Tichys Einblick
Ukraine, Russland? Wir klopfen Sprüche

Bei Illner: Deutsche Pantoffelhelden allein in Europa

Der international geachtete und gefürchtete Würselaner Top-Diplomat Martin Schulz ist zwar für die Ukraine, aber nicht unbedingt für die ganze. Da das Land eh verloren ist, brauche man auch keine Waffen zu liefern, analysiert er bei Illner. That's German spirit.

Screenshot ZDF: Maybrit Illner

In den letzten beiden Folgen von Illner konnten wir eindrucksvoll beobachten, was passiert, wenn ehemalige Lieblinge die Gunst des ZDF verlieren – erst Söder, dann Lauterbach. Man könnte die berühmte Frage, ob die Kunst das Leben, oder das Leben die Kunst imitiert, auch auf den ÖRR und die Regierung umdeuten – dominiert die Regierung den ÖRR oder der ÖRR die Regierung? Zwar nimmt man oft an, dass es ersteres Szenario ist, doch gerade der Fall Lauterbach beweist, dass Politiker den Rückhalt der Medien mehr brauchen als umgekehrt; es kann ja auch nur eine Gruppe von beiden abgewählt werden.

Doch jetzt packt Illner die ultimative Waffe aus, was niemand für möglich gehalten hätte – es ist der zweifelsfreie Beweis, dass die Zeit der Corona-Hardliner vorbei ist. Denn Frau Illner diskutiert an diesem Donnerstag tatsächlich über: die Ukraine und Russland. Und damit nicht über Corona. Feuerschutzpause für Lauterbach – sehr gefährlich. Das Thema der gestrigen Sendung: „Putin-Versteher oder Amerika-Freund – Deutschland zwischen den Fronten?“

Stephans Spitzen:
Deutschlands Rolle im Machtpoker um die Ukraine
Der neue Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour ist im Studio bei Illner und gibt tatsächlich überraschend nüchterne Kommentare von sich. Dass er der neue Vorsitzende ist, haben Sie vielleicht nicht mitbekommen, weil Ricarda Lang ihn in letzter Zeit sehr in den Schatten gestellt hat. Jedenfalls ist er außenpolitisch nicht gerade als feinfühlig bekannt, schließlich war er bis Mitte 2020 im Beirat der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft tätig.

Im April 2013 brachte Nouripour gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Grünen eine Anfrage in den Bundestag ein, mit der er unter anderem eine Kennzeichnung landwirtschaftlicher und industrieller Güter aus israelischen Siedlungen erreichen wollte, die Konsumenten darauf hinweist, ob ein Produkt aus einer israelischen Siedlung oder von einem palästinensischen Produzenten in der Westbank stammt. Doch der Grüne, der von sich selbst auch sagt, er sei kein „Öko“, muss sich nun der Entwicklung der Partei anschließen, die jetzt mehr auf bürgerlich machen will, jetzt wo sie in den gemütlichen Regierungsstühlen sitzt.

Als Illner tatsächlich Baerbock ein klein wenig für einen Versprecher (Numero 147.284) kritisiert, verteidigt er seine Vorgängerin: „Ich glaube, dass Baerbock nicht angetreten ist, um Poetry Slams zu gewinnen.“ Ein bisschen stutzig macht es doch schon: Eine Politikerin – und zwar nicht nur irgendeine, sondern die Außenministerin, die den ganzen Tag nix anderes tun soll, als reden – ist nicht in der Lage, einen geraden Satz aufzustellen. Doch wenn man das anspricht, sprechen die Leute von Gedichtwettbewerben, als wäre die Vorstellung einer wortgewandten Politikerin so abwegig.

Martin Schulz ist auch da – wissen Sie noch? Der ehemalige nächste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland? Schulz hat mit wehenden Fahnen ums Kanzleramt gekämpft, nur damit Scholz sich jetzt von hinten ins Kanzleramt schleicht. Seitdem gibt dieser keinen Ton von sich, um nicht aufzufliegen. Ja, wo ist eigentlich Scholz abgeblieben? Wo is er denn nu?

