Tichys Einblick
Giffey spricht von altem Problem

Die SPD nimmt Kurs auf Neukölln und die CDU fragt nach den Vornamen der Randalierer

Kaum haben SPD-Politikerinnen sich auf den Problemtyp „junge Männer mit Migrationshintergrund“ geeinigt, funkt ihnen der angesehene CDU-Innenpolitiker Herbert Reul dazwischen: Auch mit Deutschen gebe es Probleme. Wirklich? Die Hauptstadt-CDU fragt nach den Vornamen der Randalierer.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser und die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey in der Feuerwache Neukölln, 06.01.2023

IMAGO / Frank Ossenbrink
Es war eine bemerkenswerte Darstellung der Silvesternacht, die Landesbrandschutzmeister Karsten Homrighausen – an sich kein Ordnungshüter – in zurückhaltendem Ton vorlegte. Homrighausen berichtete in Anwesenheit der Berliner de-facto-noch-Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey und der Bundesinnenministerin Nancy Faeser von mindestens 20 Barrikaden, die in der Silvesternacht errichtet wurden, um Feuerwehrleute anzugreifen. Zum Teil seien Feuerwehrmänner in Hinterhalte gelockt worden, darunter auch Ehrenamtler. Die Gewalt gegen die Einsatzkräfte hat demnach „eine ganz neue Intensität“ erreicht, was inzwischen allen politischen Beobachtern klar zu sein scheint.

Auch die SPD-Politikerinnen waren am Ende beeindruckt und zeigten das durch eine sonst nicht gekannte Attitüde der Handlungsbereitschaft. Faeser behauptete, sie habe all dies in ihren Gesetzentwürfen schon vorausgesehen, vor allem was die Verschärfung des Waffenrechts angeht. Franziska Giffey, nicht nur als Ex-Bürgermeisterin von Berlin-Neukölln durchaus mitverantwortlich für die Lage, hatte den bisher von ihr benutzen Bundesjoker weggelegt und sagte, man kenne die Täter teilweise schon „aus dem Kiez“. Das hat anscheinend nur nicht allzu viel bei der Prävention geholfen. Nun soll das „Ende der Geduld“ nicht allein gekommen, sondern schon „mehr als überschritten“ sein. Eine erstaunliche Steigerungsform aus dem Mund der SPD-Bürgermeisterin, eigentlich das Eingeständnis des eigenen Scheiterns.

Gescheitert ist damit der verständnisvolle SPD-Ansatz in Sachen junge Großstadtmigranten und deren deviantes Verhalten. Nach der Homrighausen-Predigt sagte Giffey: „Wenn gestandene Feuerwehrleute, die in schwierigen Innenstadtlagen wie Neukölln, Kreuzberg, Wedding ihren Dienst tun, wenn gestandene Polizeikräfte, die wirklich mit allen Wassern gewaschen sind, sagen, so etwas haben sie in dieser Form noch nicht erlebt, dann haben wir hier eine Zäsur.“ Die Silvesternacht bilde nur die „Spitze des Eisberges“, von massivem „Werteverfall“ und einer Respektlosigkeit, die das ganze Jahr über sichtbar werde. Die „jungen Menschen“ fühlten sich „nicht mehr in dem Maße einer Gesellschaft zugehörig fühlen, wie wir das als normal betrachten würden“. Die Taten seien in Brennpunktlagen erfolgt, „wo wir seit Jahren investieren, auch Sozialarbeit machen und dennoch ist es passiert“, so Giffey. Bis zum nächsten Silvester will Giffey diese Lage geklärt haben.

Faeser wusste beizusteuern, dass Feuerwehr für ihren kleinen Sohn einfach das Größte sei. Das gilt offenbar in ihrem Verständnis für alle kleinen Jungen. Irgendwann später müsse diese Bewunderung bei den migrantischen Tätern dann also geschwunden sein. All das sei eine „widerliche Art der Kriminalität“, fiel der Innenministerin auf. Gegen Rassismus verwahrte sich Faeser allerdings in der ihr eigenen unbeholfenen Art: Die Menschen, die am meisten unter der Eskalation in der Silvesternacht gelitten haben, seien ja selbst solche mit Migrationshintergrund. Dann kann es ja an der seit Jahren währenden Massenzuwanderung ins Land – durch die von Faeser geduldeten illegalen Einreisen mit anschließendem Asylantrag – schon einmal nicht liegen. Will Innensenatorin Spranger (SPD) Duldungen entziehen?

