Tichys Einblick
Vorsicht an der Bahnsteigkante

Hart aber Fair: Erst verhandeln, dann zerreden und in der GroKo weiter so

Gibt es eine Obergrenze? Oder eine Oberobergrenze? Kommt die Bürgerversicherung doch noch durch die Hintertür? Das kann man so sehen, oder so, so das Fazit bei HaF.

Screenprint: ARD/hart aber fair

Die Frage „Erst verhandeln, dann zerreden – wie soll daraus je eine Regierung werden?“ beantworteten nach einer Stunde Hart aber Fair ein paar sieben-, achtjährige Kinder klar mit: Doch, das geht. Den Kleinen wurden Bilder von den Pressekonferenzen nach der Groko-Sondierungseinigung gezeigt, und die Kinder haben die Fotos messerscharf analysiert.

Ein Mädchen identifizierte nicht nur sofort die Kanzlerin, sondern erkannte zudem, wer die Hosen anhat: „Angela Merkel ist der Chef, weil die steht in der Mitte.“ („Der Chef“? Liebe Gender-Fans, habt Gnade, sie ist doch erst sieben!) Angela, Horst und Martin – die Kinder erkannten ohne Zweifel, wer Koch und wer Kellner ist. Oder wie ein kleiner Junge sagte: „Die zwei anderen (Horst und Martin) sind dazugekommen.“ Angela ist der Chef, und wer ist noch zufrieden mit dem Ergebnis der Verhandlungen? „Der Eine (Horst) hat gute Laune…“ Chapeau! Horst glaubt wirklich, einen großen Wurf gelandet zu haben. Wenn zwei sich immerfort zanken, der eine dieses, der andere jenes machen will? Selbst Koalitionsprobleme lösten die kleinen Racker hochprofessionell: „Dann machen wir halt beides“. Hart aber Fair.

Damit ist im Prinzip alles zur Lage der Merkel-Nation gesagt. Machen wir halt beides – der eine kriegt seine atemlos keuchende Obergrenze, der andere den unbegrenzten Zu- und Nachzug. Der eine diesen Posten, der andere jenen. Der eine seine Steuererhöhung (ein bisschen später, ein bisschen versteckt), der andere seine „Entlastung“ (genauso später und versteckt). Merkels Credo: Kommen se rüber, seien se still, hier kriegt jeder, was ich will.

Szenen einer Ehe
Wer reicht endlich die GroKo-Scheidung ein?
Wie kindisch hingegen das Getue der Großen! Für Malu Dreyer sind Sondierungen noch lange keine Verhandlungen, deswegen „muss man über die Bürgerversicherung noch mal sprechen“, und über die „sachgrundlose Befristung“ auch. „Sie sind Juristin“, stellte Plasberg, der scharfe Journo, fest, „wenn etwas ausverhandelt wurde, und zwei Tage später wird wieder ein Fass aufgemacht, ist das in Ordnung?“ Da lächelte Malu stolz, dass auch mal einer sagt, dass sie Juristin ist.

Peter Altmaier, den man mit seinen gleichzeitigen Pflichten als Kanzleramtsminister, Finanzminister, Flüchtlingskoordinator und CDU-Chefstratege als einzigartiges politisches Schwergewicht bezeichnen muss, gab sich über weite Strecken meditativer Entspannung hin. Sagte zunächst nur was vom „großen Respekt“ für Schulz und die Seinen, und dass „die jetzt den Mut haben müssen und für das Erreichte aufstehen… .“ Altmaier will „niemanden in der SPD gesehen oder gehört“ haben, „der die Sondierungsgespräche in Frage gestellt hat“. Stegner weder hören noch sehen – das ist auch eine Lösung. Hart aber Fair.

Wolfgang Kubicki blieb die Rolle als Pausenclown, der gelegentlich mit Sottisen in die Aufführung der Comedian Harmonists Malu und Peter hineingrätschte („Hören Sie auf, die Bürger für dumm zu verkaufen!“). Hart aber Fair.

