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Ralf Schuler – Zehn Thesen für eine neue Streitkultur

Populismus ist ein politisches Schimpfwort. Dabei sollte Populismus im ursprünglichen Sinn des Wortes eine demokratische Urtugend sein. Was das Volk (»populus«) will, erwartet, sagt, gehört in einer Demokratie natürlich in die politische Diskussion.

Man kann die BILD Zeitung mögen, man kann sie ablehnen, man kann sie ignorieren. Jedenfalls ist es gut, dass es sie gibt. Denn man bekommt dort zu lesen, worüber die meisten anderen Blätter und vor allem die „Öffentlich-Rechtlichen“ aus Gründen der politisch-korrekten Selbstzensur nichts oder fast nichts berichten: über Probleme mit Flüchtlingen, mit Clankriminalität, mit Parallelgesellschaften, mit dem Euro und anderem mehr. Und es ist gut, dass der führende politische Kopf von BILD Ralf Schuler ist.

Dieser hat ein 240 Seiten starkes Buch geschrieben, das Wirbel verursacht hat. Die politische „Elite“ dieser Republik zählt wohl kaum zu den Lesern. Eine Kanzlerin wird es als nicht „hilfreich“ abtun. Und alle Systemparteien inklusive CSU werden es ebenfalls nicht lesen – allein schon deshalb, weil sie alle, so Schuler, „verbissen“, ja „giftig aggressiv“ einig sind, dass man die Populisten bekämpfen muss.

Eminent lesenswert
Ralf Schulers unverstellter Blick ins Zentrum der Macht
Schulers Buch ist alles andere als eine Gebrauchsanweisung für AfDler oder Pegida-Aktivisten. Nein, es ist eine knallharte Abrechnung mit einer Politik, die sich mehr und mehr vom Volk (lateinisch: populus) entfernt und – so Schuler – zu einer schier heiligen Hetzjagd gegen das Gespenst des Populismus verbündet hat. Für Schuler ist diese Hetzjagd samt „Vertotschlagwortung“ indes ebenfalls blanker, in diesem Fall linker Populismus, dem ein „rechter“ Populismus nicht in den Kram passt, weil er beim Regieren stören könnte. Dafür scheint den Systemparteien jedes Mittel recht, auch das der Pathologisierung „populistischer Kräfte“. Die Verwendung von Begriffen wie Xenophobie, Islamophobie, Homophobie lassen jedenfalls dunkelste Abschnitte deutscher und sowjetischer (Psychiatrie-) Geschichte assoziieren.

Zurecht bevorzugtes Objekt der Kritik Schulers sind Merkel und die Merkel-CDU. In letzterer habe sich „Duckmäusertum“, ein Wegducken unter „absolutistischer Herrschaftsgeste“ breitgemacht, alle Alarmglocken seien verstummt, und am Ende sei die CDU als „Merkel-Applausverein“ mit ihrer teils beliebigen, teils rot-grün angehauchten Politik für das Auftreten und Erstarken der AfD verantwortlich. Merkel habe zwar „Dialoge“ mit der Basis geführt, aber es seien Scheindialoge mit ausgewähltem Publikum gewesen. Die Vermittlung von „Kompetenzvermutung“ (Begriff des Wahlanalytikers Karl-Rudolf Korte) sei das Ziel gewesen.

Schuler lässt nichts aus. Und hat so ein höchst ehrliches Buch vorgelegt. Selbst seine BILD bekommt eine Ohrfeige ab. Denn Schuler führt den Absturz der BILD-Auflage von 2,2 Millionen Exemplaren auf jetzt rund 1,6 Millionen vor allem auf die einseitige „Refugees-welcome“-Positionierung von BILD im Herbst 2015 zurück.

„Hass verbieten, Meinung aushalten?“
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Schuler problematisiert, ob der Islam zu Deutschland gehöre; er zweifelt an der „Traumwelt des wahren, unbefleckten Islams“ (Begriff übernommen von Ruud Koopmanns); er zerpflückt die „Willkommenskultur“; er fragt, ob das Dulden der Abtreibung durch die C-Parteien noch christlich sei; er problematisiert den Umgang der Bundesregierung mit dem UN-Pakt zur Migration. Er scheut sich nicht zu schreiben, dass die „tiefen christlichen Wurzeln Europas“ kaum überschätzt werden könnten und dass das Kreuz ein Zeichen der Inklusion sei – Ende 2016 freilich auf dem Jerusalemer Tempelberg verleugnet von den sonst so gern politisierenden Kirchenoberen Kardinal Reinhard Marx und Bischof Heinrich Bedford-Strom. Auch Merkel bekommt in diesem Zusammenhang ihren Seitenhieb ab, wenn Schuler schreibt, dass sie sich kaum der „christlichen Grundierung“, die den Rechts- und Sozialstaat ausmachten, bewusst sei und nur einen „Frömmigkeitswettbewerb“ auf Lager habe, nämlich die Leute aufzufordern, in die Kirche zu gehen. Mit dieser Union könne man jedenfalls alles haben: die Aufforderung zum Kirchgang, das Singen christlicher Weihnachtslieder, aber auch die Homo-Ehe.

Schon viele Überschriften in Schulers Buch sind provokative These: „Mehr Realismus in der Migrationspolitik“, „Vielfalt ist kein Selbstzweck“, „Wir brauchen eine schonungslose Bestandsaufnahme“, „Medien müssen immer dagegen denken“, „Rechts ist keine Krankheit“, „Kein Streit ist auch keine Lösung: Politiker müssen wieder ja, ja und nein, nein sagen“.

Eine Provokation
Ralf Schuler will, dass auch Andersdenkende frei zu Wort kommen
Da hat ein Profi wirklich „hingelangt“. Und er kennt sich aus. Schuler (Jahrgang 1965, verheiratet, drei Kinder) ist Leiter der Parlamentsredaktion von BILD. Regelmäßig begleitet er Merkel – auch auf Auslandsreisen. Aber Schuler hat sich nie vereinnahmen lassen, wiewohl auch er eine frühe DDR-Vita hat. Dort absolvierte er nach dem Abitur eine Lehre als Mechaniker in der Metallverarbeitung, als Journalist begann er 1985 bei der „Neuen Zeit“. 1989 folgte ein Fernstudium in Literatur- und Kulturwissenschaften. Von 1995 bis 1998 war er Redakteur der „Welt“, danach unter Herausgeber Alexander Gauland bis 2010 Politikchef der „Märkischen Allgemeinen“ in Potsdam. 1993 bekam er den Theodor-Wolff-Preis. Ralf Schuler liebt Heavy Metal und ist Motorradfahrer. Vielleicht kommt von daher sein argumentatives und verbales „Gasgeben“. Mit seinem Buch tut er der Demokratie in Deutschland jedenfalls einen riesigen Gefallen. Dass der sonst eher betuliche und selten systemkritische Herder Verlag Schulers Buch veröffentlicht hat, lässt hoffen.

Ralf Schuler, Lasst uns Populisten sein. Zehn Thesen für eine neue Streitkultur. Herder Verlag, Hardcover mit Schutzumschlag 240 Seiten. Vormals 22,00 €.
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