Tichys Einblick
Zentralismus in regionaler Verkleidung

Der Grünen Programm zur Abschaffung Deutschlands nimmt Formen an

Der „progressive Regionalismus“, den die Grünen dem erstarkten und absoluten Brüsseler Zentralismus entgegenzustellen vorgeben, stellt bei näherem Hinsehen doch eher plumpe Demagogie oder Heuchelei dar.

imago/Tim Wagner

Laut einem Bericht des Tagesspiegels, der die Grünen mit unübertrefflicher Ironie „Oppositionspartei“ nennt, beinhaltet der Zwischenbericht zur Erarbeitung des Grundsatzprogramms, den Annalena Baerbock und Robert Habeck am Freitag vorzustellen gedenken, im Grunde den Plan von der Abschaffung Deutschlands. Man kann nicht einmal sagen, dass die Katze aus dem Sack wäre, denn man kennt sie bereits, nur wird nun ihre Gestalt in allen Details deutlicher.

Das Ziel der Grünen besteht in der Schaffung der „Föderalen Europäischen Republik“, die sich um „sozialen Schutz, innere Sicherheit und Verteidigung“ (Baerbock) kümmern soll. Das EU-Parlament wäre dementsprechend, als zweite Kammer zu stärken und mit eigenen Kompetenzen zum „zentralen Ort aller europäischen Entscheidungen“ zu machen, das ein eigenes Initiativrecht bekommt, heißt, dass fortan die Gesetze in Brüssel verabschiedet werden. Der „progressive Regionalismus“ indes, den die Grünen dem erstarkten und absoluten Brüsseler Zentralismus entgegenzustellen vorgeben, stellt bei näherem Hinsehen doch eher plumpe Demagogie oder Heuchelei dar, denn nicht nur die gerade beschlossene Urheberrechtsveränderung zeigt, wie wenig die Brüsseler Bürokratie und das EU-Parlament gewillt sind, die Bürger in Europa zu achten. Außerdem stellt sich die Frage, was von einem „progressiven Regionalismus“ übrig bleibt, wenn alle europäischen Entscheidungen in Straßburg getroffen werden? Die Agenda der EU muss nicht notwendig die Agenda Europas sein.

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Die gewünschte Überdehnung des Repräsentationsprinzips schlüge in ein Repressionsprinzip um, wenn Brüssel die volle juristische Kompetenz erhält. Manfred Weber, der Spitzenkandidat von CDU/CSU zur Europawahl hat bereits mitgeteilt, dass nur noch erlaubte Kritik an der EU erlaubt ist. Das erweckt den Anschein, dass man nicht mehr mit Argumenten überzeugen, sondern mit Zwangsmaßnahmen die Kritiker verdrängen will, damit aber leistetete man Europa einen Bärendienst, denn Europa kann nur als Herzens- und Verstandesangelegenheit wachsen – und nicht durch Zwangsmaßnahmen. Wie schrieb Martin Luther vor fünfhundert Jahren so hellsichtig: „Das wollen wir so klar machen, dass man’s mit Händen greifen solle, auf dass unsere Junker, die Fürsten und Bischöfe sehen, was sie für Narren sind, wenn sie die Menschen mit ihren Gesetzen und Geboten zwingen wollen, so oder so zu glauben.“ Und: „…sie treiben damit die schwachen Gewissen mit Gewalt dazu, zu lügen, zu verleugnen und anders zu reden, als sie es im Herzen meinen, und beladen sich selbst so mit gräulichen fremden Sünden. Denn alle die Lügen und falschen Bekenntnisse, die solch schwache Gewissen tun, fallen zurück auf den, der sie erzwinget.“ Es geht schlicht und ergreifend nur durch das bessere Argument, das bessere Konzept. Nicht anders. Und niemals mit Zwang. Wer auf Zwang setzt, besitzt entweder kein überzeugendes Konzept oder misstraut ihm selbst.

Zur Verwirklichung der „Föderalen Europäischen Republik“ wollen die Grünen die Währungsunion „um einen sozialen Binnenmarkt“ erweitern. Darunter verstehen sie die Angleichung der Lebensverhältnisse in Europa, die von „wohlhabenden und starken Ländern, allen voran Deutschland“ als Beitrag für die europäische Einheit zu leisten wäre. Dass die Grünen die Propagandalüge vom reichen Deutschland bemühen, um die spürbare Absenkung des Lebensniveaus gerade der Familien in Deutschland zu rechtfertigen, zeigt, wie wenig die Grünen in Wahrheit Politik für Familien, noch Politik für die deutschen Bürger zu machen gewillt sind, denn zum einen wird die Angleichung bspw. durch eine einheitliche europäische Arbeitslosenversicherung dazu führen, dass de facto die deutschen Bürger teils ihrer geleisteten Beiträge und erworbenen Ansprüche enteignet werden, um ihren Beitrag zur „europäischen Einigung“ zu leisten. Zum anderen werden die Steuern und Sozialabgaben für die deutschen Bürger erhöht. Das ist nicht nur eine logische Annahme, sondern wird dadurch bestätigt, dass die Grünen bereits einen Vorschlag erarbeitet haben, auf die deutsche Arbeitslosenlosenversicherung noch eine Arbeitsversicherung drauf zu satteln.

