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Kleinkrieg rund um den 1. Mai

Integrationsbeauftragte bedroht: „Zu Recht haben Leute wie du Angst“

Ein konfuses Video der noch jungen Vereinigung „Migrantifa“ führt zur Einschaltung des Staatsschutzes in Berlin. Die Neuköllner Integrationsbeauftragte Güner Balci wird darin als „Erfolgsrassistin“ angegriffen, bedroht und für eine Missachtung der muslimischen Gemeinschaft verantwortlich gemacht.

Berliner Integrationsbeauftragte Güner Balci

IMAGO / Metodi Popow

Zu Beginn des kontroversen Videos heißt es: „Güner, du weißt, was jetzt kommt. Denn dieses Video geht an dich.“ Die in Neukölln geborene Güner Balci ist heute unverschämterweise Integrationsbeauftragte dort, „in unserem Neukölln“, so die Stimme im Video. Balci sei „Erfolgsrassistin“. Es heißt dann unter anderem: „Zu Recht haben Leute wie du Angst, wenn sie von unserer Politik mitbekommen.“ Das Berliner Landeskriminalamt hat den Staatsschutz eingeschaltet und geht von einer „konkreten Gefährdungslage“ für Balci aus.

Nach den Silvesterrandalen, bei denen sich vorwiegend migrantische Täter mit Gewalttaten auch gegen Rettungskräfte und Brandstiftungen hervortaten, hatte Balci gefordert, dass die Täter auch wirklich bestraft würden, selbst wenn sie minderjährig sind. Der Großteil der Menschen in den Kiezen, in denen diese Jugendlichen aufgewachsen und heute aktiv sind, „verachten und verurteilen“ deren Treiben – gerade auch in der Silvesternacht – und hätten selber „sehr große Schwierigkeiten, mit diesen Jugendlichen umzugehen“, sagte Balci im Januar im Deutschlandfunk.

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Allerdings müssten auch sie darauf achten, sich nicht zu viele Feinde im eigenen Viertel zu machen, denn dann lebe man dort „keinen angenehmen Tag“. Sozialarbeiter für die „völlig durchgeknallten Jugendlichen“ seien fehl am Platz, härtere Strafen keineswegs. Mit solch einer Position etabliert man sich offenbar als Zielscheibe gewisser Migrantenvertreter. Balci sieht sich keineswegs als Ordnungskraft im Kiez, sondern ruft bei Konflikten die Polizei, schon um sich und ihre Familie zu schützen. Doch die Drohungen erreichen die Integrationsbeauftragte nun auf anderem Wege.

Eine Vereinigung namens Migrantifa hat auf Twitter ein Video veröffentlicht, das die Integrationsbeauftragte direkt anspricht und für ein muslimisches Iftar-Fest verantwortlich macht. Der Neuköllner Bürgermeister Martin Hikel (SPD) habe dieses Fastenbrechen unter anderem mit ihr und dem Psychologen Ahmad Mansour organisiert. Dagegen waren die tonangebenden Moscheen des Stadtteils nicht eingeladen, weil ihnen entweder eine Nähe zu den Muslimbrüdern oder zum türkischen Islamverband Ditib angekreidet wird. In der Nicht-Einladung sieht die Migrantifa eine Missachtung der Muslime.

Balci und Mansour werden von der Migrantifa als „rassistische Gestalten“ und „Erfolgsrassisten“ beschrieben, mit deren Hilfe der Bürgermeister das Fastenessen „zugunsten seiner Politik instrumentalisieren“ wolle.