Tja, wenn man gemein wäre (was ich ja nicht bin) könnte man nun behaupten, Schulz ist aus der Versenkung auferstanden, um die SPD an das zu erinnern, was sie garantiert nicht vermisst. Doch jetzt im Nachhinein glaube ich, dass man ihm damit Unrecht täte. Hätte Schulz seine Kanzlerkandidatur nicht so kläglich vor die Wand gefahren, dann hätte man Scholz im Wahlkampf nicht so unterschätzt und dieser hätte nicht so ohne Weiteres in Deckung bleiben können, bis die Konkurrenten sich gegenseitig erledigt hatten. Wer weiß, ob Olaf Scholz dann nicht das gleiche Wahlergebnis eingefahren hätte wie sein halber Namensvetter.

Inhaltlich scheint Schulz noch keine gerade Linie zu dem Thema gefunden zu haben. Einerseits sagt er: „Russland ist ein Aggressor, das ist eindeutig.“ Waffen liefern will er aber gleich aus zwei Gründen nicht. Einerseits argumentiert er: „Ich sehe keine Veranlassung, wo mit einer Waffenlieferung an die Ukraine die Lage entspannt werden könnte.“ Seine bestechende Logik auf der anderen Seite: „Wenn es so ist, dass die russische Armee so überlegen ist, dann sind auch Waffenlieferungen an die ukrainische Armee Symbolpolitik.“ Also kurz gesagt: Die Ukraine ist eh verloren, also lasst uns einfach wegschauen. Nord Stream 2 will er natürlich auch fortsetzen. Kohle- und Atomausstieg sind halt wichtiger als so ein paar Quadratkilometer von der Ukraine da, die haben doch eh genug davon.

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Die deutsche Lieferung von 5.000 Helmen an die Ukraine wurde in der Sendung übrigens als „starkes Zeichen“ gewertet. Wobei es besser gewesen wäre, wenn Lauterbach nicht zu viel Impfstoff bestellt hätte, sondern stattdessen unsere Landesomi, alias Verteidigungsministerin, zu viele Helme an die Ukraine schicken würde. Und dafür noch eine weiße Flagge dazu häkeln würde. Dann stünden wir vor dem Rest der Welt nicht ganz so lächerlich da, wie wir es in letzter Zeit immer tun.

Es ist abzusehen, worin das enden wird: Deutschland wird sich nicht entscheiden können und keinen konstruktiven Beitrag leisten. Wäre ja wenigstens mal ’ne Ansage, aber dafür können unsere Politiker es einfach nicht lassen, sich bei anderen einzumischen, und denen dann immer noch was vom Pferd zu erzählen, auch wenn sie ihr Leben lang bisher nur Esel gesehen haben.

Eigentlich seltsam, dabei wird es unserer Regierung doch so leicht gemacht. Stellen Sie sich vor, das alles hier wäre zu Trumps Amtszeit passiert. Da hätten sie so schnell keine Seite wählen können, jetzt winken ja wenigstens auf der einen Seite die ach so tollen Biden und Harris, mit denen Baerbock sich zumindest ablichten lassen kann, ohne von ihrer Basis geputscht zu werden.

Ich denke, am Ende werden sich alle bis auf die Zähne bewaffnet auf das Schlimmste vorbereiten, während Deutschland an der Grenze steht und ruft: „Putin, das bist nicht du. Denk doch an die schönen Momente, die du mit der Ukraine hattest. Ich weiß, du kannst diese dunkle Seite in dir bekämpfen, atme nur tief durch. Und Ukraine, du weißt, ich liebe dich. Aber ich bin nur offiziell auf deiner Seite, weil ich muss. Denn ich will doch mein Nord-Stream-2-Gas, das musst du doch verstehen, wegen Klimawandel und so. Kannst du nicht einmal für das Team einstecken und ein bisschen Land opfern? Muss auch gar nicht viel sein. Danke, Küsschen Küsschen!“

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