Tichys Einblick
Lockerung des Einbürgerungsrechts

Bundesregierung inflationiert deutsche Staatsbürgerschaft

Die Ampel formt weiter das deutsche Migrationsrecht um. Durch erleichterte Einbürgerungen will sie die Zuwanderung von Fach- und Arbeitskräften fördern. Ob das geingt, ist fraglich. Eher geht es um eine Verwaltungs-Eulenspiegelei, bei der aus vielen Ausländern wenige werden sollen.

IMAGO / Winfried Rothermel

Eine neue „Fachkräftestrategie“ der Bundesregierung soll Einbürgerungen für Zuwanderer erleichtern und so mehr „Fachkräfte“ anziehen. Das melden verschiedene Medien (etwa die Welt  und ntv) mit Verweis auf das deutsche Nachrichtenportal The Pioneer, dem das entsprechende Koalitionspapier vorliege. Die Chance auf den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft soll bald regulär nach fünf Jahren, „bei besonderen Integrationsleistungen“ sogar schon nach drei Jahren bestehen. Bisher beträgt die normale Wartezeit acht Jahre, die auf sechs Jahre verkürzt werden kann. Mit der Verkürzung der Fristen wird der deutsche Pass, noch immer sehr begehrt wegen der Reisemöglichkeiten, zum Ramschpapier, dessen Wert bald sinken könnte.

Dieses Gesetzesvorhaben und der vielbesprochene Fachkräftemangel wurde am Mittwoch zum Thema eines Spitzengesprächs zwischen Bundesregierung, Gewerkschafts- und Wirtschaftsvertretern in Berlin. Kam die Bundesregierung dabei ins Gespräch mit den Vertretern der Tarifparteien oder wurden die Gewerkschafts- und Wirtschaftsvertreter lediglich über die verschiedenen Vorhaben informiert? Man weiß es nicht. Solche Fragen – nach der Einbindung von Interessengruppen und der transparenten Kommunikation offizieller Vorhaben – sind schon lange kein Thema mehr für die Berliner Meister des Durchregierens und ihre Claqueure in den großen Medienhäusern.

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Die Berechnungen des Bundes besagen, dass bis zum Jahr 2026 deutlich mehr Arbeitsplätze in Deutschland zu besetzen sein werden, als Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Die konkrete Zahl für das Jahr 2026 lautet auf 240.000 freie Stellen – keine riesige Ziffer, aber auch nicht ganz zu verachten, falls sie real sein sollte. Gemeint sein können nur geeignete Arbeits-, also Fachkräfte. Denn 240.000 Erwerbslose für einfache, ungelernte Tätigkeiten sollte es auch 2026 noch in Deutschland geben.

Die Koalition geht von einem Fachkräftemangel in der Informationstechnologie aus, daneben in den Bereichen Bildung und Gesundheit. Im Hotellerie- und Gaststättengewerbe dürfte immerhin das Anlernen der gesuchten Kräfte leichter fallen, auch wenn Sprach- und Kulturbarrieren hier erschwerend wirken.

„Gutsle“ und Antirassismus-Programme für das Einwanderungsland Deutschland

Die Koalition will also bewirken, dass es noch mehr Menschen nach Deutschland schaffen, um den Pool der möglichen geeigneten Arbeitskräfte zu vergrößern. Und eines der „Gutsle“, mit denen die Ampel-Koalierten die Fachkräfte (erneut) ins Land locken wollen, ist eben die beschleunigte Einbürgerung. Doch die so entstehenden neuen Regeln und Gesetze werden offenbar für alle Zuwanderer gelten, egal welche „Einreisemethode“ sie gewählt haben und welchen Aufenthaltsstatus sie folglich besitzen oder nicht. Man lockt also gar nicht trennscharf Fachkräfte an, sondern – wie bisher auch durch eine ausufernde Sozialgesetzgebung – wahllos Migranten, die sich die Finanzierung eines irgendwie besseren Lebens von Deutschland versprechen.

