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ARD-Faktenfinder schludert bei Artikel zu Antisemitismus

ARD-Faktenerfinder Pascal Siggelkow hüpft von einem Fettnapf in den nächsten. Im sogenannten Faktencheck zu Antisemitismus gibt er fragwürdige Erkenntnisse des BMI als Tatsachen aus. Er korrigiert, als er erfährt, dass das BMI die unseriöse Statistik überarbeiten will; aber nur halb und ohne auf die Änderung hinzuweisen. Von Norbert Häring

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Der berüchtigte ARD-Faktenerfinder Pascal Siggelkow hüpft unbeirrt von einem Fettnapf in den nächsten. In einem „Faktencheck“ zu Antisemititsmus gibt er fragwürdige Erkenntnisse des BMI distanzlos als Tatsachen aus. Er korrigiert, als er verspätet erfährt, dass das BMI die unseriöse Statistik überarbeiten will; aber nur halb und ohne auf die Änderung hinzuweisen.

Unter der Überschrift „Angriff auf Israel: Wie verbreitet ist Antisemitismus in Deutschland?“ brachte Faktenerfinder Pascal Siggelkow am 21. Oktober auch einen Abschnitt mit der Zwischenüberschrift „Antisemitische Straftaten überwiegend von rechts“ und der Aussage:

„Antisemitische Straftaten werden nach Angaben des Bundesinnenministeriums hauptsächlich aus dem rechtsextremen Spektrum begangen. Im Jahr 2022 gab es demnach 2.641 antisemitische Straftaten, von denen mehr als 80 Prozent dem rechten Spektrum zugeordnet wurden.“

Dumm nur, dass die FAZ einen Tag vorher berichtet hatte:

„Die Bundesinnenministerin will künftig erfassen lassen, wenn antisemitische Straftaten einen ausländischen oder religiösen Hintergrund haben. Bisher fielen die meisten Delikte automatisch unter „rechts“.“

Der streng obrigkeitsgläubige Siggelkow hat also hier nicht selbst ein Faktum erfunden, sondern ein von den Statistikern erfundenes Faktum als Wahrheit ausgegeben. Zwei Tage später kam die Information aus der FAZ auch bei ihm an, und er ergänzte den betreffenden Absatz um den Satz:

„Allerdings gibt es an der Kategorisierung der Straftaten bereits seit Jahren Kritik. Nach Angaben der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ will Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Daten daher zukünftig differenzierter erfassen.“

Zum Beleg dafür, dass die Kategorisierung schon lange in der Kritik steht, verlinkt er auf einen Faktencheck seines Kollegen Andrej Reisin von 2018.

Die Information, um welche Art von Differenzierung es dabei geht, und dass die von ihm behauptete Quote rechtsextremer anstisemitischer Straftaten auf einer offenbar automatischen und damit oft falschen Zuordnung von unklaren Fällen beruht, enthält er seinen Lesern vor. Außerdem fehlt der Hinweis auf die substantielle nachträgliche Ergänzung. Es gehört zu den Anforderungen für seriösen Journalismus, wesentliche nachträgliche Änderungen eines Textes transparent zu machen.

Es war dem Faktenerfinder wohl zu peinlich, jeden mit der Nase darauf zu stoßen, dass er einerseits abweichende Fakten nicht gefunden oder unterdrückt hat, über die Kollegen im eigenen Format schon geschrieben haben. Und andererseits darauf, dass er etwas als Wahrheit ausgegeben hat, was sehr wahrscheinlich nicht stimmt. Da doch lieber verschleiern.

Siggelkow zur Krankenhausexplosion

Wenn man nicht schon wusste, wie einseitig Siggelkow und das ARD-Faktenerfinderteam ihre „Fakten“ auswählen und konstruieren, dann weiß man es mindestens seit dem „Faktencheck“ zur Zerstörung des Al-Ahli-Krankenhauses in Gaza mit vielen Toten und Verletzten, für das zunächst der Beschuss durch die israelische Armee verantwortlich gemacht wurde. Diese bestritt das und legte mutmaßliche Belege dafür vor, dass es sich um eine fehlgeleitete Hamas-Rakete gehandelt haben dürfte.

Schon die Überschrift „Explosion in Krankenhaus: Was für die Version der israelischen Armee spricht“ signalisiert die gänzliche Abwesenheit von Neutralität und Ergebnisoffenheit von Text und Autor. Zitiert werden ausschließlich die israelische Armee und private Rechercheure aus Nato-Ländern mit unklaren Geldquellen und Unterstützern.

Getreu der Überschrift wird nicht einmal ansatzweise der Versuch gemacht, aufzulisten, was gegen die Version der israelischen Armee und für die palästinensische Version spricht.

Solche „Faktenchecks“ haben viel mehr mit Kriegs-PR als mit Journalismus zu tun.


Dieser Beitrag von Norbert Häring ist zuerst auf seiner Webseite erschienen.

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