Ferdos Forudastan, mit Preisen überschüttete Politikchefin der Süddeutschen Zeitung, (zuletzt war die Halbiranerin Gauck-Sprecherin) befand, dass das GroKo-Papier „Erleichterungen bringe“. Aber was alles nicht drin stehe! Klima natürlich. Aber vor allem die Digitalisierung müsse man doch gestalten! Mit den Gestalten?, wagen wir einzuwerfen. Der Merkelmaier Peter rief empathisch aus, bald gebe es „schnelles Internet auf jedem Bauernhof, in jedem Dorf“ und man wolle junge Unternehmer unterstützen („Start Ups heißen die“, wusste der Peter). Und auch Malu will Digitalisierung gestalten. Indem sie das „Recht auf Weiterbildungsmaßnahmen“ festschreiben will. Vom Arbeitsamt zum Facebook-Engineer, inklusive Betriebsratsausbildung, so geht Internet!

Auf die Kanzlerin kommt's an
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Leider, erkannte Ferdos Forudastan, sei die SPD, die „Drama-Queen der Republik“ (Zitat Plasberg), mit sich selbst nicht im Reinen, weshalb es „sehr unklug sei, eine Mitgliederbefragung“ vor eine GroKo zu setzen. Wolfram Weimer, der Publizist, attestierte den Genossen ebenfalls eine gewisse Unreife. „Was Stegner und die Jusos da machen, das geht gar nicht.“ Eigentlich hätte Schulz nach der verlorenen Wahl zurücktreten müssen. Da haben wir uns fast ein wenig erschrocken wegen des Spontanbeifalls im Saal! Hart aber Fair.

Laut INSA-Umfrage vom selbigen Tage landet die SPD inzwischen bei 18,5 Prozent, aber die Völker-Genossen hören sie immer noch nicht, die Signale. Also auf zum letzten Gefecht! So machte Malu Dreyer noch mal kristallklar, die Obergrenze ist keine Obergrenze, sondern beziehe sich auf einen „Korridor der letzten 20 Jahre“. Auch der Peter hängt nicht an „einer starren Obergrenze“. Aber es war doch der Siggi, der 2015 gesagt hatte, eine Million pro Jahr verkraften wir nicht, höchstens 500.000, gab Altmaier zu Protokoll. Das ist doch mal eine neue Zahl! Die Frau von der SZ erkannte, dass die Zahlen eher deskriptiv als bedeutend sind, beklagte aber trotzdem die 1.000 Nachzügler pro Monat. Da sagte Peter, der sich nicht als Unmensch schelten lassen mag, das gelte nur für diejenigen, deren Asylantrag abgelehnt wurde. Vielleicht haben wir ihn falsch verstanden? Eh wurscht, die Zahlen sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt stehen, die Worte nicht den Atem. Ging es doch nur darum, der SPD „etwas an die Hand zu geben, womit sie punkten kann“. Und natürlich dem Horst.

Weicht ihr Schatten
GroKo-Sondierung: Letzte Hoffnung, SPD-Parteitag
Eine gewisse Brigitte von Hart aber Fair verlas dann, was die Zuschauer auf Facebook und Twitter von der Gesamtsituation so halten, und fasste das mit den Worten zusammen: Alles sehr verhalten. Viel Kritik. Trotzdem gehen alle Diskutanten davon aus, dass die SPD die GroKo wohl abnicken werde. Weimer erlaubte sich noch einen Hinweis auf den letzten Satz der GroKo-Sondierungsvereinbarung: Alles müsse in zwei Jahren auf den Prüfstand, steht da. Das klinge wie das Ablaufdatum einer Joghurtpackung. Und legt bei ihm die Vermutung nahe, dass Merkel nach zwei Jahren den Abflug mache. Nein, nein, beruhigte Peter, und beendete zugleich die Diskussion um eine Amtszeitbegrenzung von seiner Bundeskanzlerin mit dem Verweis auf Amerika. Hätten die keine Begrenzung, wäre jetzt noch Obama Präsident.

Wehret den Anfängen! Oder, wie Peter sagte: „Vorsicht an der Bahnsteigkante!“ Stimmt. Da ist es in letzter Zeit gefährlich, immer häufiger liest man von Einzel“fällen“ in Regionalzeitungen. Aber das hat Peter bestimmt nicht gemeint. Wenn er will, hört und sieht er bekanntlich nichts.