Auch eine etwa entstehende doppelte Staatsangehörigkeit soll bei diesen Turbo-Einbürgerungen kein Hindernis mehr sein. Daneben will man angeblich das Einwanderungs-, Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrecht „modernisieren“, die Verfahren straffen und vereinfachen. Vermutlich hat niemand etwas gegen schnellere Verwaltungsverfahren, nur die Kriterien für die Behördenarbeit müssen stimmen.

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In dem Strategiepapier der Bundesregierung heißt es unter anderem: „Deutschland muss ein Einwanderungsland sein, das auch im internationalen Wettbewerb um Fachkräfte attraktiv ist.“ Es geht hier gleich um zweierlei Müssen. Erstens „muss“ Deutschland ein Einwanderungsland sein, zweitens soll es „im Wettbewerb um Fachkräfte attraktiv“ sein. Man kann den einen und den anderen Satz teilen oder nicht, auch wenn letzteres offenbar in den Reihen der Bundesregierung unmöglich ist. Und man kann sich fragen, wie ein Land wirklich „attraktiv“ für qualifizierte Einwanderung wird.

Daneben gibt es in den Agenturmeldungen zum Spitzengespräch einen Hinweis auf eine weitere Methode zur „Attraktion“ von Zuwanderern: Angeblich verlässt jede zweite „eingewanderte Fachkraft“ Deutschland bald wieder, weil ihr Chancen und Perspektiven fehlen oder weil sie Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung gemacht hätte. Solche Zahlen können nur auf Schätzungen beruhen, denn eine durchgängige Befragung kann es in diesem Bereich kaum geben. Man ist also der Willkür der Planungsfachleute in Regierung und Behörden überlassen, wenn man sich auf solche Aussagen stützt. Die Ampel-Lösung für dieses „Problem“ dürfte klar sein: mehr Antirassismusprogramme und mehr Gelder für in dieser Richtung engagierte staatsnahe Organisationen (vulgo NGOs). 

Schon einmal bewirkte Rot-Grün eine Spitze in der Einbürgerungsstatistik

In jedem Fall dürfte das Ziel der neuen „Regierungs-Strategie“ sich darin erschöpfen, noch mehr Migration, noch mehr Zuwanderung zu generieren, als die Bundesrepublik ohnehin alljährlich verkraften muss. Oder jene im Nachhinein handhabbar zu machen. Der Mediendienst Integration bringt den Sachverhalt auf eine einfache Formel: „Die Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer*innen steigt. Die Zahl der Einbürgerungen stagniert.“ Das müsse sich ändern, kann man schon diesen beiden Sätzen entnehmen. 11,8 Millionen Ausländer leben laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) heute in Deutschland. Bei dem Ampel-Vorschlag geht es offenbar um eine Verwaltungs-Eulenspiegelei, bei der aus vielen Ausländern wenige werden sollen – und noch mehr angelockt werden.

Tatsächlich stagniert die Zahl der Einbürgerungen in Deutschland aber keineswegs, wie es uns der migrationsfreundliche Mediendienst weismachen will. Vielmehr gab es laut Destatis schon 2021 zwanzig Prozent mehr Einbürgerungen als im Vorjahr. Mehr als 131.000 Ausländer erhielten die deutsche Staatsbürgerschaft. Auf einem Höchststand lagen auch die „vorzeitigen Einbürgerungen wegen besonderer Integrationsleistungen“, was derzeit nach sechs Jahren möglich ist. Vor allem die seit 2015 zugewanderten Syrer lassen sich inzwischen massenhaft naturalisieren. 19.100 Syrer wurden so im vergangenen Jahr zu Bundesbürgern, fast dreimal so viel wie noch 2020.

Destatis

Da waren’s nur noch vier
Mehrheit der Bundesländer schließt Erstaufnahmen für Asylbewerber und Ukraine-Flüchtlinge
Die normalerweise vorgeschriebenen acht Jahre bis zur Einbürgerung haben die meisten von ihnen noch nicht erreicht – das kommt aber bald. Als nächstes in der Liste von 2021 folgen Türken (12.200 Einbürgerungen), Rumänen (6.900) und Polen (5.500). In einer Destatis-Graphik kann man sehen, dass die Einbürgerungen von EU-Bürgern in den letzten Jahren abgenommen haben, weil diese auch so schon viele Rechte in Deutschland haben. Deutlich zugenommen haben über die Jahre die Naturalisierungen von Nicht-EU-Ausländern, aber auch von den neu zugewanderten Osteuropäern.

