Tichys Einblick
Entschieden vor der Endrunde

Seehofer und Merkel 11: Den Zeitpunkt verpasst

So weit ich mich umsehe und umhöre, kommt es auf den Montag oder auch noch mehr Tage des Taktierens nicht mehr an. Seehofer hat wie Merkel jetzt schon verloren. Seehofer nur noch ein Gefecht mehr, Merkel alles.

@ TOBIAS SCHWARZ/AFP/Getty Images

Gestern schrieb ich: Verstreicht der Montag ohne eindeutige Entscheidung, verlieren Seehofer, Söder und die CSU das Momentum ganz, das sie schon gestern halb aus der Hand gaben, weil Eisen geschmiedet werden müssen, solange sie heiß sind.

So weit ich mich umsehe und umhöre, kommt es auf den Montag oder auch noch mehr Tage des Taktierens nicht mehr an. Seehofer hat wie Merkel jetzt schon verloren. Seehofer nur noch ein Gefecht mehr, Merkel alles.

Aber die beiden sind nicht die einzigen, die sich um einen Platz auf der Liste der Verlierer bewerben. Grüne und FDP bringen prompt Jamaika ins Spiel. Es kommen immer noch welche dazu, die partout nachweisen wollen, dass die ganze politische Klasse (und affilierte Medien) mit in den Merkel’schen Abgrund springen will. Als gönnten sie Merkel nicht einmal den Absturz allein. Ich bin sicher, diese Serie der unfreiwilligen Selbstdarstellung der Polit-Mandarine setzt sich fort.

Die CSU im bayerischen Landtag lehnt ein Abwarten bei den Zurückweisungen an der Grenze bis zum EU-Gipfel Ende des Monats ab:

«„Wir sind schon mal von der Bundeskanzlerin gebeten worden, ihr bis zum nächsten EU-Gipfel Zeit zu geben, um eine europäische Lösung anzustreben. Das war vor 877 Tagen und vielen weiteren zwischenzeitlichen EU-Gipfeln“, erklärte Fraktionschef Thomas Kreuzer am Freitag und klagte: „Es gibt bis heute keine europäische Lösung.“»

Das ist richtig und inzwischen bedeutungslos. Während Merkel die Gebetstrommeln ihrer EU-Ausreden, die sie unzulässigerweise europäisch nennt, immer und immer weiter dreht, verabschieden sich immer mehr Länder rund um Deutschland und darüber hinaus vom Asylrecht der EU: Sie machen einfach, was sie wollen, wenn es ihre nationalen Interessen verlangen.

Ob Seehofer die Bundespolizei anweisen wird, Asylbewerber abzuweisen, die „aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft“ oder aus einem sicheren Drittstaat einreisen wollen (GG, Art. 16a), ist dann zwar immer noch ein Symbol, mehr aber nicht.

„Wir sollten europäische Zentren in den Herkunftsländern schaffen“, sagte Conte nach einem Arbeitsessen mit Macron in Paris. Macron betonte bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Conte, er unterstützte die Idee von „Zweigstellen unserer Asylbehörden, um diese Frage auf der anderen Seite“ des Mittelmeers zu lösen.

Dem Beispiel Macron werden weitere folgen. Sobald es an der Grenze Frankreich und Spanien Migranten-Probleme gibt, wird sich Macron mit Sanchez wie mit Italiens Conte und Salvini einigen – begleitet durch passende Initiativen von Österreichs Kanzler Kurz als EU-Ratsvorsitzender.

Frühere Anhänger wenden sich von Merkel ab (Beispiel eine WELT-Autorin), doch Seehofer hat ja nur eine ganz schmale Antwort, wie schmal wird sich schnell herausstellen, wenn das Duellchen Seehofer-Merkel vorbei ist. Selbst wenn er das bisschen Grenzregime durchsetzt, was nützt das, wenn mit dem Familiennachzug weiter zugewandert wird. Frank Lübberding erinnert darüber hinaus:

So lange sich gar nichts zu bewegen schien, nun kommt alles ins Rutschen. Nicht einmal die Fußball-WM rettet Merkel. Die Lawine rollt.

n-tv berichtet aus dem aktuellen RTL/n-tv Trendbarometer von Forsa:

«Der Asylstreit zwischen CDU und CSU geht für beide Parteien klar nach hinten los … Die Union, die von Montag bis Mittwoch noch auf 34 Prozent kommt, fällt in der zweiten Wochenhälfte auf 30 Prozent … Der Streit zwischen CSU und CDU schadet aber auch der CSU … Sie kommt … nur noch auf 36 Prozent … Profiteur … die AfD. Sie verbessert sich im Laufe der Woche von 13 auf 15 Prozent … Zulegen können zwischen der ersten und zweiten Wochenhälfte auch die Grünen um 2 Prozentpunkte. FDP und Linke gewinnen jeweils einen Punkt. Auch der Anteil der Nichtwähler und Unentschlossenen steigt von 23 auf 26 Prozent.»

Die Regierungs-Medien können die Öffentlichkeit offensichtlich nicht mehr hinter Merkel versammeln. Seehofer kann daraus keinen Honig saugen, dazu hat er zu lange gezaudert und tut es ja bei Lichte besehen immer noch. Sein Verdienst und der der CSU wird es am Ende sein, Merkel als das entlarven zu helfen, was sie ist: Eine Blenderin, die keine Heimtücke scheut, um ihr Amt noch eine Weile zu besitzen.

CDU-MdB Kai Whittaker hält einen neuen Kanzler Ende nächster Woche für möglich, sagte er im englischen EXPRESS.

Seehofer und Merkel: Stunde der Wahrheit

Seehofer und Merkel 2: in der CSU brodelt es

Seehofer und Merkel 3: Morgen bei Kurz in Wien statt bei der Kanzlerin

Seehofer und Merkel 4: Salvini

Seehofer und Merkel 5: Angela mutterseelenallein

Seehofer und Merkel 6: Kurz entschlossen

Seehofer und Merkel 7: „unter der europäischen Decke“

Seehofer und Merkel 8: Nur Eskalation oder Entscheidung?

Seehofer und Merkel 9: Sie schlägt den Aufstand in der CDU nieder, er muss nun allein handeln

Seehofer und Merkel 10: Montag ist D-Day, so oder so