Tichys Einblick
Durchdekliniert

Wer wird Verteidigungsminister?

Mindestens vier „prominente“ Namen sind bislang im Gespräch – einer weniger überzeugend als der andere. Verkompliziert wird die ganze Sache noch dadurch, dass auch zukünftig eine fifty-fifty-Besetzung Männlein versus Weiblein eingehalten werden soll.

The German federal defense ministry (Verteidigungsministerium) in Berlin, Germany

© Adam Berry/Getty Images

Lassen wir die Frage mal beiseite, ob von der Leyen Präsidentin der EU-Kommission wird. Am 16. Juni wird das Europäische Parlament entscheiden, ob es sich der Handstreichaktion der Staatschefs, vor allem des französischen Staatspräsidenten Macron, beugt. Für Deutschland in jedem Fall wichtiger ist die Frage, wer auf Ursula von der Leyen (vdL) an der Spitze des Verteidigungsministeriums folgt. Denn die Nachfolge muss in jedem Fall geregelt werden. Fall I: Falls vdL nach Brüssel geht, wird ihr Büro im Bendler-Block frei. Fall II: Auch wenn vdL für die EU-Kommission „durchfällt“, müsste sie eigentlich den Hut nehmen, denn eine Ministerin, die andernorts nicht vermittelbar ist, kann nicht an der Spitze des Verteidigungsministeriums bleiben. Der Imageschaden nicht nur für vdL, sondern auch für die Bundeswehr wäre ins Endlose vermehrt.

Also beteiligen wir uns an der Frage, wer ihr im Bundeskabinett nachfolgen könnte. In den Medien wird die Frage bereits hyperaktiv hyperventiliert. Mindestens vier „prominente“ Namen sind bislang im Gespräch – einer weniger überzeugend als der andere. Verkompliziert wird die ganze Sache noch dadurch, dass Merkel und die CDU-Vorsitzende Kramp-Karrenbauer offenbar wild entschlossen sind, auch zukünftig eine fifty-fifty-Besetzung Männlein versus Weiblein einzuhalten.

Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU, 57): Wenn sie wollte, wäre sie auf diesem Posten nicht zu verhindern. Für die Kabinettsstatik wäre sie – weil Frau – die ideale Besetzung. Für Merkel ebenfalls: AKK würde in die Kabinettsdisziplin eingebunden, ihr Amt als CDU-Vorsitzende könnte sie nur noch nebenher ausüben, Profilarbeit wäre kaum noch denkbar. Das weiß AKK, darum will sie dieses Ministeramt nicht. Ist auch besser so, denn mit Fragen der Bundeswehr und der äußeren Sicherheit hatte sie bislang nichts am Hut.

Peter Tauber: Kamikaze gegen Grundrechte
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Dr. Peter Tauber (CDU, 44): Er gilt den Medien als Favorit. Weil? Weil er den Generalsekretär für die CDU-Vorsitzende Merkel gab, weil er seit eineinhalb Jahren Parlamentarischer Staatssekretär bei vdL ist, weil er soeben zum Hauptmann der Reserve befördert wurde, weil er angeblich von der Truppe gewollt wird. Ob das reicht? Auf den ersten Blick vielleicht. Aber: Er war für den Wahlkampf 2017 verantwortlich – am Ende mit dem schlechtesten CDU-Ergebnis seit 1949. Auch sonst ist Tauber bislang eher durch unqualifizierte Statements und Gedankenspiele aufgefallen. Ende November 2016 soll er Kanzlerin Merkel gegenüber Gegnern der Merkel’schen Flüchtlingspolitik mit den Worten verteidigt haben, wer nicht für sie sei, „sei ein Arschloch“. Tauber kann sich an diese Worte angeblich nicht erinnern, er entschuldigte sich aber, sollte er sie tatsächlich ausgesprochen haben. Viel gravierender ist ein verfassungswidriger Ausraster Taubers: Am 16. Juni 2019 schlug Tauber in einem Namensbeitrag in der WELT vor, Kritikern der Asylpolitik der Bundesregierung ihre Grundrechte zu entziehen. Konkret bezog er sich auf AfD-Politiker, denen er eine Mitschuld am Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke gab. Solche Leute, so Tauber, hätten durch eine enthemmte Sprache zu einer Enthemmung der Gewalt beigetragen. Tauber regte an, gegen solche „Feinde der Demokratie“ nicht nur mit den Mitteln des Strafrechts vorzugehen.

Sie befeuern ein antiliberales Klima
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Denn nach Artikel 18 des Grundgesetzes verwirke derjenige seine Grundrechte, der diese zum Kampf gegen die „freiheitlich demokratische Grundordnung“ missbrauche. Und das als Verteidigungsminister in spe in einer Truppe, die auf das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform und auf das Prinzip der Inneren Führung ausgerichtet ist! Kanzlerin Merkel pfiff Tauber zwar zurück, sie tat das aber in einem Stil, mit dem sie belegte, dass ihr das als gefühlte Autokratin offenbar zustünde. Sie sagte am 26. Juni im Bundestag: „Ich habe nicht die Absicht, Grundrechte zu entziehen.“ Wohlgemerkt: „Ich“! (Aber: Es gab Applaus von allen Fraktionen!) Siehe hier.

