Tichys Einblick
Die Sendung bleibt auf Linie

Bei Maischberger: Deutschland energiepolitisch weiter auf Geisterfahrerkurs

Armin Laschet hält AKW-Aus für Fehler. Letzte Generation hat angeblich legitime Motive. Irrsinn im grünen Wirtschaftsministerium hat psychologische Komponente. Und die Wärmepumpen werden nur schlecht verkauft, aber sind eigentlich super. Von Florian Kramer

Screenprint: ARD / Maischberger

Mit den ehemaligen Parteivorsitzenden von CDU und SPD wartet die Maischberger-Sendung mit zwei vergangenen politischen Schwergewichten auf, die die Gegenwart kommentieren sollen. CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet hält das geplante AKW-Aus für einen Fehler. Während sich Ex-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel allein schon über die Debatte echauffiert. Wo käme man hin, würde man in einer Demokratie schlechte Entscheidungen rückgängig machen? Seine Laissez-faire-Haltung zu politischen Fehlentscheidungen passt zur Vita von Gabriel. Diese ist gespickt mit Fehlbeurteilungen.

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Gut, dass niemand mehr wissen will, wer zum Beispiel verantwortlich ist, dass deutsche Gasspeicher in russische Hände gekommen sind und die Abhängigkeit von der russischen Gaswirtschaft ständig wuchs. Aber, sagt Gabriel, solche Debatten bringen uns nicht weiter. Auch die Debatte über den Heizungsaustausch der Bundesregierung hält Gabriel für vergleichsweise unwichtig. „Der Rest der Welt fliegt uns um die Ohren und wir sprechen über Heizungen“, wettert der SPD-Mann. Für einen gutbesoldeten Ex-Minister ist die politische Großwetterlage in der Welt spannender als das Klein-Klein der deutschen Heizungs-Debatten. Stimmt ja sogar, also lasst das Gesetz einfach fallen und wir haben wieder Raum für das wirklich Wichtige. Dass es die Politik ist, die den Bürgern eine Art Überlebenskampf aufzwingt, ist ihm entgangen. Man merkt, dass der Berliner Elfenbeinturm seine Nachwehen bis weit in den Ruhestand hinein hat.

Laschet ist da deutlich vernünftiger und pragmatischer unterwegs. Er kritisierte, dass der geplante Heizungsaustausch chaotisch orchestriert wird und der Staat wieder einmal ein breites Bündel an finanzieller Unterstützung spannen muss. Also finanzielle Beruhigungspillen für den armen Bürger, um den Ampel-Irrsinn in Sachen Heizung zu kaschieren. Auf ein Kretschmer-Zitat zur drohenden Deindustrialisierung aufgrund grüner Energiepolitik angesprochen, wird auch Gabriel kritischer und beteiligt sich an der Debatte. Die Kronjuwelen unserer Wirtschaft könnten in die USA abwandern, weil diese auf marktwirtschaftliche Anreize setze und nicht auf eine dirigistische Regulierungsbürokratie deutscher Art.

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Da ist sie wieder, die Logik der Staatssozialisten: Weil ihr Bürger und Wirtschaft davonlaufen, muss die Schraube noch fester angezogen werden; wobei selbstverständlich niemand die Absicht hat, eine Mauer zu bauen. Auf die logische Conclusio, es den USA nach zu tun und auch mal die Belastungsschraube zu lockern, kam Walter Ulbricht, sorry, Sigmar Gabriel nicht. Man müsse die Energiepreise stabilisieren oder senken, ist sein Konzept im Wettbewerb mit dem Standort USA. Da Deutschland bisher den zweitteuersten Strom der Welt hat, hat er da viel zu tun; glückliches Beginnen. Zu vorsichtigster Kritik, immerhin ermannt sich Laschet bei Außenministerin Baerbock.

