Tichys Einblick
Dünnes Ergebnis beim Flüchtlingsgipfel

Früher war mehr Wumms: unbegrenzte Einwanderung – begrenzte Finanzierung

Bund und Länder haben zu den Kosten der Einwanderung getagt. Der mit großem Brimborium angekündigte Flüchtlingsgipfel hat dünne Ergebnisse gebracht – die Probleme sind nur aufgeschoben.

Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt am 10. Mai 2023, Berlin

IMAGO / Jürgen Heinrich

Die Vorsängerin der Antifa ist frustriert: „Ich rufe free movement und ihr stimmt dann ein, everybody’s right.“ Bis jetzt klang das dünn, doch nach dem Anschiss klappt’s besser. So ein antifaschistischer Widerstand braucht halt schon Disziplin. Deswegen üben die Antifalas bereits eine Stunde vorm Kanzleramt, bevor dort der Flüchtlingsgipfel von Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Chefs der Länderregierungen beginnt.

So ein Gipfel ist ein enormer Aufwand. Bereits Stunden vorher stehen dort öffentlich-rechtliche Kamerateams, um O-Töne von ihren Landesfürsten einzuholen. Der Spiegel tickert sich im Internet wund. Am Spreebogen kann kaum ein Eichhörnchen furzen, ohne dass das „Sturmgeschütz der Demokratie“ das rausposaunt. Das Kanzleramt hat ein Thesenpapier entwickelt, die Länder auch. Jetzt kann es losgehen.

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Doch die Inszenierung ist noch nicht zu Ende. Der Flüchtlingsgipfel verschiebt sich um eine gute Stunde. Dann tagt er, dann legt er eine Pause ein, da beraten die beiden Seiten getrennt. Hui. Die Spannung steigt. Wie wird sich die Einwanderung in Deutschland verändern, wie wollen Bund und Länder mit dem Flüchtlingsstrom fertig werden?

Und dann verkündet Scholz die Ergebnisse. Wie es sich für einen wichtigen Mann zu einem wichtigen Anlass gehört, wird er von zwei Männern flankiert: dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (CDU), und von Niedersachsen, Stephan Weil (SPD). Jetzt aber Butter bei die Fische, wie man an der Nordsee sagt. Wat is denn nu mit der Einwanderung?

Der Bund zahlt den Ländern für die Einwanderung eine Milliarde Euro mehr. In Olaf Scholz umgerechnet, ist das ein Hundertstel „Sondervermögen“ und ein Zweihundertstel Doppelwumms. Die Deutsche Bank hätte es in besseren Zeiten „Peanuts“ genannt. Ist das alles? Eine Woche Brimborium, zwei Thesenpapiere und die Antifa hat extra das Skandieren geübt? Dafür?

Es gibt noch viel mehr. Die Grünen wollten verhindern, dass die Liste der sicheren Herkunftsländer erweitert wird. Da hat sich Scholz durchgesetzt. Die Liste wird erweitert. Zum Beispiel um Georgien. Und dann noch Moldau und … Nun, eigentlich nur um Georgien und Moldau. Aber der Gipfel hat noch etwas gebracht, „ein klares Verfahren“, wie es Wüst nennt, und ein Protokoll. Der Bund und die Länder beraten weiter – im Juni und im November. Früher hätte man das Arbeitskreis genannt. Die haben mittlerweile einen schlechten Ruf. Da klingt Wüsts „klares Verfahren“ schon besser, na ja, früher war mehr Wumms.

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Der Bund wird weiter zur Einreise ermutigen. Allenfalls „lageabhängige Grenzkontrollen“ wie derzeit an der Grenze zwischen Bayern und Österreich sollen ermöglicht werden und mehr Schleierfahndung, als Kontrollen hinter der Grenze. Das bedeutet: Wer es bis 50 Kilometer hinein nach Deutschland geschafft hat, kann bis an sein Lebensende bleiben, wenn er nur Asyl sagen kann. An den Außengrenzen der EU hofft Scholz, dass die Partnerländer das Richtige machen, ohne dass er sich die Hände schmutzig machen und seine Jusos mit unschönen Bildern konfrontieren muss. Davon abgesehen sucht Deutschland eine europäische Lösung bei der Verteilung von Flüchtlingen – eine Forderung, die in zwei Jahren ihr zehnjähriges Jubiläum erlebt.

Die Kernforderung der Länder bleibt. Sie wollen eine Kopfpauschale. Das bedeutet: Je mehr Einwanderung es gibt, desto höher sind die Kosten und desto mehr soll der Bund bezahlen. Der Bund will die Kostenübernahme für die Einwanderung begrenzen, aber nicht die Einwanderung. Kostet sie dann mehr, sollen die Länder zahlen, oder die Kommunen oder irgendwer. Wer, wird man sehen. Scholz hat sich mit der Milliarde Euro mal wieder Zeit gekauft. Aber nur bis zum November. Eigentlich sogar nur bis zum Juni. Viel Wumms hat er nicht mehr.

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