Tichys Einblick
Kampf gegen Fake News?

Ein EU-Kommissar für Wahrheit?

„Die Rente ist sicher“ - diesen regierungsamtlichen Unsinn würde man heute Fake News nennen. Aber dagegen soll die geplante EU-Faktenpolizei wohl auch gar nicht vorgehen. Was Fake News ist, entscheidet die Regierung; so war es bisher in Diktaturen und auch die EU orientiert sich erkennbar am bewährten Pekinger Modell.

European Union Commissioner for Security Union Julian King addresses a press conference on the Commission initiatives to tackle the spread of disinformation online and to increase transparency and fairness between platforms and businesses, at the European Commission in Brussels on April 26, 2018.

EMMANUEL DUNAND/AFP/Getty Images

Die Angriffe des amtierenden Bundesministers des Äußeren, damals, als er noch Justizminister spielen durfte und die Bundesanwaltschaft bei Ermittlung wegen Landesverrats ausbremste, sind bekannt. Mit einem lächerlichen Restbestand an Abgeordneten wurde auf die Schnelle – bevor möglicherweise die Neuwahlen andere Mehrheiten schufen (was sie nicht taten) das als „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ titulierte Internet-Zensurgesetz durchgewinkt. Doch der Berufsfunktionär exekutierte damit nur, was die gedachte Europa-Regierung der EU-Kommission längst beschlossen hatte. EU-Sicherheitskommissar Julian King, als Brite ausgerechnet jemand, den die Folgen seines Tuns ohnehin nicht mehr interessieren, brachte das Thema nun wieder in die Schlagzeilen, weil er längst Abgebrühtes neu verkaufte.

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Schon am 13. November vergangenen Jahres hatte die Kommission vermeldet, sie richte eine „hochrangige Expertengruppe“ ein, die „weitere Schritte gegen Fake News“ entwickeln solle. Fake News – das ist offenbar das Schreckgespenst unserer selbstherrlichen Regierungen. Deshalb trat nun am 26. April 2018 die Kommission erneut auf den Plan und stellte „Maßnahmen zur Bekämpfung der Desinformation im Internet und neue Vorschriften für Online-Plattformen vor“.

So langsam wird es also konkret. „Desinformationen im Internet“ sind der zu bekämpfende Gegner. Da haben die Printmedien aber Glück gehabt. Staats-TV und staatliche Pressestellen nicht minder. Sie dürfen auch künftig desinformieren, was das Zeug hält.

Bloß keine unkontrollierte Wahlbeeinflussung

Der erste Punkt, der der Kommission Sorge bereitet, ist die Nutzung von „personenbezogenen Daten im Kontext von Wahlen“. Soll heißen: Wenn jemand wie „Cambridge Analytica“ die von Plattform-Nutzern großzügig ins Netz gestellten Infos über sich und seine Person nutzt, um damit dem Zielpublikum maßgeschneiderte Wahlaussagen zu präsentieren, dann ist das in den Augen der Kommission gegen „demokratische Prozesse“ gerichtet. Um das klarzustellen: Es geht hier nicht darum, Cambridge Analytica reinzuwaschen – aber die Erhebung von oftmals Straßenzug-genauen Personenprofilen gehört längst zum Handwerkszeug aller politischen Parteien. Schließlich soll einem nicht noch einmal jener Lapsus unterlaufen, den eine konservative Parteijugendorganisation in einer mecklenburgischen Mittelstadt zu verantworten hatte. Die wollte nämlich besonders pfiffig sein und trat in klassischen DDR-Plattenbausiedlungen massiv auf. Folge: Dort, wo sonst kaum jemand zur Urne schritt, schnellte die Wahlbeteiligung in die Höhe und bescherte ausgerechnet dem Klassenfeind die höchsten Zuwächse.

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Damit also auch weiterhin die Nutzung zielgruppengenauer Analysen den etablierten Parteien vorbehalten bleibt, sollen nun erst einmal die Plattform-Betreiber einen „gemeinsamen Verhaltenskodex“ erarbeiten. Das liest sich in EU-Deutsch wie folgt: „Bis Juli sollen Online-Plattformen als erstes einen gemeinsamen Verhaltenskodex ausarbeiten und beachten, mit dem Transparenz bei gesponserten Inhalten, vor allem bei politischer Werbung, erreicht, die Targeting Optionen für politische Werbung beschränkt und die Einnahmen für Desinformationslieferanten verringert werden sollen. Dadurch soll größere Klarheit über die Funktionsweise von Algorithmen und die Möglichkeit der Überprüfung durch Dritte geschaffen und Nutzern das Auffinden von und der Zugang zu unterschiedlichen, alternative Standpunkte vertretenden Informationsquellen erleichtert werden.“

Alles verstanden? Nein? Um es nachvollziehbarer zu formulieren: Politische Aussagen sollen künftig nicht mehr durch unkontrollierte, automatische Prozesse im Hintergrund der Plattform potentiellen Nutzern sichtbar gemacht werden. Vielmehr sollen Informationen, die als „Desinformationen“ bezeichnet werden, wenn möglich ausgeblendet werden. Wo dieses nicht geht, steht Big Brother parat und soll durch die Plattform automatisch zugeschaltet werden.