Als es um die Unterstützung der Ukraine ging, erklärt Laschet, dass man andere Länder im Westen als Unterstützer gewinnen müsse, statt nur chinesisches Porzellan zu zerschlagen. Deutscher Moralismus wäre nicht hilfreich und ein Blick in die Welt würde zeigen, dass in Sachen Unterstützung der Ukraine viele Staaten einen anderen Blick hätten. Ob Frau Baerbock jemals von ihrem plärrenden Pseudo-Moralismus herunterkommt und sich des Handwerks der Diplomatie bedient, darf an dieser Stelle bezweifelt werden. Die Frau hat außer dem moralischen Zeigefinger schlichtweg nur limitierte Fähigkeiten. Alles in allem konnte man als Zuseher den Eindruck gewinnen, dass einer Großen Koalition nach einer nächsten Bundestagswahl nur ein schwarz-grünes Bündnis im Wege stünde. Laschet wie Gabriel verströmten aus jeder Pore den faulen politischen Kompromiss, der in Deutschland ins Kanzleramt führen soll.

Ziviler Ungehorsam ist erste Bürgerpflicht?

Die politischen Beobachter der Sendung hatten es in sich. Zu Gast waren der aus Franken stammende stramm linke Kabarettist Urban Priol, die NZZ-Kolumnistin Susanne Gaschke und der ewigjugendliche Kolumnist Hajo Schumacher. Auf die Eingangsfrage der Moderatorin, ob er Verständnis hätte für den radikalen Protest der Letzten Generation, antwortete Priol: „Ja, hab ich.“

Die Letzte Generation dürfe ruhig das Mittel des zivilen Ungehorsams nutzen, um auf ihre Ziele aufmerksam zu machen. Aus seiner Sicht hätten die Straßenkleber legitime Anliegen. Diese befremdliche Sicht auf die Letzte Generation teilte Gaschke nicht. „Die Leute sind ziemlich genervt“, hielt Gaschke entgegen. In einer Demokratie müsse man die Leute mitnehmen, befand die Kolumnistin weiter. Nur, dass die sogenannten „Aktivisten“ der Letzten Generation mit Demokratie und Rechtsstaat wenig bis gar nichts zu tun haben, fiel ihr nicht auf oder wollte ihr nicht auffallen.

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Der Kolumnist Hajo Schumacher brachte in diese Frage eine interessante Erkenntnis. Er hätte mit einem Verfassungsrechtler gesprochen und der hätte ihm bestätigt, dass die jungen Leute mündig seien und deshalb auch mit rechtsstaatlicher Bestrafung rechnen müssten. Naja, in Berlin wurden alle verhafteten „Aktivisten“ wieder freigelassen und ob der Rechtsstaat an der Spree überhaupt willens ist zu verurteilen, darf in Zweifel gestellt werden. Immerhin erkannte Hajo Schumacher, dass hinter den Protesten die Forderung nach einem Systemwechsel und grundlegende Kapitalismuskritik stünden.

Das Mitglied der linken Attac-Bewegung Priol witterte hinter der Kritik der beiden Journalisten „negative campaigning“. Man würde die „Aktivisten“ diffamieren. Ob die Blockade von Rettungskräften nicht schon als „negative campaigning“ für sich spricht, hätte die Moderatorin an dieser Stelle mal fragen können. Aber wirklich kritische Fragen kamen leider nicht.

Bei Maischberger bleibt man eben auf Linie, die sollte nur besser verkauft werden. So wird beim Thema Heizung nicht der Zwangsaustausch an sich bemängelt, sondern die laut Priol „grottenschlechte Kommunikation“. Auch Hajo Schumacher weiß, was verlangt wird, um die nächste Einladung zu ergattern: Die handelnden Akteure im Bundeswirtschaftsministerium seien zu sehr an Technologie orientiert, die Fehler hätten somit eine psychologische Komponente. Einem wissenschaftsfeindlichen Familienclan im Wirtschaftsministerium zu komplexes technologisches Denken zu unterstellen, hat den Charakter von Satire. Bei Maischberger bekommt die gute Sache ihre willfährigen Sendungsteilnehmer beigestellt.

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