Tichys Einblick
Unverbindlich bis zur Unkennlichkeit

Hubertus Heil bei Maischberger: Mehr Geld für Hartz-IV-Empfänger

Sozialminister Hubertus Heil (SPD) kündigt bei Maischberger mehr Geld für Empfänger von Grundsicherungen an. Er arbeite an einem Paket, das angesichts steigender Preise Ärmere langfristig unterstütze.

Screenprint: ARD / maischberger

Als Generalsekretär der SPD hat Hubertus Heil die beiden größten Wahlniederlagen der Partei zu verantworten: 2009 mit Frank-Walter Steinmeier und 2017 mit Martin Schulz. Im Rahmen der SPD-internen Versorgungskultur wurde er trotzdem Sozialminister. Er könne sich nach seiner politischen Laufbahn auch eine andere Arbeit vorstellen, erzählt er in der Talkshow. Was das denn sei, hakt Sandra Maischberger mehrfach nach. Das sage er, wenn es soweit ist. Selbst wenn Heil privat wird, bleibt er unverbindlich bis zur Unkennlichkeit.

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Wie Kanzler Olaf Scholz (SPD) spricht Heil so wenig deutlich wie einst das Orakel von Delphi. Es braucht also Leute, die ihn interpretieren. Bei Maischberger sagt Heil: „Wir müssen etwas tun für Menschen in Grundsicherung.“ Das könnte auch bedeuten, dass sozialdemokratische Führungskräfte sich ehrenamtlich engagieren und Langzeitarbeitslosen private Karriereberatung geben. Deutlich wahrscheinlicher aber ist, dass die Bundesregierung an einer Erhöhung der Sätze für Hartz-IV-Empfänger arbeitet.

Dem bald in Kraft tretenden kurzfristigen „Entlastungspaket“ will Heil ein langfristiges an die Seite stellen. Wie das zweite Paket aussehe? Das werde er sagen, wenn es komme. Wann das komme? „Zeitnah.“ Was das bedeute? „In Kürze.“ Für Menschen, die kommunizieren, um verstanden zu werden, mag das vielleicht ausweichend sein. Für den Berufspolitiker Heil ist es schon obszön ehrlich. Für das dauerhafte Paket gelte aber: „Es muss sitzen.“

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Gerne wäre er bei Maischberger, um sich für das Entlastungspaket feiern zu lassen. Doch die Moderatorin tut ihm den Gefallen nicht. Sie fragt nach. Und Heil muss mehrfach eingestehen, dass es Schwächen im Paket gebe – aber dass er grundsätzlich zu dem Paket stehe. So viel Parteisoldat ist er dann doch. Auch wenn ihn das in intellektuell peinliche Situationen bringt: Warum die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel nicht gesenkt oder abgeschafft werde? Weil die Bundesregierung nicht mit der Gießkanne arbeite und Besserverdiener weniger profitieren sollen. Warum dann der Tankrabatt allen gleich zukomme, ob preiswert tanken wichtiger sei als preiswert essen? Da weicht Heil fluchtartiger aus als Scholz auf Fragen nach Waffenlieferungen an die Ukraine. Aber: Er hat gegen keine Sprachregelung verstoßen und ein paar Buzzwörter untergebracht. Für den Politprofi ist der Abend also gut gelaufen.

Für den Zuschauer sind Talkgäste wie Heil wenig befriedigend. Für die Erhöhung des Mindestlohns will sich der Minister feiern lassen. Dass bei Bäckern so nochmal die Kosten steigen und damit auch die Lebensmittelpreise: Auf diese Frage – Überraschung – weicht er aus. Ebenso wie der Frage, warum Rentner im „Entlastungspaket“ von den 300 Euro Energiegeld ausgeschlossen sind. Das sei technisch nicht möglich.

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Maischberger lebt von starken Gästen und den richtigen Nachfragen. In der jüngsten Folge fällt das Verhältnis negativ aus. Der CNN-Journalist Frederik Pleitgen und die Sicherheitsexpertin Claudia Major sind noch die spannendsten Gäste. Sie diskutieren im Dialog über den Ukraine-Krieg. Wobei sie ehrlich einräumen, dass sich wichtige Fragen derzeit nicht beantworten ließen: Was die russische Strategie ist? Oder wie der Krieg weiter verläuft? Eine entscheidende Frage für Deutschland wäre eine Erörterung wert und es ist Major, die sie stellt: „Wie ernst nehmen wir unsere Unterstützung für die Ukraine?“ Doch Maischberger lässt diese Chance ungenutzt verstreichen.

Allerdings hätte sie diese Frage auch nur schlecht ans Panel geben können. Denn mit Ausnahme von RTL-Politikchef Nikolaus Blome ist die Runde ein Ausfall. B-Movie-Darsteller Hannes Jaenicke freut sich über Preiserhöhungen, weil Dinge endlich einen Wert bekämen. Die nicht anwesende Alice Schwarzer verunglimpft er für ihr Engagement als „Salon-Pazifistin“. Von dem Finger, den Jaenicke auf die Frauenrechtlerin hält, zeigen drei auf ihn zurück. Der Salon-Klimaschützer lässt sich sein „Engagement“ nämlich gut bezahlen. Die Öffentlich-Rechtlichen besetzen den Vorzeige-Aktivisten großzügig in Talkshows, Dokumentationen und Spielfilmen, obwohl Jaenickes Spiel so variantenreich wie das eines Saugroboters ist.

Bliebe noch Kristina Dunz vom Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das liefert den Politteil für verschiedene Zeitungen der Madsack GmbH. Deren größter Anteileigner ist die SPD-eigene Mediengesellschaft „Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft“. Das heißt aber nicht, dass Dunz wie eine Pressesprecherin von Olaf Scholz auftreten würde. Die „Journalistin“ lässt Scholz‘ Pressesprecher eher wie Dissidenten aussehen: Scholz‘ Afrika-Reise sei „sehr gut“ gewesen; das „Entlastungspaket“ ein „ganz wichtiges Instrument“ und wegen des Neun-Euro-Tickets würden Autofahrer dauerhaft auf Busse und Bahnen umsteigen. Auf die Behauptung hin spielt Maischberger eine Pendlerin ein, die für die drei Monate, in denen es das Ticket gibt, von der Bahn aufs Auto umsteigen wird, um dem Ansturm zu entgehen. Der beste Moment des Abends.

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