Tichys Einblick
„Ablasshandel“ à la Grüne

Parteien und politische Milieus: Wer sind die deutschen Vielflieger?

Grüne wollen für die Bürger Flugreisen reduzieren und teurer machen. Sie selbst aber brechen ihre formulierten Flug-Gebote und betreiben einen ebenso schwungvollen wie heuchlerischen „Ablass-Handel“.

Getty Images

„Bild“ weiß bekanntlich oft mehr als andere Zeitungen. Und manchmal präsentiert Europas größte Boulevardzeitung ihr Wissen sogar auch dann der Öffentlichkeit, wenn dadurch zentrale Regeln der Political Correctness verletzt werden. Jetzt hat die „Bild“-Zeitung genaue Kenntnis darüber erhalten, wie viele Auslandsreisen die 709 Abgeordneten im Deutschen Bundestag bei der Verwaltung des Parlaments innerhalb von nicht einmal ganz zwei Jahren abgerechnet haben. Dieses Flugdaten-Wissen wollte „Bild“ nicht für sich behalten.

Seit September 2017 hat die Parlamentsverwaltung insgesamt 1.182 Dienstreisen ins Ausland bezahlt, fast alle wurden mit dem Flugzeug gestartet. Dabei gab es auch viele illustre Ziele. Einmal etwa ging es, mehr oder weniger dienstlich, in die Südsee – auf die fernen Fidschi-Inseln.

Zusätzlich zu privaten Flugreisen und offiziellen Inlandsflügen, die hier nicht näher zur Debatte stehen sollen, hat es den Angaben der Bundestags-Verwaltung zufolge die folgenden internationalen Flugreisen von Abgeordneten gegeben, die als „dienstlich“ deklariert worden sind:

  • 328 Fern-Reisen absolvierten die Abgeordneten als „Delegationsmitglieder“. Das waren, so sollte man zumindest annehmen, überwiegend Reisen wirklich dienstlichen Charakters.
  • Bei 854 Auslands-Flügen handelte es sich um „Einzeldienstreisen“, die die Politiker also auf eigene Initiative unternommen haben und die ebenfalls von der Verwaltung vollumfänglich bezahlt wurden.
Zusätzlich zu Gruppen-Flügen: Internationale Exkursionen auf eigene Faust – auf Kosten des Steuerzahlers

Ablass
Die Grünen sind die Partei der Vielflieger
Für drei Fraktionen hat „Bild“ deren Reise-Daten veröffentlicht. Die größte Fraktion im Bundestag stellt die CDU/CSU – mit 246 Sitzen. Die Unionspolitiker buchten – zusätzlich zu den Gruppen-Reisen – die meisten Einzel-Flüge und –Reisen, nämlich 330. Die bisher zweitgrößte Fraktion (153 Sitze), die der Sozialdemokraten, ließ sich 168 Einzelunternehmungen ins Ausland erstatten. Die Grünen-Fraktion (67 Parlamentarier) kamen auf stolze 126 internationale Einzel-Reisen, die auf eigene Faust – und auf Kosten des Steuerzahlers – unternommnen worden sind.

Diese Zahlen kann man nun in Relation stellen zur jeweiligen Fraktionsstärke. Rein statistisch gesehen: Wie viele Auslands-Individualreisen hat jeder einzelne Abgeordnete dem Fiskus „dienstlich“ in Rechnung gestellt (die Inlandflüge nicht mitgerechnet)? Die Auswertung ergibt: Auf je einen Abgeordneten kommen (zusätzlich zu „amtlichen“ Gruppenreisen)

  • bei der CDU/CSU: 1,3 Individual-Reisen ins Ausland
  • bei der SPD: 1,1 Einzel-Auslandsexkursionen
  • bei den Grünen: 1,8 internationale Allein-Unternehmungen.

Anders formuliert: Aus statistischer Sicht hat ein Grünen-Abgeordneter – wie gesagt: zusätzlich zu Gruppen-Flügen – nahezu doppelt so viele individuelle Auslandsflüge gebucht wie ein Parlamentarier von der SPD, der auf dem dritten Platz gelandet ist. Unangefochten steht an der Spitze der „statistische“ Abgeordnete der Grünen – noch vor dem Volksvertreter aus der Unionsfraktion.

Die Bundestagsabgeordneten haben insgesamt ihren Flüge-Vorjahresrekord von 7 426.382 Meilen rund um die Welt ganz locker gebrochen. Denn 2018 flogen die Vertreter des Volkes bereits in der Summe 9.075.319 Meilen („Hamburger Abendblatt“). Da grenzt es schon an bodenlose Frechheit, wenn „Volksvertreter“ ihrem Volk eine spürbare Beschränkung von Flugreisen aufoktroyieren wollen. Politisches Vorbild geht anders.

