. Die Union definiert nicht konkret, was sie sich unter einem Totalverweigerer vorstellt. Beziehungsweise fasst den Rahmen sehr eng.

Wer zumutbare Arbeit ablehnt, dem müsste die Stütze gekürzt werden, definiert die CDU den Verweigerer. Was aber, wenn die Person den Job zwar annimmt, sich aber dann unpünktlich verhält, sich dauernd krank meldet und absichtlich schlechte Arbeit abliefert, um rasch gekündigt zu werden? Wer sich clever anstellt und wer will, muss sich nicht renitent verweigern, sondern sabotiert mutwillig seinen Weg in die Arbeit. Um diese Gruppe dreht sich allerdings wenig in der politischen Diskussion. Wer innerhalb kürzester Zeit einen Job aufgrund seines eigenen Verschuldens verliert und wieder in die Arbeitslosigkeit rutscht, dem müssten für einige Zeit ebenfalls alle finanziellen Mittel eingefroren werden. Doch die Zeiten des Forderns und Förderns sind in Deutschland vorbei.

Im Land des demographischen Albtraums

Unser Land wird älter und älter. Die demographische Entwicklung in Deutschland ist eine tickende Zeitbombe für unsere Sozialsysteme. Immer mehr ältere Bürger stehen immer weniger werdenden Jüngeren gegenüber. Es droht eine finanzielle Mammutaufgabe, um die gesetzliche Rente künftig aufrechtzuerhalten. Kevin Kühnert möchte wie beim Bürgergeld möglichst keine größeren Kürzungen oder Reformen anstoßen. „Die gesetzliche Rente ist keine Gnade des Staates“, findet der Sozialdemokrat. Natürlich hat er recht, aber die finanziellen Mittel für die Rente fallen nicht vom Himmel. Es braucht viele Beitragszahler, die die Rente stützen. Die werden in Zukunft aber fehlen. Deshalb wird es Zeit, über Veränderungen nachzudenken. Im Interesse einer Generationengerechtigkeit muss die Rente zukunftsfest gemacht werden. Jens Spahn möchte die Rente nicht so lassen, wie sie ist. „Es braucht einen fairen Ausgleich“, findet er. „Die Menschen müssen länger arbeiten“, fordert der Münsterländer. Da trifft er mit Kevin Kühnert die falsche Adresse an.

"Generationenkapital"
Rente von der Börse ist eine gute Idee – aber so machen Lindner und Heil die Rentner ärmer statt reicher
Länger arbeiten und später erst eine staatliche Leistung bekommen passt nicht zur heutigen SPD. Denn Kühnert ist ein Verfechter der Rente mit 63. Außerdem braucht die SPD dringend ein Wahlkampfthema, mit dem sie punkten kann. Und ob die CDU sich tatsächlich auf das Schlachtfeld eines Renten-Wahlkampfs begibt, bei dem sie unbeliebte Maßnahmen präsentiert, während die anderen ein angebliches Füllhorn hochhalten, ist stark zu bezweifeln. Es ist davon auszugehen, dass die Rentenpläne stark verwässert werden. Oder die CDU ganz von ihnen lässt.

Insgesamt ist der Disput zwischen Kühnert und Spahn wenig konkret und bringt keine neuen Erkenntnisse ans Licht. Vielmehr liegt der Verdacht nahe, dass man zwar im Wahlkampf polarisieren wird, aber hinterher eine gemeinsame Koalition eingehen wird. Die Moderatorin lässt diesen Aspekt leider außen vor und verpasst es, die beiden nach einer möglichen Koalition zu fragen. Denn dass Kevin Kühnert und Jens Spahn nicht einer Meinung sind, ist keine Überraschung. Aber wie Kevin Kühnert und Jens Spahn in einer möglichen Koalition gemeinsame Politik machen würden, das ist spannend. Spannender zumindest, als die bekannten Standpunkte von Kühnert und Spahn endlos durchzukauen.

Nuhr kritisiert fehlende Extremismus-Trennschärfe der Linken

Medialer Hass gegen Monika Gruber
Wie der "Stern" sich selbst entblättert
Die Nazi-Keule ist ein beliebtes Mittel der politischen Linken, um alles, was rechts der Mitte ist, im Diskurs zu diskreditieren. Deutschlands wahrscheinlich prominentester Kabarettist Dieter Nuhr kritisiert diesen Umstand. Es sei ihm aufgefallen, dass bei den Anti-Rechts-Demos kaum getrennt worden wäre zwischen Rechts und Rechtsextremismus. „Ich habe kritische Fragen zu den Demos“, meint Nuhr. Er finde die Demonstrationen zwar positiv, aber sei nicht hingegangen. „Ich vermeide Menschenansammlungen“, begründet Nuhr. Eine merkwürdige Begründung für einen Mann, der vor hunderten Leuten seine Veranstaltungen macht.

Aber Nuhr hat noch eine zweite Begründung. Er wolle sich mit keiner Sache gemein machen, erklärt der Rheinländer. Im Nachhinein eine kluge Sicht der Dinge. Die Correctiv-Geschichte ist alles andere als sattelfest. Was als dicker Aufmacher um Deportationspläne beginnt, entpuppt sich wenig später als schlecht recherchierte Räuberpistole. Der regierungsnahen Meute reichte die dürftige Story von einer Wannsee-Konferenz 2.0 in jedem Fall, um auf den Straßen gegen ein vermeintlich neues Drittes Reich zu demonstrieren. Es hat immer etwas komisches, wenn die Regierungs-Claqueure gegen die Opposition aufmarschieren. Das kennen die Ostdeutschen aus der DDR.

In der Sendung wird, wie nicht anders zu erwarten, der Kontext der Demonstrationen nicht richtig gestellt. Dem Zuseher wird verschwiegen, dass Potsdam eine große Luftnummer regierungsfinanzierter Journalisten ist. Dieter Nuhr ist ein Gegner der einfachen Wahrheit. Er kritisiert: „Es wird eine Hauptlösung vorgegeben.“ Kritiker dieser Lösung würden systematisch unter den Verdacht des moralisch Minderwertigen gestellt. Seine Worte kann man durchaus als Kritik an der Ampel deuten. Schon in der Vergangenheit wirft Nuhr den Politikern der Ampel vor, sich moralisch über andere zu erheben. Er wolle in Zukunft die Ampel weiterhin scharf kritisieren, meint Nuhr. In seiner Zunft ist er damit eher eine Ausnahme als die Regel.

Anzeige