Tichys Einblick
TE-Leser wussten es schon früher

Der Habeck-Graichen-Skandal und die späte Kritik der CDU

Was TE seit Monaten schreibt, kommt nun auch der CDU-Führung zu Bewusstsein: Im grün geführten (Vettern-)Wirtschaftsministerium zieht ein Staatssekretär die Strippen, der längst entlassen gehört. Zu dieser Erkenntnis bedurfte es eigentlich nicht erst des jüngsten Skandals.

Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz (rechts) mit Staatssekretär Patrick Graichen, 05.09.2022

IMAGO / Chris Emil Janßen
Die CDU ist als Oppositionspartei wie ein Jagdhund, den man zum Jagen tragen muss. Nachdem seit Monaten, im Grunde seit Übernahme des Wirtschaftsministeriums durch Robert Habeck und seinen Staatssekretär Patrick Graichen, jeder Beobachter und vor allem jeder Leser von Tichys Einblick um die zwielichtige Rolle Graichens und seine offenkundige Vetternwirtschaft wissen konnte, wagt sich nun endlich die CDU in Person ihres Generalsekretärs Mario Czaja mit der Forderung nach Entlassung Graichens an die Öffentlichkeit: „Das Bundeswirtschaftsministerium verkommt immer mehr zur grünen Krake“, sagte Czaja der Bild. Bei Habeck werde „völlig ruchlos nach Stammbuch eingestellt“. Wobei man sich fragt, warum dann nicht konsequenterweise auch der Rücktritt des Ministers gefordert wird, der Graichen einstellte und ideologisch und personell die Strippen ziehen lässt. Nicht nur Graichen, sondern auch Habeck wäre eigentlich nach den herkömmlichen Maßstäben fällig.

Graichen wollte seinen Trauzeugen zum Geschäftsführer der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur machen. Nepotismus pur. Die Dreistigkeit Graichens ist wohl ein Beleg dafür, wie unangreifbar sich grüne Spitzenfunktionäre angesichts einer ihnen nahestehenden Presse und einer kaum weniger handzahmen Unionsopposition fühlen.

Wenn Czaja nun sagt, es sei „kein Wunder“, dass Habeck nicht mehr mitbekomme, was im Land los sei, so kann man das durchaus als uneingestandene Bestätigung dafür lesen, dass TE Recht hatte, immer wieder den Finger in die Wunde des Bundeswirtschaftsministeriums zu legen. TE-Redakteur Marco Gallina berichtete schon im Dezember 2021 und im Januar 2022 von den fragwürdigen Vernetzungen Graichens und des zuvor von ihm geführten Think-Tanks Agora Energiewende und der Großzügigkeit der Bundesregierung gegenüber Graichens Verwandtschaft.

Dass Habeck seinen Staatssekretär unbedingt entlassen muss, forderte TE-Autor Klaus-Rüdiger Mai auch schon mehrere Tage vor CDU-General Czaja. Was TE bis vor kurzem fast als einziges Medium schrieb, ist mittlerweile Common Sense. Auch grünenfreundliche Medien schreiben jetzt, wie die Süddeutsche über „ganz normalen grünen Filz“ oder „fette Beute für Habecks Leute“ (Augsburger Allgemeine).

Staatssekretäre und erst recht Minister stürzen für gewöhnlich nicht schon, wenn die Opposition ihren Rücktritt fordert, sondern wenn der Druck in der ganzen Breite der Medien so stark wird, dass auch die Koalitionspartner und schließlich die eigenen Parteifreunde den Delinquenten loswerden wollen, weil er die eigene Sache in Verruf bringt. Entscheidend für die Frage nach Graichens und Habecks Zukunft dürfte daher sein, wie sich die Presse einerseits und die Koalitionspartner (vor allem die FDP) andererseits in der Causa weiter verhalten.

Man erinnere sich, nach welchem Fehler zum Beispiel einst ein Bundeswirtschaftsminister Jürgen Möllemann im Januar 1993 zurücktreten musste: Er hatte in einem Brief auf Papier des Ministeriums für eine Geschäftsidee eines Vetters seiner Ehefrau geworben. Selbst der damals höchst regierungskritische Spiegel schrieb von einer „Petitesse“. Aber Medien, die SPD-Opposition und – entscheidend – konkurrierende FDP-Parteifreunde ließen nicht locker, bis Möllemann das Handtuch warf.

Bislang scheint die FDP – ähnlich wie in sachpolitischen Fragen – in entscheidenden Momenten eine Beißhemmung gegenüber den Grünen zu haben. Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Rainhard Houben, sagte, es sei richtig, dass das Bundeswirtschaftsministerium die Personalentscheidung Graichens überprüfe. Brisant allerdings sein Nachsatz: Es müsse geprüft werden, auf welche Personalien Graichen darüber hinaus Einfluss genommen habe. „Hier muss er sich erklären“, so Houben. Das dürfte vor allem eine Frage der Hartnäckigkeit sein.

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