Tichys Einblick
Hart aber Fair: „Sind wir wehrhaft?“

Kein Taurus, kein Tacheles – Willkommen in der intellektuellen No-Go-Area

Die Sendung zeigt: Wir müssen wehrhaft sein! Gegen Indoktrination, gegen Verengung des Meinungskorridors. Sinkende Quoten des Montags-Talks machen Mut: bisweilen weniger als eine Million Zuschauer – Deutschland auf dem richtigen Weg? Von Michael Plog

Screenprint ARD / Hart aber Fair

Da hat man gerade die Klimawandel-Panik-Doku eines Fotografen namens Lars Pfeifer verdaut („Grönland wird nie mehr so aussehen wie es jetzt ist“), da haut einem die ARD schon den nächsten Hammer um die Ohren. Auch Deutschland sieht nicht mehr so aus wie es einmal war. Alles redet über „Kriegstauglichkeit“, „Wehrhaftigkeit“, den „Kampf gegen Putin“.

Und nein, nicht „alles“ redet darüber, sondern selbstverständlich nur die medial-gebenedeite Seite unserer Vorzeigedemokratie. Ein Vertreter der AfD ist auch diesmal nicht eingeladen bei „Hart aber Fair“.

Abhörskandal, diesmal echt
Dass die Bundeswehr abgehört wird, zeigt, wie lächerlich und isoliert Deutschland ist
Vor diesem Hintergrund wirken die Äußerungen des Linken-Politikers Jan van Aken an diesem Abend schon geradezu wohltuend, denn: Als Einziger wirft er – auch wenn er zumeist sofort unterbrochen wird – Stichworte wie „Verhandlungen“ oder „Diplomatie“ in die Runde, wenn es um eine mögliche Beendigung des Ukraine-Krieges geht. Er erinnert an den Alt-Kanzler Willy Brandt und die Zeit des kalten Krieges. Brandt habe trotz massiver Anfeindungen die Verständigung mit dem Osten gesucht. Mehr Waffen an die Ukraine zu liefern, sei keine Lösung, sagt van Aken, denn „das sagen Sie seit zwei Jahren, und seit zwei Jahren klappt es nicht“. Van Aken: „So wie wir jetzt über Taurus sprechen, wurde auch über Leopard-Panzer gesprochen. Ich sage ihnen, in zwei Monaten sitzen wir hier und reden über irgendwelche Flugzeuge.“

Der Marschflugkörper Taurus war, wie mittlerweile allgemein bekannt, auch Thema einer vom russischen Geheimdienst mitgehörten Telefonkonferenz vor gut 14 Tagen. Dort erörtern vier hochrangige Luftwaffen-Offiziere, darunter Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz, auch einen möglichen Anschlag auf die Krimbrücke. In den deutschen Mainstrem-Medien wird seither jedoch weniger der Inhalt des Gesprächs thematisiert als vielmehr die Tatsache, dass es von den Russen abgehört wurde und überhaupt abgehört werden konnte.

Bei Hart aber Fair erwartet den Zuschauer dasselbe Spiel: Es geht nur um das Abhören an sich und nicht um den Inhalt des Gesprächs. Klamroth thematisiert lediglich die stümperhafte Art der Kommunikation und nicht die brisanten Themen, die von den Militärs besprochen wurden und die Deutschland nach allgemeiner Einschätzung zur Kriegspartei machen könnten. Wie es denn um die Sicherheit der Kommunikation bestellt sei, will Klamroth wissen. Ob man etwa während einer Übung per WhatsApp ein Bild nach Hause schicken dürfe, fragt er eine Soldatin im Studiopublikum. Sauber. Auch so kann man Sendezeit schinden und vom eigentlichen Thema ablenken. Hart aber Fair wird übrigens von Joko Winterscheidts und Klaas Heufer-Umflaufs Firma „Florida Factual“ produziert. Vielleicht erklärt das die geistigen Untiefen.

Glosse - oder auch nicht
Kein Witz: Das Passwort des Verteidigungsministers lautet 1234
Auch André Wüstner, Vorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbandes, rückt die Dinge sendungskonform zurecht. Minister Pistorius habe klargemacht, dass alles, was in jenem brisantem Gespräch erörtert wurde, einfach nur „zum Handwerkszeug gehört.“ Schau einer an. Außerdem: „Putin hat Europa mit Atombomben gedroht“. Und zur Ukraine: „Dort wird die Freiheit Europas verteidigt. Wir müssen mehr in Verteidigung investieren, um das in Ordnung zu halten. Wir müssen erkennen warum Abschreckung wichtiger ist denn je.“ Dann wäre ja alles geklärt und der Rahmen mal wieder abgesteckt. Gähn.