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Zudem stellen sich die Grünen vor, dass die EU-Bürokratie laut TAGESSPIEGEL ein eigenes Budget von ca. 110 Milliarden Euro erhält, das man über eigene Steuern erheben möchte. Die überhöhte deutsche Staatsquote wird durch eine EU-Quote aufgestockt, d.h. der deutsche Steuerzahler zahlt zusätzlich noch an Brüssel Steuern. Nähme man das Argument an, dass alle Bürger die EU-Steuer bezahlen müssen, führt dieses Konzept seine eigene Logik selbst ad absurdum. Würde man, wie es die Grünen tun, das BiP der Eurozone zugrunde legen und es auf das jeweilige BiP des Mitgliedslandes herunterbrechen, schulterte der deutsche Steuerzahler persönlich die höchste Steuerlast, würden die Steuern jedoch abhängig vom Einkommen erhoben, würde wieder der deutsche Steuerzahler den höchsten Beitrag leisten, wobei bedingt durch die hohe Staatsquote in Deutschland der Unterschied zwischen Brutto- und Nettoeinkommen in dieser Veranlagungsart für viele Deutsche ruinös endete. Sollte jedoch an eine zusätzliche Unternehmenssteuer gedacht werden, wäre das ein spezifisch grünes Dekonstruktionsprogramm für den deutschen Mittelstand, einfacher ausgedrückt: dessen Zerstörung.

Die Angleichung der Lebensverhältnisse durch Umverteilung führte in der Geschichte in der Konsequenz für alle letztlich zur Verarmung. Eine der schönsten Witze in der DDR ging so. Frage: Was geschieht, wenn die Staatliche Plankommission in die Wüste kommt? Antwort: Dann wird der Sand knapp. Was die Grünen in Europa installieren wollen, ist eine staatliche Sozialstaatskommission.

Dabei wurde hier noch nicht einmal der Unterschied in Effizienz und Arbeitsweise der deutschen und der beispielsweise griechischen Finanzverwaltungen im Eintreiben der Steuern in den Blick genommen und auch nicht die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in Betracht gezogen.

Bringt man die programmatischen Ideen der Grünen für Deutschland auf den Punkt, dann resultieren für die deutschen Bürger aus diesem Konzept weniger Rechte und höhere Abgaben. Die Demokratie wird eingeschränkt, die Abgaben werden erhöht und die deutsche Wettbewerbsfähigkeit gesenkt. Man kann daher das Programm der Grünen mit Fug und Recht als Plan zur Abschaffung Deutschlands charakterisieren.

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Es ist zudem weder europäisch hilfreich, weil es im Bestreben europäische Unterschiede einzuebnen, die Konflikte in EU-Europa verstärkt, noch ist es sozial. Die Grünen glauben tatsächlich, wenn sie den Antrieb aus der EU-Bahn entfernen, dass der Zug dann schneller und besser fährt. Doch ein schwaches und schwankendes Deutschland wird für EU-Europa zum Problem. Die soziale und wirtschaftliche Unwucht des großen Deutschlands würde den ganzen Kontinent treffen. Im Grunde wissen das alle – nur nicht die deutschen Grünen. Eigentlich möchte man sie nicht mit der Realität belästigen, wo sie doch gerade so schön träumen, doch wird man das tun müssen, wenn es kein böses Erwachen für alle geben soll.

Niemand in Europa will die „Föderale Europäische Republik“. Macron mag dringend deutsches Geld benötigen, um sich an der Macht zu halten, doch etwas anderes als ein französisches Europa schwebt ihm nicht einmal im Traume vor. Was die Grünen nicht einmal im Ansatz begriffen haben, wenn sie für den Aufstieg des „Populismus“ das „einseitige Sparen nach der Bankenkrise“ verantwortlich machen, was sie selbstredend beenden wollen, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen der deutschen und der französischen Fiskal- und Wirtschaftsphilosophie in der Vorstellung besteht, was Geld ist, nämlich Bürgergeld, wie man es bislang in Deutschland sah, oder Mittel zur Intervention des Staates in die Wirtschaft. Geld ist in Frankreich Mittel einer Industriepolitik, die man in Deutschland nicht kennt. Die französische Wirtschaftsphilosophie trägt allerdings keinen unerheblichen Anteil an den gravierenden, wirtschaftlichen Problemen unseres Nachbarn.

Die Deutschen werden sich entscheiden müssen, ob sie gut leben oder gut träumen möchten. Die Grünen jedenfalls legen den Deutschen das Wohlfühlprogramm zum Träumen vor.