Tichys Einblick
Streit um Merkels Erbe

Bei Illner: Lieber Basta-Mann als Zauder-Raute?

Streit um Merkels Erbe – die CDU sucht Kurs. Da will Illner gern behilflich sein und lud Leute ein, die auch ziemlich weit weg vom Geschehen sind.

Screenprint: ZDF/maybrit illner

Wohin geht die CDU? Darüber reden wir doch am Besten mit Christian Lindner von der Lindner-Partei, Hans-Peter Friedrich von der bayerischen CSU, dem langjährigen TAZ-Journalisten Hajo Schumacher, sowie mit einer gewissen Juli Zeh, auf die wir später noch näher eingehen werden. Und, warum nicht auch mit einer Person, die wenigstens in der Partei ist, die ihre Richtung sucht, nämlich Ursula von der Leyen.

Energiewende
Die Arroganz der Ahnungslosen
Truppen-Ursel können wir direkt abfertigen. Sie hat nix gehört, nix gesehen, nix geahnt, bis zum Moment, in dem Merkel offiziell die Merkel-Festspiele um ihre Nachfolge als Parteichefin eröffnete. Drei Bewerbungen in den ersten drei Stunden nach der Ankündigung haben sie doch recht verwirrt, jetzt erwartet sie „ein Feuerwerk der Ideen“ (McKinsey-Spruch?). So blind, wie sie die Truppe führt, so blind wandelt sie auch durchs politische Leben. Und offensichtlich glaubt sie nicht nur ihren Hundert-Millionen-Euro-Beratern jedes Wort, sondern auch der CDU-Mitgliederzeitung. Oder wer ihr sonst das Märchen erzählt hat, Merkel habe „uns sicher geleitet durch Euro-, Finanz-, Griechenland- und Migrationskrise“. Wir empfehlen, um nur mal die Migrationskrise zu nehmen, Uschi ein Biwak in Berlin-Neukölln, Duisburg, Dortmund, oder einem deutschen Hauptbahnhof ihrer Wahl, um ein wenig Luft der Erkenntnis zu schnuppern.

Noch schneller sind wir mit Christian Lindner fertig, weil er genau das Gleiche wie heute schon bei den letzten beiden Talkshow-Besuchen von sich gab, und wir das seinerzeit beschrieben haben. Das muss reichen (oder klicken Sie ins Archiv).

Hans-Peter Friedrich ist wahrlich kein Freund vom Seehofer Horst, sondern ein Parteifreund. Als solcher kann er es kaum abwarten, bis der Horst in die Wüste geschickt wird. Was er ohne Worte sagt, aber genau so deutlich. Und weil er schon im Vorfeld die Losung ausgegeben hatte, dass die CSU sich bei der Parteichef-Frage der CDU besser raushält, erschloss sich auch nicht, warum er da die Stunde absitzen musste.

Landtagswahlen in Bayern und Hessen
Die gesellschaftliche und politische Polarisierung des Landes erfasst zunehmend die Bundesländer
Müssen wir erwähnen, dass jeder Illner-Gast am offen Sarg lobende Worte für Angela Dorothea Merkel fand? (Merkel könnte sich übrigens nach ihrem jüngsten Gesetzes-Scoop ab sofort auch Dorothea Angela nennen, eine Sacharbeitsleitung, die Anerkennung verdient.) Wahnsinnig modern habe sie Land und Partei gemacht, Europa erfunden, Syrienkrieg gewonnen, Trump in die Schranken gewiesen, Macron beschmust. Ist doch klug, dass sie geht, wo es am schönsten ist.

Wir hätten nicht gedacht, dass Juli Zeh so schlicht daher kommt. Im Vorfeld hatten wir gelesen, Juli Zeh „sprudelt vor Ideen“ (NDR), die Schriftstellerin, Autorin von „Spiegel“ und „Zeit“ kann zudem deutlich mehr Preise ihr Eigen nennen als Buchstaben im Namen. Und die Sozialistische Einheitspartei Brandenburgs (Linke und SPD) will sie nun auch noch zur Verfassungsrichterin ernennen. Das ist schon mal ein Pfund, das sie da mitbringt, allerdings erinnerten wir uns dann doch noch daran, dass Juli Zeh wegen eines gewissen Martin Schulz in die SPD eingetreten ist – und das macht dann die geistigen Vorschusslorbeeren wieder zunichte.