Um das Jahr 2000 gab es schon einmal deutlich mehr Einbürgerungen als heute. Man erinnert sich, damals hatte die rot-grüne Regierung eine Offensive in dieser Richtung gestartet, um vor allem seit längerem hier lebende Migranten – besonders Türken und Araber – zur Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft zu bewegen. Die neue rot-grün-gelbe Koalition bemüht sich, den alten Höhenkamm wieder zu erreichen.

Zuwanderung bewirkt ihrerseits Fachkräftebedarf

Erstaunlich ist aber vor allem eines: Nach sieben Jahren Migrationsdesaster an deutschen Grenzen, einem fortgesetzten Rechtsbruch, der schon bald von Politik und Wirtschaftsbossen als Initiative zur Gewinnung von „Fachkräften“ idealisiert wurde, sind Deutschlands Probleme in dieser Hinsicht offenbar noch immer nicht gelöst. Und das, obwohl das Land den paneuropäischen Trend der sinkenden Geburtenzahlen umgekehrt hat und in den letzten Jahren deutlich an Bevölkerung zugelegt hat. 

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Seit 2015 haben sich verschiedene Bundesregierungen dem Ziel gewidmet, ein bereits dicht besiedeltes Land weiter zu bevölkern und zu verdichten. Destatis spricht von 1,2 Millionen „Flüchtlingen“, die zwischen 2014 und 2021 nach Deutschland gekommen seien, darunter 670.000 Syrer, 221.000 Afghanen und 191.000 Iraker. 2022 kam eine knappe Million Ukrainer und „Flüchtlinge mit Ukraine-Bezug“ dazu. Deutschland beherbergt also alles in allem mehr als zwei Millionen „neuere“ Flüchtlinge, davon sind noch einmal knapp die Hälfte in diesem Jahr dazugekommen. Doch den deutschen Bedarf an Arbeits- und Fachkräften konnten sie alle nicht decken. Das ist aber auch kein Wunder, denn der heutige Bedarf ist oft genug erst das Ergebnis der massiven Zuwanderung.

In den großen Städten kann man die neue Enge schon spüren – zum Beispiel während der Freibadsaison. Aber auch auf dem Land kommen die Gemeinden nicht mit der Wohnraumbeschaffung für Flüchtlinge und andere Migranten nach. Diese erst öffentliche, dann private Wohnungsnot ist dabei nicht der einzige Punkt, an dem die Probleme einer nicht enden wollenden Massenzuwanderung erkennbar werden. Tatsächlich sind fast alle Lebensbereiche betroffen: das teure deutsche Gesundheitssystem genauso wie das überlastete Bildungssystem. Kita-Plätze sind genauso Mangelware wie gute Lehrer, die sich mit multiethnischen Klassen auch eher schwertun. Auch Arzttermine bekommt man nicht mehr so leicht wie noch vor wenigen Jahren. „Corona“ hat dabei geholfen, ein früher eng-vertrauensvolles Verhältnis auf Distanz zu stellen.

Die meisten legalen Einwanderer, die in Deutschland heute mittels der schon fast wieder vergessenen „Blue Card“ arbeiten, kommen übrigens aus Indien (28 Prozent oder 19.900 Personen). Aus der Türkei stammen nur 4.200 Blue-Card-Arbeitskräfte (sechs Prozent), ebenso viele kamen aus China, etwas weniger aus Russland. 72 Prozent dieser Fachkräfte sind männlich. Im Durchschnitt sind sie 34 Jahre alt. Insgesamt reden wir von 70.000 Fachkräften, die per Blauer Karte in Deutschland arbeiten. Hier könnte eine findige Bundesregierung ansetzen und Bedingungen für ausgebildete Fachkräfte verbessern, ähnlich wie man es in Großbritannien und anderen noch traditionsreicheren Einwanderungsländern hält. Stattdessen setzt die Ampel einmal mehr auf Masse statt Klasse.

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