Tichys Einblick
Medien in der Krise

Die Ampel hat alles andere als ein Problem mit Gefälligkeitsjournalismus

Rückblick: Die Bundesregierung honoriert unabhängige Journalisten und hält deren Namen geheim – trotz mehrfacher Anfragen aus dem Parlament. Die Ampel sieht in den Zahlungen kein Problem für die Demokratie – dafür aber in den Forderungen nach Transparenz.

IMAGO / IPON

Die Bundesregierung duckt sich weg. Vor einem Jahr kam ans Licht, dass verschiedene Ministerien Aufträge an 200 Journalisten in einer Gesamthöhe von rund 1,47 Millionen Euro vergeben haben, wie TE berichtete. Immer mehr Namen auf der Liste der Bundesregierung wurden öffentlich, beispielsweise der von „Journalist 97“: Das ist Linda Zervakis von ProSieben, die für ein Interview mit Olaf Scholz und einen weiteren Auftritt rund 12.000 Euro vom Bundeskanzleramt ausgezahlt bekommen hat – das entspricht dem monatlichen Durchschnittslohn von drei Vollzeitbeschäftigten.

Die Liste der Ampel ist allerdings nicht vollständig. Die Abgeordneten der AfD-Fraktion Martin Erwin Renner, Marc Jongen, Götz Frömming und Beatrix von Storch machen in einer weiteren Anfrage an die Bundesregierung darauf aufmerksam, dass in der Liste über die Honorarzahlungen vier Ministerien gar nicht auftauchen: das Bundesministerium des Innern und Heimat, das Auswärtige Amt, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen.

Staatslohnschreiber
Bundesregierung mauert wieder bei der Bezahlung von Journalisten
Die AfD-Abgeordneten vermuten, dass auch diese Ministerien honorierte Aufträge vergeben haben: Immerhin präsentierte das Auswärtige Amt zwei Journalistinnen der Deutschen Welle als Moderatoren einer Lateinamerika-Konferenz am 28. Mai 2019. Und im Bundesinnenministerium wurde im Dezember 2020 ein monatlicher Podcast von einer Journalistin moderiert, die zeitgleich als Redaktionsleiterin bei der ZDF-Tochtergesellschaft „ZDF Digital Medienproduktion“ fungierte. Daher erscheint es den Abgeordneten der AfD „wenig wahrscheinlich“, dass diese Bundesministerien keine Zahlungen an Journalisten vorgenommen haben sollen.

Zudem haben TE-Recherchen ergeben, dass die Liste der Bundesregierung nicht vollständig sein kann. Konkret betraf es die Vernetzungskonferenz „Kommunale Klimaanpassung im Dialog“ im März 2022. Eine solche Veranstaltung war in der Liste nicht angegeben. Das Umweltministerium räumte auf TE-Anfrage ein, dass Journalisten auch für diese Konferenz Honorare erhielten. Trotzdem hat das Ministerium die Konferenz nicht genannt. Die Begründung des Ministeriums: Die Konferenz sei durch das Zentrum KlimaAnpassung (ZKA) „im Auftrag des BMUV vorbereitet und durchgeführt“ worden.

Darum haben die AfD-Abgeordneten „nunmehr ein drittes Mal“ gefordert, „das gesamte Geflecht an Geschäftsbeziehungen zwischen Bundesregierung und Journalismus im öffentlichen Interesse offenzulegen“ – zunächst in einer „Kleinen Anfrage“ an die Regierung, beziehungsweise an die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB). Aber diese duckt sich weg: Die Bundeszentrale antwortete, dass sich ihre Zusammenarbeit mit Journalisten „in der zur Verfügung stehenden Zeit einer Kleinen Anfrage nicht beziffern“ lasse. Zudem meint sie, dass sie bei ihrer Zusammenarbeit nicht zwischen „freiberuflich tätigen und festangestellten Journalisten öffentlich-rechtlicher oder privater Medien“ unterscheiden.

Journalisten auf Staatslohn
Forderung: Namen bezahlter Journalisten sollen auf den Tisch
Die Abgeordneten hatten eine solche Differenzierung gefordert. Für sie sei das „von Belang“: Immerhin können für die beiden Gruppen unterschiedliche Regelungen für „Nebentätigkeiten“ – etwa ein honoriertes Gespräch mit dem Bundeskanzler – gelten. Außerdem sei „relevant“, ob ein Journalist für ARD und ZDF arbeitet oder nicht: Denn im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gilt das verfassungsrechtliche Gebot einer hinreichenden Staatsferne.