Jens Spahn (CDU, 39): Der sich für alle Ämter geeignet Fühlende ist seit März 2018 Minister für Gesundheit. Aber er macht im Gesundheitsministerium – in Relation zu manch anderen Ministerien – einen soliden Job. Und er weiß, dass der Chefsessel im Verteidigungsministerium ein Schleudersitz ist. In Fragen der Bundeswehr ist er bislang nicht aufgefallen, „gedient“ hat er nicht, er wurde „ausgemustert“. Seine Berufung in das Amt des Verteidigungsministers würde allerdings eine andere Möglichkeit eröffnen. Als Gesundheitsministerin würde ihm womöglich die derzeitige Integrationsbeauftragte Annette Widmann-Mauz (CU, 53) folgen. Sie war lange Zeit Staatssekretärin im Gesundheitsministerium. Das Kriterium „Frauenquote“ bliebe erfüllt.

Peter Altmaier (CDU, 61) galt lange Zeit als Allzweckwaffe: als Innenstaatssekretär, Fraktionsgeschäftsführer, Umweltminister, Kanzleramtschef, jetzt ist er – von den Spitzenverbänden der Wirtschaft alles andere als geliebt – Wirtschaftsminister. Von dort würde er im Falle eines Ressortwechsels aus dem Feuer genommen. Der Wirtschaft wäre es recht, dann etwa einen Carsten Linnemann (CDU, im Moment Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung) als Wirtschaftsminister zu bekommen. Als Kanzleramtsminister war Altmaier wohl mit allen Ressortfragen beschäftigt, und seinen Wehrdienst hat er auch abgeleistet.

Nicht einmal bedingt abwehrbereit
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Hinter diesen vier Namen tauchen in zweiter Reihe fünf weitere Namen auf: Johann Wadephul (CDU, 56) ist Fraktionsvize der Union und in dieser Eigenschaft für Verteidigungs- und Sicherheitspolitik zuständig. Er ist Major der Reserve. Henning Otte (CDU 50) amtiert als verteidigungspolitischer Sprecher der Union im Bundestag. Er ist Reserveoffizier. Roderich Kiesewetter (CDU, 55) ist Außenpolitiker; als Oberst a.D. und ehemaliger Präsident des Reservistenverbandes steht er der Truppe nahe. Carsten Linnemann (CDU, 41), vormaliger Grundwehrdienstleistender, wäre als Fraktions-Vize und als Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung ebenfalls einer aus der zweiten Führungsreihe der CDU/CSU-Fraktion. Thomas Silberhorn (CSU, 50) ist wie Tauber ebenfalls Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Er ist „ungedient“. Der größte Haken bei ihm ist seine CSU-Mitgliedschaft. Würde er Verteidigungsminister, müsste die CSU ein anderes von ihr geführtes Ministerium zugunsten der CDU aufgeben. Das Seehofers oder Scheuers?

Bundeswehr-Desaster
"Nicht einmal bedingt abwehrbereit"
Gäbe es Alternativen? Spekulieren kann man ja mal. Zum Beispiel über Thomas de Maizière (CDU, 65). Er war ähnlich wie Altmaier schon fast alles: Kanzleramtsminister, Innenminister, zweieinhalb Jahre lang Verteidigungsminister. Er kennt sich im Bendlerblock aus. Für die „Restlaufzeit“ der amtierenden Bundesregierung von maximal gut zwei Jahren wäre er ein Übergangsmann. Oder Friedrich Merz (CDU, 63), ehemaliger Grundwehrdienstleistender, vormaliger Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Fraktion und beinahe CDU-Vorsitzender. Viele wünschen sich den überzeugten Atlantiker als Mitglied des Kabinetts. Oder: Joachim Hermann (CSU, 62). Er ist Oberstleutnant der Reserve. Mit Sicherheitsfragen, hier der Inneren Sicherheit, ist er bestens vertraut. Als langjähriger bayerische Innenminister fährt er unaufgeregt, aber deutlich erkennbar eine klare Linie. Bei der Polizei ist er sehr geschätzt, ohne Zweifel würde ihm diese Wertschätzung auch von den Soldaten entgegengebracht. Sein Problem ist eher dasselbe wie bei Silberhorn: Die CSU müsste dann ein anderes Ressort räumen.

Wie auch immer: Die Bundeswehr hat an der Spitze endlich eine Führungskraft verdient, die eine Autorität nach außen in die Politik hinein und nach innen in die Truppe hinein darstellt. Nach von der Leyen kann es nur noch aufwärts gehen. Nein: Muss es endlich aufwärts gehen.


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