Unbeliebte Shishabar- und Späti-Razzien

Bürgermeister Hikel wird in dem Video seinerseits für die Shishabar- und Späti-Razzien in seinem Bezirk verantwortlich gemacht. Diese Razzien gelten innerhalb der gesamten Sicherheits-Gemeinde Berlins (Polizei, Staatsanwaltschaft, Innenpolitiker) als erfolgreich und fortführungswert, weil sich einfach so viele kleine oder größere Gesetzesverstöße finden, die sich durch kleinere Einsätze nicht aufklären ließen. Man ist offenbar solidarisch mit der (mindestens) Kleinkriminalität im Bezirk. Außerdem „patrouilliere“ Hikel mit Schutzweste auf der Neuköllner Sonnenallee, was insofern ein absurder Vorwurf ist, als der Bürgermeister dort sicher nicht als Sicherheitskraft auftrat, sondern nur versuchte, sich ohne unbillige Selbstgefährdung im eigenen Stadtteil zu bewegen.

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Wenn Balci die Gewaltbereitschaft im Islam kritisiert oder die mittelalterlichen Glaubensvorstellungen verschiedener Imame und Gläubigen anspricht, dann gilt das der Migrantifa als Sakrileg. Wer sich hinter der Gruppierung verbirgt, bleibt weitgehend unklar. Ihr Logo, das auch im Video immer wieder gezeigt wird, umfasst das Motto „Yallah yallah“, eine zum Kampf gereckte Faust und zwei rote Nelken – also Motive aus dem Orbit des internationalistischen Sozialismus, vermengt mit türkisch-arabischer Alltags- und Sprachkultur. „Yallah“ bedeutet in diesen Sprachen so viel wie „Beeil dich“, „Los geht’s“ oder „Vorwärts“.

In Frankfurt und Berlin wurden der Migrantifa bei Demonstrationen israelfeindliche und antisemitische Parolen angekreidet. Zur Berliner Gruppe zählt auch der Linkspartei-Politiker Ferat Kocak. Ein ähnliches Bündnis zwischen der radikalen Linken und Migrantengruppen ist unter dem Stichwort „Kreolisierung“ aus Frankreich bekannt. Jean-Luc Mélenchon beschreibt mit dem Begriff die Vermischung als Staatsziel, also ein Gegenkonzept zur Leitkultur.

Die Gründung der Migrantifa wird gemeinhin mit dem Anschlag von Hanau in Verbindung gebracht, der bekanntlich von einem verwirrten Jugendlichen aus grün-bürgerlichem Hause begangen wurde, aber von der Politik weithin als Fanal der deutschen Ausländerfeindlichkeit angesehen wurde, welches man im Zeichen der „Buntheit“ als Werbemaßnahme in eigener Sache zu nutzen versuchte. Natürlich behält man dabei stets im Hinterkopf, dass man die multikulturellen Parallelstrukturen in Deutschland weiter stärken will. Die Gründung und das Wirken der Migrantifa ist insofern ein indirekter Erfolg dieser Kreise. Der Berliner Linke Kocak hat auch das Anti-Balci-Video durch Like und Kommentar (drei erhobene Fäuste) unterstützt. Im Berliner Abgeordnetenhaus ist er Fraktionssprecher für antifaschistische Politik, Strategien gegen Rechts und Klimapolitik.

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Der aktuelle Anlass des kurzen Videos, das auch weiterhin auf dem Twitter-Profil des Vereins angeheftet ist, scheint dabei nichtig genug: Bei dem offiziellen Neuköllner Iftar-Fastenbrechen verteilte eine „junge Person von uns“ Flyer mit Werbung für eine geplante Demonstration am 1. Mai. Balci habe diese Person von Sicherheitsleuten bedrängen lassen und persönlich „mit Flyern beschmissen“.

Für den „Revolutionären 1. Mai“ warb die Migrantifa etwa mit dem Slogan „Kein Frieden mit dem Krieg“ und zeigte dabei ebenso Frauen mit offenem Haar wie verschleierte Frauen. Das teilweise konfuse Video endet mit den Worten: „Wir interessieren uns tatsächlich für die Menschen. Ihr könnt versuchen, weiter Razzien in unseren Läden zu machen, uns aus dem Kiez zu verdrängen oder uns zu schikanieren. Aber, Güner, Berlin-Neukölln wehrt sich. Wir organisieren uns, und wir lassen keine Angriffe durchgehen.“

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