Tichys Einblick
Parteitags-Splitter

Was von der CDU übrig ist, schrumpft mit Merkel weiter

Mit AKK gewann Frau Merkel auch dieses Personalgefecht wie fast alle zuvor. Damit reiht sich das Gefecht von Hamburg in die vielen ein, die noch kommen bis zur finalen Niederlage der einstigen Volkspartei. Auch beim Ende der Christdemokratie kommt Deutschland wie üblich spät.

John MacDougall/AP/Getty Images

Nach dem Hamburger Rausch der Gefühle steht der CDU ein handfester Kater bevor. Acht Regionalkonferenzen haben in der Partei die Illusion geweckt, die Mitglieder hätten doch etwas zu sagen, ihre Meinungen seien doch gefragt und würden es in Zukunft sein – nach Jahrzehnten der CDU als Akklamationsverein. Was der Parteiapparat als Pogrammprozedere abziehen wird, kann gar nicht anders ausgehen als im Formaliengedresche, das Jens Spahn bei seiner Rede anschaulich dargestellt hat – gipfelnd in der fiktiven Frage an ein neues Mitglied der CDU: Haben Sie danach Lust wiederzukommen?

Beim Parteitag der CDU ging es um eine Richtungsentscheidung. Es bemühten sich zwar praktisch alle, genau das hinwegzureden, indem sie den Wettbewerb der drei Kandidaten auf die Alternative von Personen reduzierten, die alle gleichermaßen geeignet wären, die CDU zu führen. In Wahrheit ging es um mit Merz und Spahn für den Kurswechsel gegen Merkel oder mit AKK für Weiter so mit Merkel.

Als Symbol dafür mag stellvertretend stehen, was dem aufmerksamen Ralf Schuler nicht entging. „Mehr Wirtschaft wagen” als Slogan auf 1.000 Wasserflaschen war der einstigen Partei der Sozialen Marktwirtschaft eine zu gefährlich wirtschaftsfreundliche Hilfe für den Kandidaten Merz. Die Merkel-CDU unterband die Aktion.

Was Tina Hassel da stellvertretend für die Merkel-Medien an Gefühlsduselei für eine Frau Merkel intoniert, eine Frau, über die sich viel sagen lässt, nur nicht, dass sie Mitgefühl für irgendjemand anderen als sich selbst hätte, sagt daher auch nichts über Frau Merkel, aber viel über Merkel-Journalisten: Vor allem, dass sie nicht merken, auf welches reale Maß in Europa und der Welt ihr von Anfang an viel zu großes Merkel-Bild bereits geschrumpft ist.

Was Ulf Poschardt über die Mickrigkeit der Claqueure schreibt, stimmt ohne Zweifel, aber: Frau Merkel im Abschied groß? Erstens kein Abschied, nur Beförderung von Generalsekretärin zur Prinzregentin, und zweitens, was er groß nennt, ist hinter der Funktion der Rede als Wahlkampf für AKK ihre Chuzpe: Hätte Frau Merkel das getan, was sie als ihre Bilanz aus einem geschickt formulierten Manuskript vorlas (daher sprachlich verständlich), hätte Deutschland kein einziges seiner vielen großen ungelösten Probleme.

Also Herr Walde, da hätte sich als Kommentar des Bildes besser geeignet, eine Textänderung des Parteitags-Mottos vorzuschlagen, die auch dem absehbaren und tatsächlichen Verlauf besser entsprochen hätte: Zusammenkehren. Was zusammen zu kehren ist.

Herr Feldenkirchen freute sich – wie andere aus umgekehrten Gründen – zu früh auf den Sieg von Merz. Seine Sehnsucht nach einer „rechten” CDU, die er von dort aus, was der SPIEGEL heutzutage mit „links” verwechselt, gern verbal versenkt hätte, ist verständlich. Zu früh gefreut.

Beim ZDF war auch irgendwer zu voreilig. Kein Wunder, dass Kabarett im Deutschland von heute nicht geht. Politik und Medien sind immer schon da.

Herr Bittner, ich bitte Sie. Frau Merkel schadet dem Land auch weiterhin mit ihrer falschen Politik. Kommunikation dürfen Sie Frau Merkel erstens nun wirklich nicht unterstellen. Und zweitens hat sie im korrekt verlesenen Redetext genau aufgezählt, was sie nicht getan hat – wenn auch genau anders herum – denn schuld sind bei ihr immer andere: Basiskönnen langgedienter Funktionäre.

Was zum taktlosen Taktstock ganz im Gegenteil zu Frau Hassel zu sagen ist, steht im Anschluss bei Julian Reichelt. Das lässt gleich die Luft aus der vollmundigen Ankündigung von Frau Kramp-Karrenbauer in ihrer Kandidatenrede, so etwas wie bei G 20 in Hamburg werde der Staat nicht mehr dulden. Er wird – leider.

Eines darf am Ende nicht fehlen: Springer hat sich massiv für Merz eingesetzt. Und Merz hat es trotzdem nicht geschafft. Warum? Die meisten Journalisten und viele andere unterschätzen völlig, in welchem Ausmaß die Merkel-CDU von einem dicht geküpften Funktionärsnetz von Berlin bis in die kleinsten Einheiten durchregiert. Der Unterschied zu den anderen Parteien besteht nur darin, dass bei denen zur Zeit niemand mit solcher Gnadenlosigkeit bestimmt wie Frau Merkel in der CDU. An der Stelle sollte sie jeder Ernst nehmen. Den Preis zahlt sie am Tage ihres tatsächlichen Abschieds. Dann fallen alle über sie gnadenlos her, die bis dahin weiter unkritisch ihr Loblied singen.

Zu guter letzt für alle, die den Parteienstaat nicht kennen, die Demonstration am freiwilligen Beispiel eines Bundestagsabgeordneten:

Herrn Schuster ist seine erfrischende Ehrlichkeit gar nicht aufgefallen: „Sie hat es sich innerparteilich redlich verdient”. Auch Bundesvorsitzender ist ein Posten, keine Führungsaufgabe. Merke: Parteien machen keine Politik, sie machen Berufspolitiker, Funktionäre. Sie sind ein Karriereverein auf Gegenseitigkeit. Und verwechseln sich gerne mit der Bevölkerung.