Predigen doch insbesondere die grünen Politiker tagtäglich, die Bürger sollten ihre Flugreisen erheblich reduzieren, um so den weltweiten CO2-Ausstoß zu reduzieren. Die Grünen predigen mit großer Chuzpe Wasser – und trinken selbst doch regelmäßig Wein.

Welche Wähler-Milieus sind auf Fernreisen am meisten per Flugzeug unterwegs?

Am Boden bleiben
Gegen CO2: einmal in den "Smog von Delhi" und zurück
Interessant sind auch die Zahlen, die sich nach einer Wählerbefragung der „Forschungsgruppe Wahlen“ ergeben. Gefragt wurde in einer repräsentativen Bürger-Umfrage nach dem jeweiligen individuellen Flugverhalten im letzten Jahr. Demnach sind es mit Abstand an erster Stelle die Grünen-Wähler, die am häufigsten fliegen: „49 Prozent gaben mindestens einen Flug in den letzten zwölf Monaten an“ („science-skeptical.de“).

An zweiter Stelle liegen die Wähler der Linken – mit 42 Prozent. Auf dem dritten Platz sind die CDU/CSU-Wähler mit 36 Prozent gelandet. Danach kommen die SPD-Wähler mit „nur“ 32 Prozent. Gutbetuchte, alternative Milieus (soziale Gruppen), die überproportional gern die Grünen und die Linken wählen und überdurchschnittlich in Städten leben, fliegen demnach „viel und weit – mit hohen Emissionen“ („science-skeptical.de“).

Langstrecken-Flugreisen sind, das ist unbestritten, mit Abstand die größten CO2-Verursacher. Ein Flug-Trip an die US-amerikanische Ostküste – zum Beispiel nach New York – stößt pro Person für Hin- und Rückflug rund vier Tonnen CO2 aus. Bis an die Westküste der USA werden bis zu sechs Tonnen emittiert, das ist etwa dreimal so viel wie ein ganzes Jahr Autofahren (12.000 Kilometer) in einem Mittelklassewagen. Dabei entstehen freilich auch noch weitere schädliche „Substanzen – wie Stickoxyde, Aerosole und Wasserdampf“ („Hamburger Abendblatt“).

Ohne Flugscham: Es gibt ja den grünen Klima-Ablasshandel

„Science-skeptical“ hat auch Veröffentlichungen der Organisation „Atmosfair“ ausgewertet. „Atmosfair“ ist, nach eigener Aussage, eine der größten Klimaschutzorganisationen mit dem „Schwerpunkt Reise“. Der Verein erhält Gelder von „Klima-Sündern“, die zum Beispiel mit dem Flugzeug gereist sind und diese Flugreise anschließend bereuen. Die vermeintlich reumütigen Viel-Flieger zahlen also „Kompensationsgelder“, wie es öffentlich heißt. Die halten sich freilich in engen Grenzen. Das hat die „Westdeutsche Zeitung“ recherchiert:

„Eine vierköpfige Familie, die im August auf Mallorca Urlaub machen möchte, zahlt für Hin- und Rückflug ab Düsseldorf bei Atmosfair 63 Euro, um die klimaschädliche Wirkung auszugleichen. Atmosfair geht davon aus, dass 2720 Kilo Kohlendioxid kompensiert werden müssen, also 680 Kilo pro Person. Zum Vergleich: Die Pro-Kopf-Jahresemission in Indien beträgt 1600 Kilo. Nach der Online-Zahlung gibt es auf Wunsch per Mail ein Zertifikat, das den Klimaschutzbeitrag dokumentiert.“

Pharisäer
Wieder mal die Grünen: Flüge drastisch reduzieren!* (Aber bitte nur für die anderen)
Solche „Strafgelder“ zur Tilgung der Umweltsünden sind für einen Bundestagsabgeordneten nichts weiter als ein klitzekleines Trinkgeld. Zumal derartige Klima-Spenden auch noch von der Steuer abgesetzt werden können. Dieser Klima-Handel ist im Kern nichts weiter als ein kolossales Täuschungsmanöver.