Beispiel: Sie erhalten von einer der bekannteren Parteien eine Nachricht mit der Aussage, die Rente sei sicher. Da dieses unschwer als Fake News zu erkennen ist, schaltet sich automatisch eine Experten-Publikation hinzu, die das Gegenteil belegt.
Können Sie sich nicht vorstellen? Da haben Sie Recht. War eine vom Autor eingeschmuggelte Fake News. Denn tatsächlich ist es selbstverständlich umgekehrt: Sie interessieren sich für Rentenpolitik und lesen im Netz fundierte Texte über die Unfinanzierbarkeit des bestehenden Umlagesystems. Da derartige Informationen Sie jedoch verunsichern und davon abhalten könnten, eine jener Parteien zu wählen, die Ihnen ständig etwas von einer sicheren Rente erzählen, gelten diese Texte als „demokratie-gefährdend“. Also – am besten, Sie finden sie im Netz gar nicht erst.

Wenn doch, schaltet sich automatisch die gewünschte „Richtigstellung“ hinzu.
Soweit dieses Beispiel – denn ähnlich erginge es Ihnen beispielsweise, wenn Sie andere, nicht gewünschte Themen aufrufen. Sie wollen gern etwas zu illegaler Einwanderung erfahren? Dann schaltet sich automatisch ein Text dazu, der die armen „Flüchtlinge“ in den höchsten Tönen bejubelt. Sie möchten etwas über „Islamisierung“ erfahren? Dann erhalten sie die Verknüpfung zur gängigen Pro-Islampropaganda. Und so fort.

Die FakeNewsPolice

Weil das jedoch nicht reicht, um die „wahre“ Wahrheit zu vermitteln, schlägt die Kommission „ein unabhängiges, europäisches Netz von Faktenprüfern“ vor. Diese FakeNewsPolice hat die Aufgabe, „auf eine möglichst umfassende Richtigstellung von Fakten in der gesamten EU“ hinzuarbeiten. Dazu sollen Fachleute Zugriff auf sämtliche verfügbaren Quellen bekommen, um den Plattformbetreibern sofort Meldung geben zu können: Fake News! Umgehend löschen und Poster blocken!
Selbstverständlich – all das könnte auch seine guten Seiten haben. Würde beispielsweise ein Ajman Mazyek behaupten, der Islam sei eine friedliche Religion, würde der Faktencheck sofort den Gegenbeweis erbringen und Herr Mazyek gesperrt werden. Oder die Bundesregierung behauptet, die illegalen Einwanderer seien zumeist „hochqualifizierte Fachleute“. Faktencheck – Eintrag gelöscht, Bundesregierung geblockt. Bundeskanzler Merkel behauptet, etwas sei „alternativlos“? Fakten gecheckt – Eintrag gelöscht, Bundeskanzleramt geblockt.

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So könnte – nein, so müsste es sein, wenn es der EU-Kommission tatsächlich darum ginge, Fake News aus dem Netz zu verbannen. Leider aber ist das Ziel ein anderes. Wie schon vor geraumer Zeit von mir bei TE beschrieben, geht es ausschließlich darum, Informationen zu tilgen, die der gefühlten Wirklichkeit der Herrschenden nicht gefallen. Mit Wahrheit hat die Fake-News-Police daher nicht das Geringste zu tun.

Das, was die Kommission nun weiter vorantreibt, soll die Zensur von der Landesebene auf die Europaebene heben. Die Gleichschaltung des Denkens hat oberste Priorität.

Und deshalb ist der Weg dann auch nur noch kurz, um von all diesen hübschen, systemerhaltenden Maßnahmen demnächst bei fest installierten „Wahrheitsministerien“ zu landen. Neu ist diese Idee ja nicht. Gab es alles schon einmal. In Deutschland hörten entsprechende Institutionen wahlweise auf „Geheime Staatspolizei“ oder „Ministerium für Staatssicherheit“. Trotzdem gilt: Auf in die schöne, neue Welt, in der nur noch gedacht werden darf, was gedacht werden darf.