Heiliger Bimbam
Weder Revolutionär noch Messias
So erkennt Juli auch keinen Zusammenhang von Merkels Rücktrittsentscheidung und den zwei verlorenen Wahlen. Grundsätzlich sei Sacharbeit (hahaha) schwer vermittelbar. Es gehe stattdessen „nur um medial gehypte Figuren“. (Sieht sie den Schulz in ihrem Auge nicht?) Dazu ein bisschen Rechtspopulismus („überall in Europa“) und Migrationsproblembesprechungen („rein emotionale Verstörung“). Aber wenigstens mal ein anderes Gesicht, wird vielleicht der ein oder andere anmerken. Und auch Lindner fühlte sich neben Juli, die er duzte, sichtlich wohl.

Das Publikum war recht verwirrt in der Sendung. Zu wenig klassische Feindbeschimpfungen (Horst, AfD). Es muss an dieser Stelle mal Erwähnung finden, dass alle Polit-Talkshows in Berlin aufgezeichnet werden, der Hartz 4-Hauptstadt, die von den Besten regiert werden, die Linke, SPD und Grüne auftreiben konnten. Die Berliner lernen schon von Klein auf, wann sie zu klatschen haben. Hoffentlich gibt’s am Ende noch einen Teller warme Suppe für die armen Teufel.

Perspektive
Die Grünen als Rote allein zuhaus'
Illner wusste wohl schon, dass heute keine Stimmung aufkommen würde beim Vor-Requiem für die Heilige Angela. Deshalb hatte sie Hajo Schumacher eingeladen, und der lieferte auch wie bestellt. Die anstehende CDU-Chefwahl verhöhnte er als „demokratisches Experiment“, aber teilte auch in Richtung Genossen kräftig aus. Dass „die SPD sich in abwählbarer (schöner Versprecher) Zeit stark genug für Neuwahlen fühlen könnte“, sieht er nicht. Und ein „Kevin Kühnert als Wortführer“ ist kein Aufbruch, sondern „ein Krisensymptom“.

Hübsch beschrieb Hajo Merkel als Betriebsunfall der Union, Frau, evangelisch, aus dem Osten. Da dürfte die Partei jetzt eher vorsichtiger sein. Und Wolfgang, den Trixxer, Schäuble kann er sich als dunklen Hintermann vorstellen: Der auf Rache an Merkel sinnende Friedrich Merz habe auf Schäubles 75. Geburtstag „in der ersten Reihe gesessen“, und Spahn habe früher in Schäubles Ministerium gearbeitet. Fertig ist eine klitzekleine (Verschwörungs-)Theorie.

Überhaupt neige sich die Welt eher den Basta-Männern zu. Und da sei Merz mit Bierdeckel und Leitkultur nicht falsch. Basta-Mann statt Zauder-Raute.

Alle Fragen offen
Vorhang auf für Friedrich Merz
An dieser Stelle konnte Illner endlich ihr Merz-Filmchen vom „Todesstern Blackrock“ abfahren lassen (etwa bei Minute 32:30) incl. Anleihen bei Darth Vader. (Bessere Informationen zu Merz und Blackrock finden Sie hier bei TE von Oswald Metzger.) Zu Jens Spahn (verkauft als „wild und jung“) musste Juli Zeh noch ihre Gefühle unterbringen: „Ich habe da Antigefühle wie in den USA“ – in welcher Gesinnungsblase passen Spahn und Trump unter einen Hut?

Eine Polit-Talkshow ohne AfD geht natürlich nicht. Deshalb wurde die merkwürdige Hoffnung beschworen, ausgerechnet der Clintonistas-Freund und EU-Fanatiker Merz könne die Volkspartei CDU retten. Und Lindner hätte vielleicht an dieser Stelle besser geschwiegen, statt davon zu reden, die „Leute haben das Gefühl gehabt des Kontrollverlusts des Staates im Jahre 2015“. Ein „Gefühl des Kontrollverlusts“? Hans-Peter Friedrich behauptete dann unwidersprochen, dass es seit 2015 bereits 15 Gesetzesverschärfungen bei der Migration gab. Da kann man mal sehen. Das Gefühl hatten wir überhaupt nicht.


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