Wenn „Atmosfair“ in großem Umfang „Klima-Kompensations-Gelder“ erhält, so betreibt der Verein eine Art „Ablass“-Handel auf moderne Art, der in der römisch-katholischen Kirche früher gang und gebe war, aber immerhin schon seit 1562 verboten und seit 1567 mit der Strafe der Exkommunikation belegt ist. Besonders häufig wollen sich so offensichtlich Mitglieder von grünen Verbänden oder Parteien von ihrer „CO2-Schuld“ reinwaschen. Denn das auf diese Weise eingenommene Geld soll dann durch Vereine wie „Atmosfair“ im Sinne von Klimaschutz-Maßnahmen wieder ausgegeben werden. Zum Beispiel in Afrika. Echte Kontrolle dieses Ablasshandels? Ist meist nicht genau bekannt. Erstaunlich, wie kreativ doch Politiker bisweilen werden können – wenn es um ihre eigenen Interessen geht.

Flugreisen von Münchner Kommunal-Politikern: Welche Fraktion hatte die höchste Pro-Kopf-Rate?

Veröffentlichungen des Vereins „Atmosfair“ zufolge haben Stadträte (Kommunalpolitiker) und höhere Bedienstete der Landeshauptstadt München im Jahr 2017 deutlich mehr Flugreisen unternommen als 2016. Innerhalb eines Jahres summierten sich die Flüge auf 3,5 Millionen Kilometer. Das waren etwa zwei Millionen mehr als im Jahr zuvor. Einsam an der Spitze standen dabei die Kommunalpolitiker der Grünen-Fraktion, sie sind am meisten abgehoben. Die Fraktion verbuchte „mit 35 Flügen die höchste Pro-Kopf-Rate“ („merkurtz.de“).

Die Welt im Flug retten
Katharina Schulze beim Eis essen in Kalifornien
Katharina Schulze, ihres Zeichens Grünen-Chefin im Freistaat Bayern, ist als eine der größten Umweltsünderinnen ertappt worden. Schulze hat sich ein ganzes Jahr lang keineswegs geschont, sie absolvierte sage und schreibe 124.000 Flugmeilen. Wohl um die Erderwärmung aufzuhalten?

Nach Kalifornien geflogen, hat sich die umtriebige Abgeordnete („Kerosin-Katha“ wird sie im Netz genannt) dort eine leckere, riesige Eisportion gekauft, wie sie selbst auf ihrem Instagram-Profil mit Foto verraten hat. Dass die unermüdliche Langstreckenfliegerin freilich das amerikanische Eis in einem großen Plastikbecher kaufte und es dann auch noch mit einem Plastik-Löffel gegessen hat – das löste Stürme der Empörung aus. „Täten es ihr alle Bürger Bayern nach, stiege Deutschlands CO2-Ausstoß schlagartig um ein Achtel“, hat „science-skeptical“ errechnet.

Fühlt sich die Frau Abgeordnete nun schuldig? Keineswegs. Sie rechtfertigt sich vor allem damit, dass sie für den Flug „Kompensationsgelder“ an Organisationen des Umweltschutzes gezahlt habe. Diese „Strafsumme“ dürfte für die USA-Flugreise bei etwa 40 bis 60 Euro liegen. Eine Sache für die Portokasse im Abgeordnetenbüro. Kann sich ein Mensch aus der politischen „Elite“ noch heuchlerischer verhalten?

In Orwells „Animal Farm“: Alle sind gleich – doch manche sind gleicher

Die „Volksvertreter“ selbst rechnen anscheinend ganz anders. Sie sind – wenn sie zum Beispiel vorschlagen, die Zahl der Flüge sollten für Bundesbürger grundsätzlich begrenzt werden – offensichtlich der Ansicht, Bestimmungen zur Reduzierung von Flugreisen würden nur für die Untertanen gelten. Die Abgeordneten sehen sich allem Anschein nach als eine soziale Klasse, die über allen Vorschriften stehen, die für den Bürger gelten. Das ist ein Selbstverständnis, das zuletzt auch die herrschende Klasse der Kommunisten im „Arbeiter- und Bauernstaat“ der DDR kennzeichnete. Die Avantgarde Ostdeutschlands beanspruchte Privilegien en masse für sich – auf Kosten der Arbeiter und Bauern, die es zu regieren galt.

Um es mit Georges Orwell zu sagen: In seiner politischen Fabel „Animal Farm“ lässt er die „Schweine“ auftreten, die nach der siegreichen Revolution die Farm beherrschen. Der oberste Grundsatz der Schweine lautet – bald nach der umfassenden Machtübernahme: „Alle sind gleich – aber manche sind gleicher.“


Dr. Manfred Schwarz ist Politologe. Er war jeweils acht Jahre Medienreferent in der Hamburger Senatsverwaltung und Vizepräsident des nationalen Radsportverbandes BDR [Ressort: Medien] sowie Mitglied des Hamburger CDU-Landesvorstandes.

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