Doch Anton „Toni“ Hofreiter von den Grünen ist das immer noch nicht klar genug: Er beschwört die neue „hybride Angriffslage“ (auf dem Schlachtfeld UND dann auch noch dieses schlimme Abhören!), aber: Inhaltlich sei in der belauschten Konferenz „ja gar nichts drin“ gewesen. Er spricht dies mit starker, überbrummiger Stimme, so als säße er dem Bösen direkt gegenüber. Klamroth wirft ein: „Ich fand’s schon interessant, wie Soldaten darüber sprachen, wie man so eine Brücke sprengen könnte.“ Doch an „Panzer-Toni“, wie Klamroth ihn später tituliert, prallt der Einwand ab. „Wenn man sich damit nicht ausreichend beschäftigt hat, macht man das Geschäft Putins“, klotzt Hofreiter.

Immerhin: CDU-Frau Serap Güler hat trotzdem Angst, dass dies nicht das einzige abgehörte Gespräch sein könnte. „Ich würde mir wünschen, dass es ein Einzelfall wäre, aber ich fürchte, dass da noch mehr kommt.“ Die Frau aus dem Verteidigungsausschuss steht an diesem Abend des öfteren kurz vor der Schnappatmung – vor allem, wenn sie mit der SPD-Frau Jessica Rosenthal spricht: Kanzler Scholz, so echauffiert sich Güler, habe etwa mit seiner Weigerung, Taurus an die Ukraine zu liefern, Verbündete „gegen das Schienbein getreten“. Er sei „ein Sicherheitsrisiko“. Und mehr noch: „Die Kommunikation des Kanzlers empfinde ich als intellektuelle Beleidigung.“

Ihre Schnappatmung ist im übrigen völlig unbegründet. Denn von der SPD-Frau Rosenthal kommen an diesem Abend hauptsächlich dünne Bausteine aus dem altbekannten Textbaukasten: Wehrhaft sein! Hybride Kriegsführung! Der Kanzler ist super! Das Übliche eben.

Untersuchungsausschuss unumgänglich
Nicht das abgehörte Gespräch, sondern Deutschlands Schutzlosigkeit ist der GAU
Die Appelle des Linken-Manns van Aken – auf Twitter fragen Zuschauer bereits: Was macht der eigentlich bei den Linken, und warum ist er nicht in der AfD? – verpuffen an diesem Abend weitestgehend. „Kriege hören durch Verhandlungen auf, und die müssen wir doch mal beginnen!“ ruft er mahnend in die Runde. Vergeblich. Oder auch: „Man sieht ja, heute Abend sprechen wir über Taurus, so wie Putin das will. Ich würde gern mal über Lösungen reden.“ Aber niemand redet mit ihm darüber.

Stattdessen fängt die Regie (Kompliment und Anerkennung an der Stelle!) einen Anton Hofreiter ein, der viele quälende Sekunden lang mit glasigen Augen und kaltem Blick dasitzt, als wäre gerade das Weißbierfass leergelaufen. Doch aufs richtige Stichwort springt der Bayer sofort an. Zu Putin etwa kommt es wie aus der Pistole geschossen: „Der Agressor hat deutlich gemacht, dass er nicht zu Verhandlungen bereit ist“.

Zweiter Lichtblick dieses Abends ist Daniel Untch, Referent für Friedensbildung der evangelischen Kirche in Hessen, was immer das heißen soll. Jedenfalls: Er berät Kriegsdienstverweigerer in der Bundeswehr. Und Untch sagt: „Mich erschreckt die Leichtfertigkeit mit der hier über dieses Thema gesprochen wird“. Er meint die allgemeine Kriegslüsternheit. Ein kurzer Moment der Bodenhaftung an diesem völlig entrückten Abend. Doch auch diese kleine, zarte Flamme der Vernunft verglimmt. Es siegen die Sofa-Generäle von Schlage einer Serap Güler, die völlig evidenzbefreit herummutmaßt: „Wenn Putin derart aufrüstet, dann kann es nicht nur die Ukraine sein, die er als Ziel hat.“

Tja, wenn niemand reden will oder alle so reden wie bei Hart aber Fair, dann gute Nacht.

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