Doch das Parteienkartell spielt wieder einmal nur über die Bande. Gerade haben sich also die drei SPD-Frauen in Berlin-Neukölln zusammengefunden, um sich auf den Tätertypus der Silvesternacht zu verständigen: Ja, es waren „junge Männer mit Migrationshintergrund, die unseren Staat verachten, Gewalttaten begehen und mit Bildungs- und Integrationsmaßnahmen kaum erreicht werden“, wie Nancy Faeser schon am Mittwoch festgestellt hatte.

Die Berliner Innensenatorin Iris Spranger steigerte das Forderungsrepertoire der Sozialdemokratie, indem sie den Eltern der Silvesterrandalierer mit dem Entzug der Duldung drohte. Das wäre schon ein Gegenakzent im Vergleich mit dem offiziell bekundeten Wunsch der Ampel, die Duldungen abgelehnter Asylbewerber möglichst in ein dauerhaftes Bleiberecht zu verwandeln. Droht jetzt also die Abschiebung der Täterfamilien durch die Berliner Innensenatorin? Angesichts der Berliner Landeskoalition (Rot-Grün-Rot) muss man befürchten, dass es nur wohlfeiles Vor-Wahl-Gebell war.

Ein anderer Innenpolitiker bellte nun zurück und sagte, nein, es sind nicht nur junge Männer mit Migrationshintergrund. In Nordrhein-Westfalen scheinen auch junge Deutsche an den Silvesterrandalen beteiligt gewesen zu sein. Das bedeutet ja noch nicht, dass sie keinen Migrationshintergrund besitzen. Herbert Reul (CDU) nimmt so seinen SPD-Kollegen den Wind aus den Segeln. Wichtiger noch scheint aber: Er verengt erneut den Diskurs und bestärkt so die SPD-Regierende von Berlin Franziska Giffey darin, die Vorfälle zum Jugendproblem zu degradieren und mit einem Gipfel zur „Jugendgewalt“ beantworten zu wollen. Dabei hatte Giffey diese Linie doch schon fast aufgegeben.

Es seien „nicht nur Migranten“ dabei, sondern auch „deutsche Staatsbürger“, sagte Reul. Aber das eine schließt das andere bekanntlich nicht aus. Auch sonst übt sich der Innenminister von NRW im Nebelsprech, redet von „irgendwelchen Mitteln“, mit denen er – so glaubt die FAZ – auf Böller oder Messer angespielt hätte, die wiederum in den Händen der migrantischen Gewalttäter regelmäßig zu Waffen werden.

Die CDU fragt nach dem Migrationshintergrund der Täter

Die Liste der Festnahmen aus NRW spricht schon Bände: Unter den 258 Festgenommenen finden sich demnach 25 verschiedene Staatsangehörigkeiten und auch Personen mit Doppelpass. Das Verhältnis der Nicht-Deutsch-Passler zu den Deutsch-Passlern (sicher inklusive Doppelpassbesitzer gerechnet) beträgt laut Angaben „50 zu 50“. Die Berliner CDU dringt nun laut Welt auf eine Vornamensliste der Berliner Täter mit deutschem Pass. So will man eruieren, ob unter den deutschen Staatsbürgern weitere Personen mit Migrationshintergrund sind. Die Senatskoalitionäre reagieren mit Frust: Die CDU lasse „ihre rechtspopulistische Maske fallen“ (oder setzt sie sie gerade auf?), sagte der SPD-Innensprecher Tom Schreiber. Sein Pendant bei der Linkspartei, Niklas Schrader, hat Sorgen, dass den Tätern so „das Deutschsein“ abgesprochen werden soll. Für Vasili Franco (Grüne) kündet schon die Frage von Rassismus. Alles Reaktionen derselben Güte. Für die grüne Landesvorsitzende Bettina Jarasch handelt es sich schlicht um die „Jugend in Berlin“, die nun einmal zu zwei Dritteln Migrationshintergrund habe.

Derweil hat der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) seinen Kommentar zu den „rechtsextremen“ Gewalttätern zurücknehmen müssen. Der FAZ teilte das Ministerium mit, dass „zu den genannten Merkmalen … bisher keine Daten verfügbar seien“. Ein bundesweites Lagebild ist offenbar in Planung. In Niedersachsen hatte es an Silvester angeblich nicht mehr, wohl aber heftigere Angriffe auf Einsatzkräfte gegeben.

Beim Freitagmorgen-Termin in Neukölln hatte Faeser außerdem eine Verschärfung des Waffenrechts gefordert – natürlich mit Verweis auf die eingesetzten Schreckschusswaffen. Dabei ist deren Einsatz außerhalb der eigenen Wohnung bzw. des Grundstücks schon heute an einen Kleinen Waffenschein geknüpft. Die vielfach gefilmten Schüsse zu Silvester waren also nach dem heute geltenden Waffenrecht illegal. Und man fragt sich, wo das Sonderaufgebot der Polizei an dieser Stelle war.

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