Tichys Einblick
Der Kampf gegen die AfD

Faesers und Haldenwangs Rezept: Geheimdienst statt politische Argumente

Thomas Haldenwang sagt, der „Verfassungsschutz“ allein könne die AfD nicht bekämpfen. Muss er nicht. So hilft das Staatsfernsehen, wie sich zum Auftakt eines Prozesses um die Partei als „rechtsextremistischen Verdachtsfall“ zeigt.

IMAGO / Metodi Popow

Am Oberverwaltungsgericht Münster ist am Dienstag ein Berufungsprozess gestartet. Es geht um die Frage, ob der „Verfassungsschutz“ die zweitstärkste deutsche Oppositionspartei als „rechtsextremistischen Verdachtsfall“ einstufen darf. Just an dem Tag veröffentlicht der Bayerische Rundfunk die Ergebnisse einer „Recherche“, nach der rund 100 Mitarbeiter der AfD-Fraktion im Bundestag dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen seien. Zufälle gibt’s.

Wie ist der Bayerische Rundfunk an die Ergebnisse seiner „Recherche“ gekommen? Dem BR lägen interne Mitarbeiterlisten der AfD vor. Diese habe er dahingehend abgeglichen, wer der Genannten in Organisationen tätig sei, die vom „Verfassungsschutz“ beobachtet würden. Entweder hat der BR da eine kleinteilige Recherche hingelegt, bei der die Öffentlich-Rechtlichen an geleaktes Material gekommen sind. Oder der Inland-Geheimdienst hat dem Staatsfernsehen eine Liste überreicht mit der Bitte, sie zu bewerben – möglichst am Tag des Prozessauftakts. Mag jeder selbst bewerten, was er für wahrscheinlich halten will. Oder welchen Verdacht er öffentlich äußern will. Denn so etwas gilt ratzfatz als staatsfeindliche Hetze – oder als „Delegitimierung des Staates“, wie es der „Verfassungsschutz“ heute nennt.

Verfassungsschutzpräsident
Thomas Haldenwang: „Nicht allein der Verfassungsschutz ist zuständig, Umfragewerte der AfD zu senken“
Dessen Chef Thomas Haldenwang (CDU) hat sich beklagt, der „Verfassungsschutz“ könne nicht allein die AfD zurückdrängen. Damit hat der von Angela Merkel (CDU) eingesetzte Beamte offen zugegeben, dass er es als seine Aufgabe sieht, entscheidend in den demokratischen Prozess von Wahlen einzugreifen. Verbal war das reichlich ungeschickt. Aber Haldenwangs Aufgabe ist es, der Regierung und der regierungsnahen Opposition die Fundamentalopposition durch staatliche Repression vom Leibe zu halten – da kann niemand verlangen, dass Haldenwang auch noch über einen Ansatz von rhetorischem oder politischem Gespür verfügt.

Rhetorisches Gespür. Politisches Gespür. Das war ohnehin Bonner Republik. Heute schicken die Parteien Kandidaten wie Nancy Faeser (SPD), Tobias Hans (CDU) oder Annalena Baerbock (Grüne) zur Wahl. Und wenn der Wähler diese partout nicht will – bloß, weil die Kandidaten komplett unzulänglich sind –, dann korrigiert der Inland-Geheimdienst das. Falls notwendig, alleine. Damit der Wähler nicht weiter auf die Idee kommt, von CDU, SPD, Grünen, FDP und Linken vernünftige Politik einzufordern oder brauchbare Kandidaten – lediglich, um nicht die AfD zu wählen.

Haldenwang hat gezeigt, dass er bereit ist, die Aufgabe zu erfüllen, die AfD zurückzudrängen. Wie viel freie Hand er dabei hat, entscheidet vorläufig das Oberverwaltungsgericht Münster. Es beschäftigt sich mit einem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln, das vor zwei Jahren befand, der „Verfassungsschutz“ dürfe die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufen.

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Haldenwang und Medien bereiten verbal AfD-Verbot vor
Zum Prozessauftakt ist die AfD mit einem Antrag gescheitert, den Prozess zu vertagen. Die Rechtsanwälte der Partei haben argumentiert, es sei nicht möglich, von Januar bis März 4200 Seiten Dokumente und 116 Stunden Videomaterial zu sichten. Das Oberverwaltungsgericht Münster lehnte diesen Antrag ebenso wie Befangenheitsanträge gegen einzelne Richter ab. Es scheint entschlossen zu sein, das Verfahren ähnlich schnell durchzudrücken wie schon das Verwaltungsgericht Köln zuvor. Haldenwang bleibt offensichtlich nicht alleine mit der Aufgabe, die AfD zurückzudrängen.

Die Gerichte scheinen die Aufgabe schnell loszuwerden, für demokratische Vielfalt zu sorgen. Der Weg zu mehr Einfalt ist dann frei für Haldenwang und seine Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Die hat vom hessischen Wähler drastisch erfahren, dass weder ihr politisches Angebot noch ihre Person geeignet sind, Mehrheiten zu überzeugen. Dann muss es halt über den Weg des „Verfassungsschutzes“ gehen und der Kriminalisierung oppositioneller Positionen – auch unterhalb der Schwelle zur Strafbarkeit, wie es Faeser offen bekundet hat. Ihr fehlt ebenfalls der Anflug von politischem oder rhetorischem Geschick.

Falls der Prozess nicht so befriedigend für Haldenwang und Faeser weiterläuft, wie es der Auftakt des Oberverwaltungsgerichts Münster verspricht, dann gibt es ja immer noch die 4200 Seiten Dokumente und 116 Stunden Videomaterial. Über die könnte manches dank „Recherchen“ öffentlich bekannt werden. Wobei Haldenwang fair sein sollte. Nicht nur der BR will recherchieren. Staatsnahe Zeitungen wären sicherlich auch froh, etwas von dem Kuchen abzubekommen – denn der Chef des „Verfassungsschutzes“ ist wahrlich nicht allein, wenn es darum geht, die zweitgrößte Oppositionspartei zurückzudrängen.

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