Dieses Gebot der journalistischen Unabhängigkeit hat die Bundesregierung aus Sicht der AfD-Abgeordneten durch ihre Zahlungen an Journalisten – und ihren intransparenten Umgang mit diesen – untergraben. Genauso wie sie damit den Pressekodex des Deutschen Presserats untergraben haben: Dieser betont eine „Trennung von Tätigkeiten“ der Journalisten. Demnach „müssen“ alle Beteiligten auf eine „strikte Trennung“ zwischen publizistischen Tätigkeiten und Funktionen, beispielsweise in einer Regierung, achten. Die Bundesregierung aber vergütet verdeckt mehr als hundert Journalisten des Öffentlich-Rechtlichen – und sieht darin kein Problem: Sie meint, die Aufträge in einer Gesamthöhe von rund 1,47 Millionen Euro stünden „nicht im Konflikt mit der Bedeutung journalistischer Arbeit als Kontrollinstanz staatlichen Handelns oder mit dem Prinzip der Staatsferne des Rundfunks“.

Die Abgeordneten fordern eine vollständige Transparenz der Regierung. Ihrer Ansicht nach belegen die bisher aufgedeckten Verbindungen, dass die Bundesregierung mit einzelnen Journalisten ein „demokratisch fragwürdiges Nähe-Verhältnis“ pflegt. Und damit stehen die Politiker nicht allein da: Auch der langjährige ZDF-Redakteur Peter Hahne hält die – teilweise im fünfstelligen Bereich angesiedelten – Honorarzahlungen der Regierung an Journalisten für ein Einfallstor für „Gefälligkeitsjournalismus“, wie er im Nachrichten-Talk von „Stimmt!“ sagt: „Die Gefälligkeit, für 10 000 Euro zu moderieren, heißt gleichzeitig Gefälligkeitsjournalismus auch im Beruf und im Alltag.“ Man könne nicht mehr von Demokratie sprechen, wenn Journalismus und Politik so eng verflochten seien. Immerhin ist der Journalismus die Vierte Gewalt in der Demokratie – oder sollte es zumindest sein.

Journalisten auf Staatslohn
Ist die Liste der bezahlten Journalisten unvollständig?
Aber die Ampel duckt sich vor den Vorwürfen, die Vierte Gewalt zu untergraben, weg. Sie will die Namen der unbekannten Journalisten nicht offenbaren und womöglich fehlende Journalisten nicht ergänzen – angeblich wegen Zeitmangels. Darum stellten die Abgeordneten eine „Große Anfrage“: Dafür darf die Bundesregierung nämlich mehr Zeit einräumen. Aber auch vor dieser duckt sich die Bundesregierung weg und antwortet „nicht uneingeschränkt offen“, wie sie selbst bemerkt: „aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes (…) der Auftragnehmer sowie zum Schutz bestehender Geschäftsgeheimnisse“.

Entsprechend behauptet die Regierung auf die Frage, welche vergüteten Aufträge in den letzten fünf Jahren an Journalisten gegangen sind: „Die BpB erfasst die berufliche Tätigkeit von Personen, die für die Erbringung von Leistungen an die BpB honoriert werden, nicht regelhaft.“ Das sei wegen des „Grundsatzes der Datenminimierung“ nicht zulässig. Die Bundeszentrale für politische Bildung behauptet also, keine Daten darüber zu haben, welche Journalisten von welchem Medium für sie gearbeitet haben – obwohl sie diese Personen bezahlt haben.

Statt die Namen der honorierten Journalisten zu offenbaren, wirft die Ampel den AfD-Abgeordneten vor, sie würden ihre parlamentarische Kontrolle „missbrauchen“: „Parlamentarische Kontrolle ist politische Kontrolle, nicht administrative Überkontrolle.“ Dabei ist es die „politische Aufgabe“ des Parlaments, die Regierung und Verwaltung zu kontrollieren, zum Beispiel mit solchen Anfragen – und vor allem zu Themen, die die Demokratie gefährden könnten. Das ist ein Teil der Gewaltenteilung der deutschen Demokratie.

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